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Befugnis der Vermächtnisnehmer zur Beschwerde bei Interesse am Verbleib des Testamentsvollstreckers – BGH, Beschluss vom 24.04.2013 – Az. IV ZB 42/12

Leitsätzliches:

Lehnt das Gericht die Ernennung eines Testamentsvollstreckers ab, kann sich ein Vermächtnisnehmer gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschweren, wenn die vom Erblasser gewünschte Testamentsvollstreckung zur Erfüllung des Vermächtnisses dienen sollte.

 

Bundesgerichtshof

Datum: 24.04.2013

Gericht: BGH

Spruchkörper: IV ZB

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: IV ZB 42/12

Gründe:

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Töchter des am 4. Mai 2006 verstorbenen Erblassers Paul G. , die Beteiligten zu 3 und 4 sind Söhne der Beteiligten zu 2. Durch notarielles Testament vom 20. Mai 2003 bestimmte der Erblasser die Beteiligte zu 1 zu 1/2, die Beteiligte zu 2 zu 1/4 und die Beteiligten zu 3 und 4 zu je 1/8 als Erben. Außerdem setzte er zugunsten der Beteiligten zu 5 bis 8 Vermächtnisse in Höhe von jeweils 25.000 € aus, wobei es im Testament ergänzend heißt:

“… Sollte das vorhandene Barvermögen nicht ausreichen d sein, um die Vermächtnisse zu erfüllen, so sollen diese erst dann erfüllt werden, wenn der Grundbesitz veräußert und der Erlös zur Verteilung ansteht. Die Vermächtnisbeträge sind dann mit 5% jährlich zu verzinsen, jedoch beginnend erst ein halbes Jahr nach meinem Tod.”

Im Übrigen bestimmte der Erblasser, dass es bei den Bestimmungen seines vorangegangenen Testaments vom 2. Dezember 2002 bleiben solle. In diesem ist in “(4) zu Testamentsvollstreckung” unter anderem geregelt:

“Ich ordne zur Auseinandersetzung zwischen den Erben und zur Erfüllung der vorgenannten Vermächtnisse

Testamentsvollstreckung

an.

Der Testamentsvollstrecker soll von dem beurkundenden Notar Peter D. benannt werden, wobei dieser aber keine Person benennen darf, mit der er sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen hat. …

Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, meinen gesamten Nachlaß zu veräußern und unter Berücksichtigung der Vermächtnisse an die Erben zu verteilen und auch die entsprechenden Steuern abzuführen. …

Er hat auch nach meinem Tode bis zur Verteilung der Erbmasse meinen Nachlaß ordnungsgemäß zu verwalten.

Zur Veräußerung meines Grundbesitzes ist er berechtigt, einen Makler zu beauftragen. Er soll den bestmöglichen Erlös erzielen.

Sollte Streit zwischen den Erben bzw. Vermächtnisnehmern hinsichtlich des Verkaufspreises bestehen, so ist er berechtigt, ein Gutachten einzuholen und in dem Falle, in dem innerhalb einer Frist von einem halben Jahr nach meinem Tod kein Käufer gefunden ist, den Grundbesitz auch bis zu 10% unter dem vom Gutachter festgesetzten Betrag zu veräußern.”

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Grundbesitz. Ausreichendes Barvermögen zur Erfüllung der Vermächtnisse ist nicht vorhanden. Eine Erbauseinandersetzung ist noch nicht erfolgt. Nach Eintritt des Erbfalles benannte der Notar D. zunächst zwei Testamentsvollstrecker, von denen einer vom Nachlassgericht gemäß § 2227 BGB entlassen wurde und der andere die Kündigung des Amtes erklärte. Mit Schreiben vom 10. Februar 2012 an das Nachlassgericht teilte der Notar mit, dass er keinen Testamentsvollstrecker bestimmen werde. Darauf ernannte das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2012 den Beteiligten zu 10 zum Testamentsvollstrecker. Hiergegen wandte sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer Beschwerde vom 16. März 2012, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. Juli 2012 durch Aufhebung des Beschlusses betreffend die Ernennung des Beteiligten zu 10 zum Testamentsvollstrecker vom 15. Februar 2012 abhalf.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 5, die eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses begehrt, hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Zur Begründu ng hat es ausgeführt, die Beteiligte zu 5 sei gemäß § 59 Abs. 1 FamFG nicht beschwerdebefugt, da es an dem erforderlichen unmittelbaren Eingriff durch den angefochtenen Beschluss in ein subjektives Recht fehle. Der Beteiligten zu 5 stehe als Vermächtnisnehmerin lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die mit dem Vermächtnis beschwerten Erben zu. Dieser werde ihr nicht dadurch genommen, dass das Amtsgericht die Ernennung eines Testamentsvollstreckers abgelehnt habe. Die Erwartung der Beteiligten zu 5, dass ihr die Durchsetzung ihres Vermächtnisanspruchs erleichtert werde, wenn die Abwicklung des Nachlasses einschließlich der Veräußerung des Grundbesitzes in der Hand eines Testamentsvollstreckers liege, begründe lediglich ein nicht ausreichendes rechtliches bzw. wirtschaftliches Interesse. Ebenfalls unerheblich sei, dass der Beteiligtenbegriff des § 2200 Abs. 2 BGB bisher weit ausgelegt und als Beteiligter jeder angesehen worden sei, der ein rechtliches Interesse an der Testamentsvollstreckung habe. Zum einen genüge allein die formelle Beteiligung nicht für die Begründung einer Beschwerdeberechtigung. Zum anderen habe der Gesetzgeber nunmehr in § 345 Abs. 3 FamFG den Kreis der Personen, die in einem Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers beteiligt seien oder beteiligt werden könnten, ausdrücklich festgelegt. Eine Beteiligung von Vermächtnisnehmern sei nicht (mehr) vorgesehen. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung bestehe keine Veranlassung, die Anforderungen des § 59 Abs. 1 FamFG zugunsten von Vermächtnisnehmern aufzuweichen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

1. Das Beschwerdegericht nimmt zu Unrecht an, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 5 unzulässig sei. Beschwerdeberechtigt gemäß § 59 Abs. 1 FamFG ist derjenige, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

a) Für die Beschwerdeberechtigung ist ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein dem Beschwerdeführer zustehendes subjektives Recht erforderlich. Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2004 XII ZB 208/00 , FamRZ 2004, 1024 unter II B; OLG M ünchen ZEV 2009, 342 ; OLG Hamm ZEV 2008, 334 ; Keidel/Meyer-Holz, FamFG 17. Aufl. § 59 Rn. 6, 9; Abramenko/Prütting/Helms, FamFG 2. Aufl. § 59 Rn. 2). Nicht ausreichend sind demgegenüber lediglich wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige berechtigte Intere ssen. § 59 Abs. 1 FamFG entspricht insoweit inhaltlich der bisherigen Regelung in § 20 Abs. 1 FGG (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 204).

b) Auf dieser Grundlage ist ein Vermächtnisnehmer im Falle der Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers be schwerdebefugt i.S. von § 59 Abs. 1 FamFG, wenn es gerade zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers zählt, das Vermächtnis zu erfüllen (Keidel/Zimmermann aaO § 345 Rn. 46; Staudinger/Reimann, BGB Neubearb. 2012, § 2200 Rn. 20). Zwar steht dem Vermächtnisnehmer gemäß § 2174 BGB lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die mit dem Vermächtnis beschwerten Erben zu. Dieser bleibt inhaltlich unabhängig davon bestehen, ob das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennt oder nicht. Dies ändert aber nichts daran, dass durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder durch die Ablehnung seiner Bestellung auch die Rechte des Vermächtnisnehmers beeinträchtigt oder zumindest gefährdet werden. Ist es wie hier Aufgabe des Testamentsvollstreckers, im Wege der Abwicklungsvollstreckung das Vermächtnis zu erfüllen, so kann der Vermächtnisnehmer ihn neben dem Erben gemäß § 2213 Abs. 1 Satz 1 unmittelbar auf Erfüllung des Vermächtnisses in Anspruch nehmen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Juli 1961 V ZB 9/61 , BGHZ 35, 296, 299 ). Dem entspricht es, dass der Testamentsvollstrecker im Falle einer Verletzung seiner Pflichten dem Vermächtnisnehmer gemäß § 2219 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig sein kann. Lehnt das Nachlassgericht mithin die Ernennung ein es Testamentsvollstreckers ab oder hebt es wie hier einen entsprechenden Ernennungsbeschluss auf, so wird dem Vermächtnisnehmer eine weitere Person neben dem Erben, gegenüber der er seine Ansprüche geltend machen kann, genommen.

Hinzu kommt, dass gemäß § 2214 BGB Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, sich nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten können. Hierdurch wird der Vermächtnisnehmer gegenüber den Eigengläubigern des Erben geschützt (vgl. Staudinger/Reimann aaO § 2223 Rn. 2). Wäre die Testamentsvollstreckung demgegenüber, wie das Nachlassgericht angenommen hat, durch die unterbliebene Au s-übung des Bestimmungsrechts durch den Notar gegenstandslos geworden, so könnten auch Eigengläubiger in das Vermögen der Erben vollstrecken.

Hier diente die Testamentsvollstreckung wie im Testament im Einzelnen aufgeführt dazu, die Verwirklichung des Vermächtnisanspruchs durchzusetzen, indem der Testamentsvollstrecker den vorhandenen Grundbesitz veräußern und von dem Erlös u.a. zunächst die Ansprüche der Vermächtnisnehmer befriedigen sollte.

Eine fehlende Beschwerdebefugnis des Vermächtnisnehmers hätte unter Umständen zur Folge, dass sonst niemand vorhanden ist, der den Willen des Erblassers zur Einsetzung eines Testamentsvollstreckers verwirklicht. Hierzu könnte es kommen, wenn der Dritte entgegen der Bestimmung des Erblassers keinen Testamentsvollstrecker gemäß § 2198 BGB bestimmt und der Erbe dagegen nicht vorgeh t. In einem solchen Fall muss einem Vermächtnisnehmer die Möglichkeit eröffnet werden, gegen die Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht jedenfalls dann im Wege der Beschwerde vorgehen zu können, wenn es gerade Aufga be des Testamentsvollstreckers ist, das Vermächtnis zu vollziehen.

c) Für die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 5 gemäß § 59 Abs. 1 FamFG kommt es demgegenüber nicht darauf an, ob und inwieweit sie verfahrensrechtlich als Beteiligte anzusehen ist. Gemäß § 2198 Abs. 2 BGB erlischt das Bestimmungsrecht des Dritten mit dem Ablauf einer ihm auf Antrag eines der Beteiligten von dem Nachlassgericht bestimmten Frist. Im Falle der Ernennung des Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht soll die ses vor der Ernennung die Beteiligten gemäß § 2200 Abs. 2 BGB hören. Zu den Beteiligten im Sinne dieser Vorschriften wurde bisher auch der Vermächtnisnehmer gerechnet (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1961 V ZB 9/61 , BGHZ 35, 296, 299 ; MünchKomm/BGB-Zimmermann, 5. Aufl., § 2198 Rn. 12; § 2200 Rn. 14; Soergel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2198 Rn. 9; Palandt/Weidlich, BGB 72. Aufl. § 2198 Rn. 4; ferner für den Fall der Entlassung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 BGB OLG München ZEV 2011, 651 ). Demgegenüber bestimmt § 345 Abs. 3 FamFG, dass im Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers und zur Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses Beteiligter der Testamentsvollstrecker ist. Das Gericht kann als Beteiligte ferner die Erben und den Mitv ollstrecker hinzuziehen. Auf Antrag sind sie hinzuzuziehen. Der Vermächtnisnehmer wird in dieser Vorschrift nicht mehr erwähnt (vgl. hierzu Keidel/Zimmermann, FamFG 17. Aufl. § 345 Rn. 33). Ob dies bedeutet, dass nunmehr auch § 2200 Abs. 2 BGB wegen eines Redaktionsversehens im Hinblick auf § 345 Abs. 3 FamFG eng auszulegen ist (so Fröhler in Prütting/ Helms, FamFG 2. Aufl. § 345 Rn. 43; vgl. ferner Keidel/Zimmermann aaO Rn. 36), kann indessen offen bleiben.

Für die Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 1 FamFG kommt es auf die Beteiligtenstellung nicht an (BT -Drucks. 16/6308 S. 204; Abramenko/Prütting/Helms, FamFG 2. Aufl. § 59 Rn. 1; so bereits OLG Hamm ZEV 2008, 334 für die Beschwerdebefugnis nach § 20 Abs. 1 FGG). Es ist unerheblich, ob der Beschwerdeberechtigte tatsächlich Beteiligter des erstinstanzlichen Verfahrens war oder aufgrund seiner Rechtsbetroffenheit hätte hinzugezogen werden müssen. Umgekehrt ist ein Beteiligter im erstinstanzlichen Verfahren nicht beschwerdeberechtigt, wenn er im Ergebnis der Entscheidung in seiner materiellen Recht sstellung nicht betroffen ist (BT-Drucks. aaO). Maßgebend ist allein, ob durch die angegriffene Entscheidung in ein subjektives Recht des Beschwerdeführers eingegriffen wird.

2. Das Beschwerdegericht wird nunmehr über die Begründetheit der Beschwerde der Beteiligten zu 5 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 13. Juli 2012 zu befinden haben, mit dem dieses seinen Beschluss vom 15. Februar 2012 betreffend die Bestellung des Beteiligten zu 10 zum Testamentsvollstrecker aufgehoben hat. Hierbei wird das Beschwerdegericht zu beachten haben, dass nach neuerer Rechtsprechung des Senats die Regelung in einem notariellen Testament, dass der Notar die Person des Testamentsvollstreckers bestimmen soll (vgl. § 2198 Abs. 1 Satz 1 BGB), wegen des Verbots der Verschaffung eines rechtlichen Vorteils zugunsten des Notars gemäß § 7 Nr. 1 BeurkG unwirksam ist (Beschluss vom 10. Oktober 2012 IV ZB 14/12 , ZEV 2012, 657 Rn. 6 ff.). Hieraus folgt zunächst allerdings nur, dass die entsprechende Regelung in dem notariellen Testament vom 2. Dezember 2002, wonach der Testamentsvollstrecker von dem beurkundenden Notar benannt werden soll, unwirksam ist. Das Beschwerdegericht wird auf dieser Grundlage zu entscheiden haben, ob und inwieweit sich aus einer – gegebenenfalls ergänzenden – Auslegung des Testaments ergibt, dass der Erblasser bei Kenntnis der Unwirksamkeit der von ihm getroffenen Regelung einen anderen Dritten gemäß § 2198 Abs. 1 Satz 1 BGB oder das Nachlassgericht nach § 2200 Abs. 1 BGB ersucht hätte, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen (zur Auslegung in derartigen Fällen vgl. etwa BayObLG ZEV 1997, 338 ; Staudinger/Reimann, BGB Neubearb. 2012, § 2200 Rn. 8; Keidel/Zimmermann, FamFG 17. Aufl. § 345 Rn. 29; MünchKomm/BGB-Zimmermann, 5. Aufl., § 2200 Rn. 4). Hierbei wird es insbesondere darauf ankommen, ob für den Erblasser die Person des Ernannten im Vordergrund stand oder ob es ihm darum ging, dass im Interesse einer ordnungsgemäßen Nachlassabwicklung überhaupt ein Testamentsvollstrecker bestellt wird.