Leitsätzliches:
2) Gründet ein Bevollmächtigter mit sich und - unter Nutzung der Generalvollmacht - dem Vollmachtgeber eine Gesellschaft, so sind nicht die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden, denn es fehlt am Gesellschaftsvertrag.
Bundesgerichtshof
Datum: 13.09.2011
Gericht: BGH
Spruchkörper: VI ZR
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: VI ZR 229/09
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Tochter des Beklagten, begehrt Schadensersatz und Feststellung, dass der Beklagte für Eingriffe in die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen schadensersatzpflichtig ist.
Die Klägerin verfügte unter anderem über Grundbesitz und ein erhebliches Geldvermögen. Ihr Vermögen und das ihrer Schwester wurde aufgrund einer Generalvollmacht vom Beklagten verwaltet. Meinungsverschiedenheiten im August 2003 führten zur Erklärung beider Töchter, dass sie von dem Beklagten in Zukunft informiert werden wollten, bevor er die ihm erteilten Generalvollmachten nutze. Nach dem Vortrag der Klägerin haben ihre Schwester und sie zudem am 5. September 2003 einen Brief an den Beklagten geschrieben, durch den ihm der künftige Gebrauch der Vollmacht nur unter der Maßgabe einer vorherigen internen Abstimmung mit den Töchtern gestattet werde.
In der Folge schloss der Beklagte unter Nutzung der Generalvollmachten einen Gesellschaftsvertrag mit sich selbst ab, der die Gründung der K. & S. G. GbR 2 zum Gegenstand hatte. In diese Gesellschaft brachte er das gesamte Vermögen seiner Töchter ein. Zugleich traf er die Regelung, dass allein er zur Geschäftsführung dieser Gesellschaft berechtigt sei und alle Verfügungen der Töchter bezüglich der Gesellschaft bis zum 18. Dezember 2022 ausgeschlossen seien. Diesen Gesellschaftsvertrag modifizierte der Beklagte anschließend, indem er anstelle einer die Vermögenswerte beider Töchter haltenden Gesellschaft zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts gründete, in die er als wesentlichen Vermögenswert jeweils das Vermögen einer Tochter einbrachte, während die jeweils andere Schwester und er nur zu einem Bruchteil von je 0,5 % am Gesellschaftsvermögen beteiligt waren.
Die Umschreibung der auf die Klägerin laufenden Konten veranlasste der Beklagte unter Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag. Die Bank nahm die Umschreibung ohne Rücksprache mit der Klägerin vor mit der Folge, dass dieser die Verfügungsmöglichkeit über ihr Geldvermögen komplett entzogen wurde. In der Folge wurde im Auftrag des Beklagten als "Geschäftsführer" der K. & S. G. GbR 2 die Übertragung sämtlicher, hohe Guthabenbeträge aufweisenden Konten auf die Hausverwaltungsgesellschaft G. & Partner GmbH vorgenommen, deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte ist.
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche wegen des von ihr behaupteten, auf die Vorgehensweise des Beklagten zurückzuführenden Schadens weiter.
Gründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht eine grundsätzliche Haftung des Beklagten aus § 826 BGB, weil sich bereits aus der Gründung der K. & S. G. GbR 2 bzw. dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags der GbR ein sittenwidriger Missbrauch der erteilten Vollmacht ergebe. Der aufgrund der Generalvollmacht im Wege des Insichgeschäfts geschlossene Gesellschaftsvertrag nehme der Klägerin über einen Zeitraum von 19 Jahren hinweg jede Möglichkeit, über ihr von dem Beklagten in die GbR eingebrachtes Vermögen zu verfügen. Der Beklagte habe sich ganz offensichtlich zielgerichtet eine von der erteilten Vollmacht losgelöste, von der Klägerin bis 2022 faktisch nicht beschränkbare, alleinige Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Klägerin geschaffen. Ein derartiger Missbrauch der Generalvollmacht stelle sich gemäß § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig dar.
Die Klägerin habe jedoch die geltend gemachten Schäden bzw. die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts nicht schlüssig dargelegt. Sie gehe davon aus, Verfügungen des Beklagten über das in die GbR eingebrachte Vermögen begründeten einen eigenen unmittelbaren Schaden der Klägerin. Dabei verkenne sie, dass die in Vollzug gesetzte GbR 2 nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft bis zu ihrer Kündigung als wirksam zu behandeln sei. Eine schlüssige Schadensdarlegung müsste daher aufzeigen, dass sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf das Auseinandersetzungsguthaben der Klägerin auswirkten bzw. im Hinblick auf den Feststellungsantrag auswirken könnten. Die Klägerin habe aber auch nach einem Hinweisbeschluss nicht dargelegt, inwiefern sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf das Auseinandersetzungsguthaben ausgewirkt haben.
II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit Recht macht die Revision geltend, die Klägerin müsse zur Begründung eines Schadens nicht darlegen, inwiefern sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf ihr Auseinandersetzungsguthaben ausgewirkt haben, weil die GbR 2 nicht nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft zu behandeln sei.
1.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, der Gesellschaftsvertrag sei gemäß § 138 BGB nichtig und der Beklagte hafte grundsätzlich nach § 826 BGB, weil er bei Errichtung der Gesellschaft die ihm erteilte Generalvollmacht missbraucht habe. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen liegt bereits aufgrund der Vertragsgestaltung ein Missbrauch der Generalvollmacht vor, weil der - faktisch unwiderrufliche - Entzug der Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen über einen Zeitraum von 19 Jahren hinweg eine Verletzung der vermögenswerten Interessen der Klägerin darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 374/00 , WM 2002, 756 f .; siehe auch Urteil vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , NJW 2011, 66 Rn. 16). Dass die Klägerin an der GbR zu 99 % beteiligt sein und ihr das in die GbR eingebrachte Vermögen wirtschaftlich weiterhin gehören sollte, ist insoweit unerheblich. Maßgeblich ist, dass ihr die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen für einen langen Zeitraum entzogen und sie dadurch in ihrer Vertragsfreiheit zu stark eingeschränkt wurde. Zudem umging der Beklagte damit zugleich den für eine Generalvollmacht anerkannten Grundsatz der Befugnis des Vollmachtgebers zum jederzeitigen Widerruf (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 1988 - V ZR 231/86 , WM 1988, 714, 715 ; vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO mwN). Aufgrund dieses Vollmachtsmissbrauchs war die im Namen der Klägerin abgegebene Willenserklärung des Beklagten zur Errichtung der GbR unwirksam und zugleich der Gesellschaftsvertrag nach § 138 BGB nichtig, weil es sich bei der Gesellschaftsgründung um ein Insichgeschäft des Beklagten handelte und der Missbrauch der Vertretungsmacht ihm - und damit allen Beteiligten - bekannt war. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Vereinbarungen, die Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Nachteil treffen, gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sind (vgl. BGH, Senatsurteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87 , WM 1988, 1380, 1381 ; BGH, Urteile vom 14. Juni 2000 - VIII ZR 218/99 , VersR 2000, 1551, 1552 ; vom 25. Februar 2002 - II ZR 374/00 , aaO; vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO, Rn. 13, 18). Im Hinblick darauf kommt es auf die in der Revisionsverhandlung erhobene Gegenrüge des Beklagten nicht an.
2.
Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Begründung, mit der das Berufungsgericht die schlüssige Darlegung des Schadens bzw. des künftigen Schadenseintritts verneint hat. Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zur schlüssigen Schadensdarlegung nicht vortragen, dass sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf ihr Auseinandersetzungsguthaben (vgl. §§ 730 ff. BGB) ausgewirkt haben. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stehen der von der Klägerin insbesondere in der Klageschrift und in dem Schriftsatz vom 12. Mai 2009 substantiiert dargelegten Schadensberechnung nicht entgegen. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass eine fehlerhafte Gesellschaft nicht zustande gekommen ist, und deshalb falsche Anforderungen an die Substantiierungslast der Klägerin gestellt.
a)
Im Streitfall handelt es sich nicht um eine fehlerhafte Gesellschaft, sondern um eine sogenannte Scheingesellschaft, auf die die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und somit auch die Grundsätze der Abwicklung nicht anwendbar sind (ebenso BGH, Urteil vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO, Rn. 21 in einem dieselbe GbR betreffenden Urteil).
Eine fehlerhafte Gesellschaft setzt wie jede Gesellschaft einen Gesellschaftsvertrag voraus. Es genügt zwar bei ihr das Vorliegen eines mangelhaften Vertrags. Dieser muss aber von dem tatsächlichen, wenn auch rechtlich fehlerhaften Willen der Vertragschließenden getragen sein. Grundlegende Voraussetzung für die Annahme einer fehlerhaften Gesellschaft ist mithin das Vorliegen von - wenn auch fehlerhaften - auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gerichteten Willenserklärungen zwischen den Beteiligten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 1991 - II ZR 212/90 , NJW 1992, 1501, 1502 mwN; vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO, Rn. 20). Ein rechtsgeschäftliches Handeln der Gesellschafter fehlt, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet (vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 1962 - II ZR 12/61 , WM 1962, 1353, 1354 ; vom 12. Oktober 1987 - II ZR 251/86 , WM 1988, 414, 416 f.; vom 14. Oktober 1991 - II ZR 212/90 , aaO; vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO). Etwas anderes gilt nur, wenn die übrigen Gesellschafter die Erklärung für wirksam gehalten haben, weil sie etwa davon ausgingen, der Mitgesellschafter sei wirksam vertreten worden und seine Zustimmung liege vor (vgl. BGH, Urteile vom 12. Oktober 1987 - II ZR 251/86 , aaO, 417; vom 14. Oktober 1991 - II ZR 212/90 , aaO; vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO), oder wenn der Vertreter zwar ohne Vollmacht gehandelt hat, der Abschluss des Gesellschaftsvertrags aber vom Auftrag des Gesellschafters umfasst war und damit auf seinen Willen zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01 , BGHZ 153, 214, 221 f.; vom 21. März 2005 - II ZR 310/03 , NJW 2005, 1784, 1786 ; vom 1. Juni 2010 - XI ZR 389/09 , aaO). Im Streitfall liegen diese Ausnahmen beim rechtsmissbräuchlichen Abschluss des Gesellschaftsvertrags nicht vor, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Beklagte eigenmächtig und in einem Insichgeschäft gehandelt hat. Aus denselben Gründen fehlt ein vom Willen aller Gesellschafter getragener Vollzug des Gesellschaftsvertrags.
b)
Nach den vorstehenden Ausführungen musste die Klägerin nicht darlegen, inwiefern sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf ihr Auseinandersetzungsguthaben ausgewirkt haben bzw. im Hinblick auf den Feststellungsantrag auswirken könnten. Es reicht vielmehr aus, dass sie - wie insbesondere in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 12. Mai 2009 geschehen -substantiiert dargelegt hat, dass die Verfügungen des Beklagten einen eigenen Schaden der Klägerin begründet haben. Dazu hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).