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Konsequenzen einer ungenauen Testamentsvollstreckungsanordnung des Erblassers – OLG Bremen, Beschluss vom 12.05.2004 – Az. 1 W 17/04

Leitsätzliches:

Bei Unklarheiten bezüglich einer angeordneten Testamentsvollstreckung betreffend die Frage, ob diese sich auf den Vor- oder Nacherben bezieht, ist de Anordnung durch Auslegung der  Verfügung zu ermitteln.

Oberlandesgericht Bremen

Datum: 12.05.2004

Gericht: OLG Bremen

Spruchkörper: 1 W

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 1 W 17/04

Gründe:

Die Erblasserin D. M. L. Sch. ist am 01.06.2003 verstorben. Sie hatte am 10.05.1994 ein privates Testament errichtet (Akte des Amtsgerichts Bremerhaven, Az. 7 IV 355/94, Bl. 12 f), wonach sie den Beteiligten zu 1. zum alleinigen Erben bestimmte. Weiter heißt es: “Er ist jedoch nur Vorerbe und als solcher von allen gesetzlichen Beschränkungen befreit, soweit dies möglich ist. Als Nacherben bestimme ich die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Bremen. Den Nacherben . . . setze ich zugleich als Schlusserben ein.”

Die Erblasserin hat in ihrem Testament zugleich Testamentsvollstreckung angeordnet und Rechtsanwalt W, Bremerhaven, zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Sollte Herr Rechtsanwalt W. das Amt als Testamentsvollstrecker nicht annehmen oder wegfallen, möge das Nachlassgericht eine geeignete Person als Testamentsvollstrecker bestimmen. Wörtlich heißt es anschließend in dem Testament weiter: “Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, das Vermächtnis und das Nachvermächtnis zu erfüllen, ferner während der Vorerbschaft die Rechte der Nacherben wahrzunehmen.”

Nach dem Tod der Erblasserin hat der anwaltlich vertretene Beteiligte zu 1. die Erteilung eines Erbscheins beantragt, durch den er als alleiniger befreiter Vorerbe ausgewiesen werde. Der Beteiligte zu 1. hat die Ansicht vertreten, die angeordnete Testamentsvollstreckung sei wegen seiner Stellung als befreiter Vorerbe wirkungslos und entfalle deshalb.

Die Beteiligte zu 2. hat dieser Rechtsansicht widersprochen. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin sei eindeutig; überdies sei das Testament dahingehend auszulegen, dass der Vorerbe nicht unbeschränkt über den Nachlass solle verfügen dürfen.

Mit Beschluss vom 09.01.2004 (Bl. 24 f. d.A.) hat das Amtsgericht Bremerhaven einen Vorbescheid erlassen (§ 19 Abs. 1 FGG). Das Amtsgericht hat in diesem Vorbescheid angekündigt, es werde einen Erbschein folgenden Inhalts erteilen:

“Die Erblasserin ist beerbt worden von A. F., geboren am 07.10.1941, allein.

Die Erblasserin hat Nacherbfolge angeordnet. Die Erbnachfolge tritt ein bei dem Tod des Vorerben. Nacherbe ist die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Bremen, vertreten durch ihren Vorstand.

Die Erblasserin hat für die Dauer der Vorerbschaft Testamentsvollstreckung angeordnet.”

Zur Begründung des Vorbescheids hat das Amtsgericht ausgeführt, das Testament der Erblasserin sei mehrdeutig. Offensichtlich habe die Erblasserin als juristischer Laie die in Rede stehenden Begriffe nicht im engeren rechtlichen Sinne verwendet. Die Erblasserin habe gewollt, dass die Nutzung ihres Nachlasses zunächst zu seinen Lebzeiten ausschließlich dem Beteiligten zu 1. zukomme. Genauso sei es aber ersichtlich, das dem Beteiligten zu 1. der Nachlass nicht umfassend habe zufallen sollen, sondern dass der Nachlass der Erblasserin nach dem Tod des Beteiligten zu 1. der Beteiligten zu 2. zufallen solle. Die Erblasserin habe mithin dem Vorerben keine Befreiung i.S. des § 2136 erteilen wollen, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments, insbesondere der ausdrücklichen Regelung zur Testamentsvollstreckung ergebe.

Gegen den amtsgerichtlichen Vorbescheid vom 09.01.2004 hat der Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 15.01.2004 Beschwerde eingelegt (Bl. 27 f). Der Beteiligte zu 1. macht geltend, in dem Erbschein dürfe ein Vermerk über die angeordnete Testamentsvollstreckung nicht enthalten sein, weil diese Anordnung keinen Sinn habe; im Übrigen müsse der Erbschein einen Vermerk darüber enthalten, dass der Vorerbe befreit worden sei. Die Beteiligte zu 2. hält die in dem Vorbescheid zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Amtsgerichts Bremerhaven für zutreffend.

Mit Beschluss vom 27.02.2004 hat das Landgericht Bremen – 6. Zivilkammer – die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bremerhaven vom 09.01.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Kombination von befreiter Vorerbschaft und Anordnung der Testamentsvollstreckung sei zwar sonderbar und eigenwillig, jedoch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht zu beanstanden; überdies lägen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die Erblasserin die Anordnung der Testamentsvollstreckung in Wirklichkeit nicht habe verfügen wollen.

Der Beschluss des Landgerichts Bremen vom 27.02.2004 ist dem Beteiligten zu 1. am 08.03.2004 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 15.03.2004, eingegangen bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen am 16.03.2004, hat der Beteiligte zu 1. weitere Beschwerde eingelegt (Bl. 53 ff d.A.). Der Beteiligte zu 1. hält an seiner Rechtsansicht fest. Die Formulierung “befreiter Vorerbe” stelle für einen Laien eine eindeutige Feststellung dar; hinsichtlich der Anordnung der Testamentsvollstreckung habe die Erblasserin irrtümlich angenommen, eine Testamentsvollstreckung müsse “immer angeordnet werden” (54); tatsächlich habe sie eine solche Anordnung nicht erklären wollen. In dem vorliegenden Fall sei die Anordnung der Testamentsvollstreckung auch inhaltslos und überflüssig (Bl. 54).

Die Beteiligte zu 2. beantragt die Zurückweisung der weiteren Beschwerde, da die von dem Amtsgericht Bremerhaven in seinem Vorbescheid geäußerte Rechtsansicht zutreffe.

Die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 27.02.2004 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zugleich zu der Aufhebung des Vorbescheids des Amtsgerichts Bremerhaven vom 09.01.2004.

Das Amtsgericht Bremerhaven wird unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats neu zu entscheiden haben.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Bremen beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Die Auslegung des Testaments der Erblasserin vom 10.05.1994 ergibt zum einen, dass der Beteiligte zu 1. als befreiter Vorerbe und die Beteiligte zu 2. als Nacherbin eingesetzt sind; zum zweiten hat die Erblasserin für die Dauer der Vorerbschaft wirksam die Testamentsvollstreckung angeordnet. In der Begründung der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung wird dies nicht verkannt. Das Landgericht hätte jedoch in dem Tenor der angefochtenen Entscheidung aussprechen müssen, dass der Vorbescheid des Amtsgerichts aufgehoben wird. Denn in einem Erbschein, der einem Vorerben erteilt wird, ist anzugeben, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist und unter welchen Voraussetzungen sie eintritt (§ 2363 Abs. 1 Satz 1 BGB), so dass in dem Erbschein im Falle der befreiten Vorerbschaft ausdrücklich die Befreiung von einzelnen oder allen Beschränkungen, soweit diese gesetzlich zulässig sind, anzugeben sind (Nachweise bei Erman-Schüler, Komm. Zum BGB, 10. Aufl. 2000, § 2363 Rn. 1). In der fehlerhaften Tenorierung des angefochtenen Beschlusses liegt ein vom Beteiligten zu 1. zu Recht gerügter Rechtsfehler.

Wie das Landgericht in der Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit zutreffend ausführt, hat die Erblasserin den Beteiligten zu 1. zum befreiten Vorerben eingesetzt. Nach § 2136 kann der Erblasser den Vorerben von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 und der §§ 2114, 2116-2119, 2123, 2127-2131, 2133, 2134 befreien. Eine solche Befreiung kann sich durch Auslegung der letztwilligen Verfügung ergeben und muss in dieser wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommen (siehe nur Müko-Grunsky, Komm. zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 2136 Rn. 2).

Der Text des Testaments der Erblasserin vom 10.05.1994 ist insoweit eindeutig; es heißt dort, dass der Beteiligte zu 1. zum Vorerben bestimmt wird und “als solcher von allen gesetzlichen Beschränkungen befreit (ist), soweit dies möglich ist.” Diese Bestimmung ist eindeutig und kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in dem Testament nur als Befreiung von gesetzlichen Beschränkungen i.S. des § 2136 BGB verstanden werden.

Genauso eindeutig ist die in dem Testament für die Dauer der Vorerbschaft angeordnete Testamentsvollstreckung. Insoweit heißt es in § 3 des Testaments unmissverständlich, dass Testamentsvollstreckung angeordnet wird und der Testamentsvollstrecker die Aufgabe habe, “das Vermächtnis und das Nachvermächtnis zu erfüllen, ferner während der Vorerbschaft die Rechte der Nacherben wahrzunehmen.” Die Verwechslung der rechtstechnischen Begriffe von Erbe und Vermächtnis durch die Erblasserin ändert nichts daran, dass von ihr eine Testamentsvollstreckung unmissverständlich gewollt war; eine andere Auslegung lässt der eindeutige Wortlaut ihres Testaments nicht zu.

Entgegen der von dem Beteiligten zu 1. vertretenen Ansicht ist allgemein anerkannt, dass der Erblasser neben der gesetzlich geregelten Möglichkeit der Anordnung der Testamentsvollstreckung für den Nacherben (§ 2222 BGB) auch die allgemeine Testamentsvollstreckung für den Vorerben mit den Aufgaben und Befugnissen nach §§ 2203 ff BGB anordnen kann, und zwar auch für den befreiten Vorerben (siehe nur Staudinger-Reimann, Komm. zum BGB, 13. Aufl. 1996, § 2222 Rn. 4 unter Hinweis auf RG HRR 1938 Nr. 6635 und Damrau JR 1985, 106; siehe ferner Lange-Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001 Seite 601; Müko-Brandner, 3. Aufl. 1997. § 2222 Rn. 10; zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers bei befreiter Vorerbschaft instruktiv: Erman-Schmidt, a.a.O., § 2222 Rn. 4 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin eine Testamentsvollstreckung für den Nacherben (§ 2222 BGB) angeordnet, wie sich aus § 3 ihres Testaments vom 10.05.1994 ergibt.

Nach alledem hat die weitere Beschwerde insoweit Erfolg, als bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt in dem zu erteilenden Erbschein ein Hinweis auf die befreite Vorerbenstellung des Beteiligten zu 1. geboten ist. Dass die von dem Amtsgericht angekündigte Erwähnung der Anordnung der Testamentsvollstreckung in dem Erbschein nicht zu beanstanden ist, ändert nichts daran, dass der Vorbescheid des Amtsgerichts unzutreffend ist, was das Landgericht verkannt hat und weshalb die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Erfolg hat mit dem Ergebnis, dass der amtsgerichtliche Vorbescheid aufzuheben ist. Das Beschwerdegericht kann den Vorbescheid nur aufheben, nicht aber einen Erbschein erteilen oder den Erbscheinsantrag endgültig zurückweisen (BayObLGZ 81, 69).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt entspricht es der Billigkeit, dass jeder Beteiligte seine Auslagen in dem Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde selbst trägt.

Der Ausspruch über den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf §§ 30, 31, 131 Abs. 2 KostO.