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Keine Heranziehung ererbten Vermögens zum Kostenbeitrag für “die staatliche Hilfe” junger Erwachsener – BVerwG, Urteil vom 25.06.2015 – Az. 5 C 12/14

Leitsätzliches:

1) Unterliegt des ererbte Vermögen einer Dauer-Testamentsvollstreckung und hat der Kostenverpflichtete keinen eigenen Zugriff auf sein Vermögen, kommt eine Zahlungsverpflichtung nicht in Betracht.
2) Besteht ein naher zeitlicher Zusammenhang nach Beendigung der Leistung, kann eine Kostenbeteiligung doch gefordert werden.

 

Bundesverwaltungsgericht

Datum: 25.06.2015

Gericht: BVerwG

Spruchkörper: 5 C

Entscheidungsart: Urteil

Aktenzeichen: 5 C 12/14

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Erhebung eines Beitrags zu den Kosten einer Hilfe für junge Volljährige aus einer Erbschaft, die der Testamentsvollstreckung unterliegt.

Die am 16. April 1992 geborene Klägerin lebt seit ihrem fünften Lebensjahr in einer Pflegefamilie. Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres erhielt sie dafür von der Beklagten Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege bzw. als Heimerziehung, die vom 16. April 2010 bis zum 30. April 2012 als Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII in Form von Heimerziehung nach § 34 SGB VIII fortgesetzt wurde. Die Hilfe wurde in drei Abschnitten vom 16. April 2010 bis zum 31. Oktober 2010 (Bescheid vom 21. Juni 2010), vom 1. November 2010 bis zum 30. Juni 2011 (Bescheid vom 30. November 2010) und zuletzt vom 1. Juli 2011 bis zum 30. April 2012 (Bescheid vom 18. Juli 2011) gewährt.

Im September 2006 erbte die Klägerin als Alleinerbin mehrere Hausgrundstücke. In dem Testament ist bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres Testamentsvollstreckung in Form der Dauervollstreckung angeordnet worden, die im Falle eines begründeten Bedürfnisses – etwa einer noch fortdauernden Ausbildung – maximal bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres fortgesetzt werden soll.

Mit Bescheid vom 5. November 2012 setzte die Beklagte für die der Klägerin geleistete Hilfe für junge Volljährige einen Kostenbeitrag in Höhe von 97 947,65 € fest. Fällig sei die Forderung bei Beendigung der Testamentsvollstreckung am 16. April 2013 mit der Vollendung ihres 21. Lebensjahres, spätestens aber am 16. April 2017 mit der Vollendung des 25. Lebensjahres.

Die dagegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter und trägt insbesondere vor, die Testamentsvollstreckung stehe einer Veräußerung des letzten verbliebenen Hausgrundstücks nicht zwingend entgegen. Das Eigentumsrecht bestehe, so dass das Erbe grundsätzlich verwertbar sei. Lege man im Jugendhilferecht für die Verwertbarkeit den Bedarfszeitraum zugrunde, würden kurzzeitige Leistungsempfänger in gleichheitswidriger Weise bevorzugt. Es widerspreche außerdem dem Sinn und Zweck des § 92 Abs. 1a SGB VIII i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII, wenn dem jungen Volljährigen zu Lasten der öffentlichen Jugendhilfe Vermögenswerte gesichert würden, die diesem nach Beendigung der Testamentsvollstreckung zur freien Verfügung stünden.

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 5. November 2012 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2013 gefunden hat, rechtswidrig ist.

Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Kostenbeitragsbescheides bilden § 92 Abs. 1a i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 91 Abs. 1 Nr. 5b und 8 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (- Kinder- und Jugendhilfe – SGB VIII) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 8 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10). Danach sind junge Volljährige aus ihrem Vermögen nach Maßgabe der §§ 90 und 91 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (- Sozialhilfe – SGB XII) in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133), sowie des § 94 SGB VIII zu den Kosten der Hilfe für junge Volljährige in Form der Heimerziehung nach §§ 41, 34 SGB VIII heranzuziehen. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht darüber, dass die Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitraum eine junge Volljährige war, ihre vollstationäre Unterbringung in der Pflegefamilie vom 16. April 2010 bis zum 30. April 2012 die Voraussetzungen einer Hilfe für junge Volljährige in Form der Heimerziehung nach §§ 41, 34 SGB VIII erfüllte und es sich bei dem ererbten Immobilienvermögen der Klägerin um Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII handelt. Streitig ist allein, ob die Erbschaft gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII verwertbar ist.

Das Oberverwaltungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Beklagte die Erbschaft der Klägerin nicht bei der Heranziehung zu den Kosten der ihr nach §§ 41, 34 SGB VIII gewährten Heimerziehung berücksichtigen durfte. Bei der bis zum 16. April 2017 unter Testamentsvollstreckung stehenden Erbschaft handelt es sich nicht um verwertbares Vermögen im Sinne des § 92 Abs. 1a SGB VIII i.V.m. § 90 SGB XII.

1. Gemäß § 92 Abs. 1a SGB VIII i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII ist auch bei der Heranziehung zu den Kosten der Jugendhilfe nur das verwertbare Vermögen einzusetzen. Der Begriff der Verwertbarkeit ist in Anlehnung an die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 90 Abs. 1 SGB XII entwickelten Rechtsgrundsätze zu bestimmen. Dabei ist den Besonderheiten des Jugendhilferechts Rechnung zu tragen.

2. Verwertbarkeit im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII ist danach ausschließlich in wirtschaftlicher Hinsicht zu verstehen (so bezüglich der Sozialhilfe schon BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7.96 – BVerwGE 106, 105 <107>; s.a. zum Begriff der Verwertbarkeit in § 12 Abs. 1 SGB II BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 158/11 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 20 Rn. 15 m.w.N.) und sowohl unter rechtlichen als auch tatsächlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Der Vermögensinhaber muss über das Vermögen (rechtlich) verfügen dürfen, und auch (tatsächlich) verfügen können (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – […] Rn. 14 m.w.N.; s.a. zum Begriff der Verwertbarkeit in § 12 Abs. 1 SGB II BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 S 158/11 R -SozR 4-4200 § 12 Nr. 20 Rn. 15). Die Verwertung des Vermögens kann durch Verbrauch, Verkauf oder Belastung der Vermögensgegenstände erfolgen (vgl. BSG, Urteile vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 42/07 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 20 und vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – […] Rn. 17). Rechtliche Unverwertbarkeit liegt vor, wenn der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (vgl. Mecke, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., 2014 Rn. 40; Geiger, in: LPK-SGB XII, 10. Aufl., 2015, § 90 Rn. 17; s.a. zu § 12 Abs. 2 SGB II BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 42/07 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 20). Tatsächliche Unverwertbarkeit ist gegeben, wenn der Vermögensinhaber aus tatsächlichen Gründen gehindert ist, den wirtschaftlichen Wert des Vermögensgegenstandes zu realisieren.

3. Verwertbarkeit im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII verlangt – wovon auch das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeht – darüber hinaus die Berücksichtigung einer zeitlichen Dimension in dem Sinn, dass das Vermögen zwar nicht sofort, aber in angemessener, also absehbarer Zeit verwertet werden darf und kann. Nur in diesem Fall stehen dem Kostenbeitragspflichtigen bereite Mittel zur Verfügung. Von einer generellen Unverwertbarkeit ist auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt (vgl. BSG, Urteile vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – […] Rn. 14 f. und vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 42/07 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 22; s.a. Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 158/11 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 20 Rn. 15).

a) Verwertbarkeit in angemessener, das heißt absehbarer Zeit ist grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Kostenbeitragspflichtige den wirtschaftlichen Wert des Vermögens innerhalb des Zeitraums realisieren kann, innerhalb dessen der jugendhilferechtliche Bedarf besteht. Für einen Einsatz gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII kommt nur dasjenige Vermögen in Betracht, durch dessen Verwertung der Notlage oder dem Bedarf abgeholfen und das dafür rechtzeitig verwertet werden kann (so schon zu § 88 Abs. 1 BSHG BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7.96 – BVerwGE 106, 105 <107 f.>). Auch im Jugendhilferecht kann daher grundsätzlich nur auf das Vermögen zurückgegriffen werden, durch dessen Verwertung im Bewilligungszeitraum die Kosten der voll- und teilstationären Leistung refinanziert werden können. Dies entspricht dem Grundsatz der Konnexität zwischen der Gewährung einer voll- oder teilstationären Leistung und deren Refinanzierung durch Erhebung eines Kostenbeitrags. Der Kostenbeitrag stellt nachträglich den Nachrang der Jugendhilfe insbesondere gegenüber den Unterhaltspflichtigen (vgl. § 10 Abs. 2 SGB VIII), aber auch gegenüber dem jungen Volljährigen im jeweiligen Bewilligungszeitraum wieder her.

Von einer Verwertbarkeit ist danach unproblematisch auszugehen, wenn der Zeitpunkt, zu dem der Kostenbeitragspflichtige rechtlich und tatsächlich über das Vermögen verfügen darf und kann, konkret feststeht und innerhalb des Bewilligungszeitraums liegt. Ist der Eintritt der Verwertbarkeit ungewiss, muss der zuständige örtliche Träger der Jugendhilfe insoweit eine Prognose anstellen (vgl. BSG, Urteile vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 42/07 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 23 und vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – […] Rn. 15). Ergibt diese, dass die Verwertung des Vermögens innerhalb des Bewilligungszeitraums rechtlich zulässig und tatsächlich möglich sein wird, ist die Verwertbarkeit ebenfalls zu bejahen.

b) Vermögen, über das der Kostenbeitragspflichtige erst nach dem Ende des Bewilligungszeitraums verfügen darf und kann, stellt nur ausnahmsweise verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII dar. Voraussetzung dafür ist, dass der Zeitpunkt des Eintritts der Verwertbarkeit konkret feststeht und der Zeitraum bis zum Eintritt der Verwertbarkeit in angemessenem zeitlichen Verhältnis zum Bewilligungszeitraum steht (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – […] Rn. 15). Steht zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung fest, dass der Kostenbeitragspflichtige zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft über Vermögen verfügen wird, tritt das Interesse des Kostenbeitragspflichtigen, nicht aus zukünftigem Vermögen zu den Kosten einer voll- oder teilstationären Leistung herangezogen zu werden, gegenüber dem Nachrang der Jugendhilfe zurück. Ob das rechtliche und/oder tatsächliche Verwertungshindernis in angemessener, das heißt absehbarer Zeit nach dem Ende des Bewilligungszeitraums wegfällt, ist ausschließlich nach zeitlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Materielle Gesichtspunkte, wie etwa der Wert des Vermögens, müssen – entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts – bei dieser Einschätzung außer Betracht bleiben. Nach der Wertung, die der Gesetzgeber in den Regelungen des § 90 Abs. 2 SGB XII zum Schonvermögen und den § 90 Abs. 3 SGB XII und § 92 Abs. 5 SGB VIII zu Härtefällen getroffen hat, sind derartige Gesichtspunkte lediglich ausnahmsweise und dann nur zugunsten des Kostenbeitragspflichtigen zu berücksichtigen.

4. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Verwertbarkeit in angemessener Zeit möglich ist, ist der vom zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe im jeweiligen Einzelfall tatsächlich bestimmte Bewilligungszeitraum. Denn im Jugendhilferecht gibt es – im Unterschied zum Sozialhilferecht (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) und zum Recht der Grundsicherung für Arbeitslose (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II) – keinen gesetzlich geregelten Bewilligungszeitraum. Bei fortlaufendem Leistungsbezug ist nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraums für jeden weiteren Bewilligungszeitraum eine neue Entscheidung über die zeitliche Angemessenheit erforderlich, die ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu treffen ist (vgl. BSG, Urteile vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 42/07 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 23 und vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – […] Rn. 15). Die Verwertbarkeit ist also abschnittsweise und für jeden Bewilligungszeitraum selbstständig zu prüfen. Das hat zur Folge, dass ein Vermögen mit fortlaufender Bewilligungszeit gegebenenfalls in die Verwertbarkeit hineinwächst.

Der Gesamtbezugszeitraum, das heißt, der Zeitraum in dem die voll- oder teilstationäre Leistung gegebenenfalls abschnittsweise gewährt wurde, scheidet als zeitlicher Bezugspunkt – entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts – schon deshalb aus, weil nach der gesetzlichen Konzeption nicht vorgesehen ist, den Kostenbeitragspflichtigen erst nach Beendigung der Leistung zu deren Kosten heranzuziehen. Der Kostenbeitrag kann und wird in der Regel vielmehr schon während der Leistungsgewährung erhoben. Das ergibt sich aus § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, wonach der Kostenbeitrag bei Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern ab dem Tag erhoben werden kann, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ist die Mitteilung aus in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallenden rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich, kann der Kostenbeitrag nach § 92 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII auch ohne vorherige Mitteilung erhoben werden. Entsprechendes gilt für die Heranziehung des jungen Volljährigen zu den Kosten einer ihm gewährten voll- oder teilstationären Leistung. Da sich die Frage der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag bereits zu Beginn des Leistungszeitraums stellen kann, ist für die Beurteilung der Angemessenheit (auch) auf diesen Zeitpunkt abzustellen.

5. In Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und an die der Senat deshalb gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass die Erbschaft der Klägerin kein im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII verwertbares Vermögen darstellt. Dies folgt schon daraus, dass der Zeitraum bis zum Eintritt der rechtlichen Verfügungsmöglichkeit über die Erbschaft nicht als angemessen angesehen werden kann.

Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erlangt die Klägerin die rechtliche Verfügungsmacht über ihre Erbschaft erst nach Beendigung der ihr in drei aufeinanderfolgenden Bewilligungszeiträumen gewährten Hilfe für junge Volljährige in Form der Heimerziehung am 16. April 2017. Zu diesem Zeitpunkt endet die testamentarisch angeordnete Testamentsvollstreckung. Die Klägerin kann nach § 2211 Abs. 1 BGB, solange die Testamentsvollstreckung besteht, über die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände nicht verfügen. Die Voraussetzungen, unter denen in einer derartigen Sachverhaltskonstellation ausnahmsweise von einem verwertbaren Vermögen auszugehen ist, sind nicht erfüllt. Dabei ist hier nicht abschließend zu klären, anhand welcher zeitlichen Parameter im Einzelnen zu beurteilen ist, ob der Zeitraum bis zum Wegfall des – in diesem Falle rechtlichen – Verwertungshindernisses als angemessen anzusehen ist. Denn nach allen in Betracht kommenden Berechnungsmodellen oder Berechnungsmethoden kann hier für keinen der drei Bewilligungszeiträume von einer rechtlichen Verwertbarkeit in angemessener Zeit ausgegangen werden.

a) Soweit das Doppelte des jeweiligen Bewilligungszeitraums als Grenze der Angemessenheit angenommen werden kann, scheidet hier eine Verwertbarkeit aus. Bezogen auf den ersten Bewilligungszeitraum vom 16. April 2010 bis zum 31. Oktober 2010 (= 6 1/2 Monate) liegt das Ende der Testamentsvollstreckung um ein Vielfaches außerhalb des damit vorgegebenen Zeitrahmens von 13 Monaten. Entsprechendes gilt für den zweiten Bewilligungszeitraum vom 1. November 2010 bis 30. Juni 2011 (= 8 Monate) sowie für den dritten Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. April 2012 (= 10 Monate). Auch insoweit wird die äußerste Grenze für die Annahme einer Verwertbarkeit in angemessener Zeit von 16 und 20 Monaten deutlich überschritten.

b) Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn die Dauer des jeweiligen Bewilligungszeitraums sowie der zeitliche Abstand zwischen deren Beginn und dem Wegfall des Verwertungshindernisses als maßgebliche zeitliche Parameter angesehen werden, die zueinander in Verhältnis zu setzen sind. Dieses Verhältnis beträgt für den ersten Bewilligungszeitraum 1 zu 13, für den zweiten Bewilligungszeitraum 1 zu 10 und für den dritten Bewilligungszeitraum 1 zu 7. Es bedarf keiner Begründung im Einzelnen, dass Verhältnisse in dieser Größenordnung keinen angemessenen Zeitraum zwischen dem Beginn des jeweiligen Bewilligungszeitraums und dem Eintritt der rechtlichen Verfügungsmöglichkeit widerspiegeln.

c) Die Richtigkeit der Annahme, dass die Erbschaft nicht in angemessener Zeit rechtlich verwertbar ist, bestätigen zwei Kontrollüberlegungen. Zunächst steht auch die gesamte Dauer des Leistungsbezugs (= 2 Jahre und 1/2 Monat) zu der Zeitspanne zwischen dem Beginn des ersten Bewilligungszeitraums und dem Eintritt der Verwertbarkeit (= 7 Jahre und 1/2 Monat) nicht in einem angemessenen Verhältnis. Die Klägerin müsste danach Vermögen einsetzen, über das sie die rechtliche Verfügungsmacht nach Ablauf eines Zeitraums erlangt, der mehr als dreimal so lang ist wie die gesamte Dauer des Leistungsbezugs. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Angemessenheit des Zeitraums bis zur Verwertbarkeit kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verjährungsfrist für den Kostenbeitragsanspruch nach der im Jugendhilferecht entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 195 BGB regelmäßig drei Jahre beträgt. Auch bezogen auf den letzten Bewilligungszeitraum wird diese Zeit überschritten.

Da der streitige Bescheid aus den vorstehenden Gründen rechtswidrig ist, kommt es nicht darauf an, ob er auch deshalb aufzuheben wäre, weil ihm nicht zu entnehmen ist, dass die Beklagte bei Erlass des Kostenbeitragsbescheids geprüft hat, ob und zu welchem Zeitpunkt die Erbschaft nach dem Wegfall des rechtlichen Verwertungshindernisses auch in tatsächlicher Hinsicht verwertbar werden wird und ob dieser Zeitpunkt in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer der jeweiligen Bewilligungszeiträume der der Klägerin gewährten Heimerziehung steht. Dafür spricht allerdings Überwiegendes.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.