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Die Unbestimmtheit der Erbeneinsetzung im Testament – OLG Köln, Beschluss vom 14.11.2016 – Az. 2 Wx 536/16

Leitsätzliches:

Mit der testamentarischen Anordnung „derjenige, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat, soll der Alleinerbe sein” ist das Testament mangels hinreichender Bestimmung eines Erben unwirksam.

Oberlandesgericht Köln

Datum: 14.11.2016

Gericht: OLG Köln

Spruchkörper: 2 Wx

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 2 Wx 536/16

Tatbestand:

I.
Zwischen dem 00.00.0000 und dem 00.00.0000 ist Frau J M geb. W (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Sie war verheiratet mit dem am 00.00.0000 vorverstorbenen L E M. Kinder hatten die Eheleute M nicht. Der Beteiligte zu 1) ist der Bruder des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin, der Beteiligte zu 2) ist der Bruder der Erblasserin.
Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten unter dem 23.10.2011 ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtetet, das u.a. folgenden Inhalt hat:
„Testament
Wir bestimmen gegenseitig, dass der Überlebende der Alleinerbe des Verstorbenen sein soll.
Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten soll derjenige, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat, der Alleinerbe sein.“
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Testamentes vom 23.10.2011 Bezug genommen (Bl. 5 d. Beiakte 8 IV 11/16).
Mit notarieller Urkunde vom 02.02.2016 – UR.Nr. XX/2016 der Notarin E2. T in S – hat der Beteiligte zu 1) u.a. beantragt, einen Erbschein nach der Erblasserin zu erteilen, der ihn, den Beteiligten zu 1), als Alleinerben ausweist (Bl. 1 ff. d. A.). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er die Erblasserin nach dem Tod seines Bruders unterstützt und sich um sie gekümmert habe. So habe er die Beerdigung des Bruders organisiert, sich um den Erwerb des Grabes und die Beschriftung des Grabsteines bemüht und die Grabpflege veranlasst. Er habe den durch den Tod des Bruders notwendig gewordenen Schriftverkehr erledigt und die Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2014 in die Wege geleitet. Er habe die Erblasserin psychisch unterstützt sowie ihre ärztliche Behandlung und Krankenhausaufenthalte gesteuert. Er, der Beteiligte zu 1), erfülle daher die im Testament vom 23.10.2011 genannten Voraussetzungen. Den Haushalt habe die Erblasserin im Übrigen noch selbst erledigt. Es sei wegen ihrer Diabeteserkrankung zweimal wöchentlich ein Pflegedienst zum Verbandswechsel erschienen. Sonstige Pflegeleistungen seien nicht erbracht worden. Der Beteiligte zu 2) habe sich nicht um die Erblasserin gekümmert.
Mit Schreiben vom 13.03.2016 hat der Beteiligte zu 2) mitgeteilt, dass er keine Bedenken gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins habe (Bl. 72 d. A.).
Daraufhin hat das Nachlassgericht am 17.03.2016 die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen durch Beschluss für festgestellt erachtet und den Erbschein antragsgemäß erteilt Bl. 74 ff. d. A.).
Mit Schriftsatz vom 22.03.2016 ist der Beteiligte zu 2) dem Vorbringen des Beteiligten zu 1) entgegengetreten und hat vorgetragen, dass das Testament vom 23.10.2011 nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam sei. Zudem habe der Beteiligte zu 1) die Erblasserin nicht gepflegt und im Hinblick auf seinen weit entfernten Wohnort auch gar nicht pflegen können. Vielmehr habe er, der Beteiligte zu 2), sich um die Erblasserin gekümmert, sie besucht und telefonischen Kontakt gehalten.
Mit weiterem Schriftsatz vom 24.05.2016 hat der Beteiligte zu 2) beantragt,
den Erbschein vom 17.03.2016 einzuziehen.
Zudem hat er beantragt, ihm einen Alleinerbschein zu erteilen und die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu erlassen (Bl. 83 f. d. A.).
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, dass das Testament hinreichend bestimmt sei. Die Erbenposition sei an konkrete von der Erblasserin vorgegebene Tatsachen geknüpft, die in seiner Person erfüllt seien. Bezüglich der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 27.06.2016 (Bl. 91 ff. d. A.), 14.07.2016 (Bl. 96 ff. d. A.) und 23.08.2016 (Bl. 212 f. d. A.) Bezug genommen.
Durch Beschluss vom 13.09.2016 hat das Nachlassgericht den Erbschein vom 17.03.2016 eingezogen (Bl. 216 ff. d. A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das gemeinschaftliche Testament vom 23.10.2011 inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 13.09.2016 Bezug genommen.
Gegen diesen dem Beteiligten zu 1) am 16.09.2016 zugestellten Beschluss richtet seine am 14.10.2016 beim Amtsgericht Wipperfürth eingegangene Beschwerde vom selben Tag (Bl. 225 ff. d. A.). Er trägt vor, dass die Begriffe „begleiten“, „pflegen“ und „zuletzt“ nicht unbestimmt seien. Hier seien auch Kriterien vorhanden, die eine Konkretisierung auf ihn, den Beteiligten zu 1), und damit eine bestimmte Person zulassen würden. Er habe die Erblasserin im Sinne des Testamentes vom 23.10.2011 begleitet und gepflegt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 14.10.2016 Bezug genommen.
Durch Beschluss vom 27.10.2016 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 239 f. d. A.).

Gründe:

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Nachlassgericht hat den Erbschein nach der Erblasserin vom 17.03.2016, der den Beteiligten zu 1) als Alleinerben ausweist, zu Recht gem. § 2361 S. 1 BGB eingezogen, weil dieser Erbschein unrichtig ist. Dem Testament vom 23.10.2011 ist keine wirksame Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) zu entnehmen. Die Formulierung „derjenige, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat, soll der Alleinerbe sein“ ist nicht hinreichend bestimmt und enthält daher keine eindeutige Einsetzung eines Erben.

Wie sich aus § 2065 BGB ergibt, muss sich ein Erblasser selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile seines letzten Willens schlüssig werden. Dazu gehört insbesondere die Bestimmung über die Person des Bedachten. Diese muss zwar nicht namentlich genannt sein; erforderlich ist aber, dass die Person des Bedachten anhand des Inhalts der Verfügung, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen zuverlässig festgestellt werden kann. Sie muss im Testament so bestimmt sein, dass jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen ist (BayObLG, Beschluss v. 23.05.2001 – 1 Z BR 10/01, FamRZ 2002, 200 m.w.N.). Soweit der Wille des Testierenden durch Auslegung festgestellt werden kann, liegt zwar kein Fall der unzulässigen Bestimmung der Person des Bedachten durch einen Dritten vor. Die Testamentsauslegung ist, auch wenn sie wertende Elemente enthält, nicht die in § 2065 BGB gemeinte unzulässige Willensentscheidung; das Gericht ist insoweit nie Dritter. § 2065 BGB greift indes dann ein, wenn der Wortlaut der letztwilligen Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss (Senat, Beschluss vom 09.07.2014 – 2 Wx 188/14; BayObLG, Beschluss v. 23.05.2001 – 1 Z BR 10/01, FamRZ 2002, 200 m.w.N.; Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2013, § 2065 Rn.16, 17; MünchKomm-BGB/Leipold, 6. Aufl. 2013, § 2065 Rn. 5). So liegt der Fall hier.

Unbestimmt in diesem Sinne ist zunächst der Begriff der „Pflege“. Dies gilt sowohl für die Art der Pflegeleistungen als auch für ihren Umfang. So ist zum Beispiel unklar, ob mit der Regelung in dem Testament vom 23.10.2011 Pflegeleistungen aufgrund einer Einordnung der Erblasserin in eine Pflegestufe oder Pflegeleistungen zumindest im Sinne der Sozialgesetze gemeint waren oder auch sonstige geringfügige Pflegeleistungen. Auch der Umfang der Pflegeleistungen, den sich die Erblasserin und ihr Ehemann bei Abfassung des Testamentes vorgestellt haben, ist nicht ersichtlich. Dass der im Testament verwandte Begriff der „Pflege“ unbestimmt ist, zeigt sich schon aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im vorliegenden Fall. Bei der Erblasserin ist zweimal wöchentlich ein Verbandswechsel durch einen Pflegedienst durchgeführt worden. Es ist unklar, ob diese Tätigkeit, die eindeutig als Pflegeleistung einzustufen ist, bereits von der Regelung in dem Testament erfasst werden sollte oder nicht, und wenn ja, ob die jeweils tätigen Personen oder der Pflegedienst selbst als Erben in Betracht kämen.

Weiterhin lässt die Formulierung im Testament offen, über welchen Zeitraum die inhaltlich und umfänglich unbestimmten Pflegeleistungen erbracht werden sollten, um von einer Erbeinsetzung ausgehen zu können. Der Begriff „zuletzt“ bezieht sich jedenfalls allein auf die Erblasserin (die „zuletzt“ Verstorbene), nicht aber auf die Pflegeleistungen. Es bleibt daher letztlich unklar, ob Pflegeleistungen über Tage, Wochen, Monate oder Jahre erforderlich sein sollten. Insgesamt ist der Begriff der „Pflege“ daher einer Auslegung nicht zugänglich. Es wäre eine Wertung durch das Nachlassgericht oder den Senat erforderlich, d.h. das Nachlassgericht oder der Senat müssten die Bestimmung des Erben anhand eigener Kriterien vornehmen.

Selbst wenn der Begriff der „Pflege“ hinreichend bestimmt und damit einer Auslegung durch den Senat zugänglich wäre, könnte sich der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg darauf berufen, aufgrund dieser Regelung Alleinerbe der Erblasserin zu sein. Denn der Beteiligte zu 1) erfüllt die Voraussetzung, die Erblasserin gepflegt zu haben, unabhängig von der Bestimmtheit dieses Begriffs nicht, weil er nach seinen eigenen Angaben keine Pflegeleistungen erbracht hat. Die Bestellung eines Pflegedienstes oder die behauptete psychische Unterstützung der Erblasserin durch den Beschwerdeführer stellen jedenfalls keine Pflegeleistungen dar.

Ebenfalls unbestimmt ist der im Testament verwandte Begriff des „Begleitens“. Es ist völlig unklar, was darunter inhaltlich und zeitlich zu verstehen sein soll. So wird der Begriff des „Begleitens“ sehr häufig im Zusammenhang mit Sterbevorgängen verwandt. Für ein solches Verständnis könnte die Verwendung des Begriffs in einem Testament sprechen. Wenn dies gemeint gewesen sein sollte, hätte der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen aber nicht erfüllt. Schließlich ist die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes allein gewesen, was sich schon daraus ergibt, dass der Todeszeitpunkt nicht geklärt werden konnte. Sie ist zwischen dem 00.00.0000 und dem 00.00.0000 verstorben.

Wäre der Begriff des „Begleitens“ dagegen nicht im vorgenannten Sinne zu verstehen, bliebe unklar, was denn sonst unter einem „Begleiten“ zu verstehen sein soll, ein bloßes „sich kümmern“, wie der Beschwerdeführer den Begriff versteht, und wenn ja, mit welchen Inhalten und über welchen Zeitraum, oder gar ein partnerschaftliches Begleiten. Auch hierzu ergeben sich aus dem Testament keine Anhaltspunkte. Eine Auslegung scheidet daher aus. Eine Bestimmung wäre nur über eine Wertung durch den Senat anhand eigener Kriterien möglich, die aber gem. § 2065 BGB unzulässig wäre. Im Übrigen setzt die Formulierung im Testament voraus, dass die Erblasserin „begleitet und gepflegt“ worden ist. Es fehlt aber in jedem Fall an Pflegeleistungen des Beschwerdeführers.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 126.098,00 €