Leitsätzliches:
2) Die Gegenleistung einer scheinbar unentgeltlichen Übertragung liegt im folgenden Minderanspruch bei der Verteilung der Erbmasse.
Oberlandesgericht München
Datum: 18.11.2013
Gericht: OLG München
Spruchkörper: 34 Wx
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 34 Wx 189/13
Gründe:
I.
Reinhold B. war Eigentümer von (bebautem) Grundbesitz. Er verstarb am 22.4.2005. Nach dem Erbschein vom 19.5.2006 wurde er infolge des am 30.8.2005 durch Pfändung des Erbanteils des Vorerben Michael B. insoweit eingetretenen Nacherbfalls von dem Beteiligten zu 1 und dessen Schwester Nadja K., der Beteiligten zu 3, je zur Hälfte beerbt. Bedingte Nacherbfolge bezüglich jeden Erbteils ist angeordnet, ferner Testamentsvollstreckung. In den beiden maßgeblichen Grundbüchern wurden die Beteiligten zu 1 und 3 am 14.2.2008 in Erbengemeinschaft eingetragen, ebenso der Nacherben- und der Testamentsvollstreckervermerk. Testamentsvollstrecker ist der Beteiligte zu 2.
Im zugrunde liegenden Testament vom 26.3.2005 ist u. a. verfügt:
Erben zu gleichen Teilen sollen sein meine Kinder Rainer, Michael und Nadja, wobei zu Alleineigentum erhalten sollen mit allem Zubehör und Inhalt:
a) Rainer den Altbau (östlich)
b) Michael den Mittelbau (den er bewohnt)
c) Nadja den Neubau (westlich).
Die in Gegenwart der Beteiligten zu 1 und 2 errichtete notarielle Urkunde vom 31.1.2013 hat (u.a.) die Begründung von Wohnungseigentum nach § 8 WEG und die Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft zum Gegenstand. Nach Bestandteilszuschreibung erklärte der Beteiligte zu 2 die Aufteilung des Eigentums in zwei Miteigentumsanteile zu je 1/2 in der Weise, dass mit jedem Anteil das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung sowie sonstigen Räumen des Gebäudes verbunden wird (Abschnitt I.). Abschnitt II. enthält die Gemeinschaftsordnung, Abschnitt III. Bewilligung und Eintragungsanträge des Beteiligten zu 2 unter Zustimmung des Beteiligten zu 1 und Abschnitt IV. die Auseinandersetzung unter Bezugnahme auf die testamentarischen Anordnungen des Erblassers hinsichtlich der neu gebildeten Wohnung Nr. 2 dergestalt, dass diese an den Beteiligten zu 1 zu Alleineigentum ohne weitere Gegenleistung übertragen wird. Die Auflassung wurde erklärt, die Eintragung im Grundbuch bewilligt und beantragt. In Abschnitt VII. wurde schließlich zugunsten des Beteiligten zu 1 eine Grundschuld im Betrag von 60.000 € an der neu gebildeten Wohnungseigentumseinheit Nr. 1 bewilligt und beantragt. Dazu enthält die Urkunde folgende Erklärung:
Herr B. (= Beteiligter zu 1) hat in Entlastung des Nachlasses und damit wirtschaftlich der Miterbin Nadja K. (= Beteiligte zu 3) Verbindlichkeiten getilgt, die sich im Nachlass des Erblassers ... befanden und hinsichtlich derer die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz angedroht hatte. Deswegen stehen ihm Ersatzansprüche gegen den Nachlass, wirtschaftlich zur Hälfte gegen sich selbst, zur anderen Hälfte gegen die Miterbin ... zu. Dieser Erstattungsanspruch in Höhe der Hälfte des ... getätigten Aufwandes gegen die Miterbin ... soll an der dieser zustehenden Wohnungseigentumseinheit Nr. 1 ... gesichert werden.
Auf den Vollzugsantrag hat das Grundbuchamt am 16.4.2013 folgende fristsetzende Zwischenverfügung erlassen: Es fehle die Zustimmung der Miterbin Nadja K., die in der Form des § 29 GBO vorzulegen sei. Das Grundbuchamt habe die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zu prüfen. Ohne Zustimmung aller Erben und Vermächtnisnehmer sei dieser zu einer unentgeltlichen Verfügung nicht berechtigt. Hier handele es sich um eine solche. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung habe nur der Beteiligte zu 1 aus dem Nachlass etwas erhalten, nicht hingegen die Miterbin. Insoweit sei die Eigentumsübertragung an der Wohnung Nr. 1 ausdrücklich vorbehalten geblieben.
Hiergegen richtet sich die von den Beteiligten zu 1 und 2 erhobene Beschwerde vom 25.4.2013. Nach der testamentarischen Anordnung vom 26.3.2005 beständen zugunsten der beiden Miterben Vorausvermächtnisse. Der Beteiligte zu 1 habe seinen Anspruch gegenüber dem Beteiligten zu 2 geltend gemacht, dessen Rechtspflicht es sei, den Vermächtnisanspruch zu erfüllen. Die Verfügung könne deshalb auch nicht als unentgeltlich angesehen werden. Ebenso wenig könne die Miterbin die Erfüllung des Vorausvermächtnisses dadurch verhindern, dass sie gegenwärtig nicht bereit sei, das ihr zugedachte Vermächtnis entgegenzunehmen.
Das Grundbuchamt hat auch nach Beiziehung und Auswertung der einschlägigen Nachlassakten mit Beschluss vom 10.5.2013 nicht abgeholfen. Das handschriftliche Testament weise den ursprünglich zu gleichen Teilen eingesetzten drei Miterben bestimmt bezeichnete Gebäudeteile zu, dem Beteiligten zu 1 den "Altbau (östlich)". Nach der vorliegenden Teilung erhalte er aber auch andere Räumlichkeiten im Bauteil B (Mittelbau), für den nach Eintritt des Nacherbfalls insoweit keine Erblasserregelung vorliege. Im Übrigen könne eine unentgeltliche Verfügung im Rahmen der Erbauseinandersetzung auch dann vorliegen, wenn ein Miterbe wertmäßig mehr erhalte, als seiner Erbquote entspricht.
Eine Zuteilung von Nachlass an die Miterbin - etwa in Gestalt einer Übereignung der Wohnung Nr. 1 - habe nicht stattgefunden. Im konkreten Fall liege eine unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers vor.
Die Beschwerdebegründung führt noch ergänzend aus, dass eine unentgeltliche Verfügung auch dann nicht vorliege, soweit die vom Testamentsvollstrecker vorgenommene über die Erfüllung des Vorausvermächtnisses hinausgehe. Unentgeltlichkeit sei nur zu erwägen, soweit ein Miterbe mehr erhielte, als es seiner Erbquote entspricht. Denn dem Alleinrechtserwerb stehe der Wegfall seiner entsprechenden Gesamthandsbeteiligung am Nachlass gegenüber. Die Auseinandersetzung entspreche hier aber den Erbquoten, der Aufteilungsplan dem Willen des Erblassers. Dass der Aufteilungsplan nur hinsichtlich eines der beiden Miterben vollzogen werde, ändere hieran nichts. Der Testamentsvollstrecker sei zur - gegebenenfalls auch zur teilweisen - Auseinandersetzung verpflichtet. Im Übrigen bedürfe es im Grundbuchverfahren nicht des Nachweises eines ordnungsgemäßen Auseinandersetzungsplans, wenn die Plausibilitätsprüfung der vorgetragenen Umstände zu dem Ergebnis führe, dass eine unentgeltliche Verfügung nicht festzustellen ist.
Der Senat hat der Miterbin im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Diese hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
II.
Das zulässige Rechtsmittel (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG i. V. mit der Vollmacht in Abschn. VI.2. der notariellen Urkunde vom 31.1.2013) gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) hat in der Sache Erfolg. Die begehrte Eintragung kann nicht von der Zustimmung der Miterbin in der Form des § 29 GBO abhängig gemacht werden.
1. Die Auflassung eines Grundstücks - Wohnungseigentum ist als Miteigentumsanteil dem gleichgestellt (vgl. BGH NJW 2007, 3204 ) - darf das Grundbuchamt nur eintragen, wenn ihm die Einigung über den Rechtsübergang nachgewiesen ist (§ 925 Abs. 1 BGB; § 20 GBO). Auf Veräußererseite ist die Auflassung vom Verfügungsbefugten zu erklären. Erklärt ein Testamentsvollstrecker die Auflassung, hat daher das Grundbuchamt dessen Verfügungsbefugnis zu prüfen (Senat vom 18.2.2010, 34 Wx 9/10 , bei [...] = RNotZ 2010, 397; BayObLGZ 1986, 208 /210; BayObLG Rpfleger 1989, 200; Demharter GBO 28. Aufl. § 52 Rn.18 und 23). Nach § 2205 Satz 2 BGB ist der Testamentsvollstrecker berechtigt, über die Nachlassgegenstände zu verfügen. Zu unentgeltlichen Verfügungen - mit Ausnahme von Pflicht- und Anstandsschenkungen - ist er indessen nicht befugt (§ 2205 Satz 3 BGB), es sei denn, alle Erben und Vermächtnisnehmer stimmen der Verfügung zu (BGHZ 57, 84 /94; BayObLG Rpfleger 1989, 200). Unentgeltlich ist die Verfügung des Testamentsvollstreckers nicht, wenn sie in Erfüllung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers vorgenommen wird (§ 2203 BGB; siehe BGH NJW 1963, 1613 ; BayObLGZ 1986, 208 /210).
2. Dass es sich bei dem Geschäft um die Erfüllung der im Testament vom 26.3.2005 getroffenen Verfügung - hiernach soll der durch den Erbschein (siehe § 35 Abs. 1 Satz 1 BGB) als Miterbe legitimierte Beteiligte zu 1 "den Altbau (östlich)", nach den vorgelegten Plänen identisch mit dem Bauteil C, erhalten, in dem sich ausschließlich der Wohnung Nr. 2 zugeordnete Räume befinden -, schließt deren Unentgeltlichkeit und damit die fehlende Befugnis des Testamentsvollstreckers hier nicht aus. Das Grundbuchamt führt zutreffend an, dass der Beteiligte zu 1 nach der vorgesehenen Auseinandersetzung Räume erhalten soll, die sich in einem weiteren Bauteil befinden (sogenannter Mittelbau - B). Für diesen hat der Erblasser eine Anordnung zu Gunsten des Beteiligten zu 1 nicht getroffen. Jedenfalls was den Gesamtumfang der Zuwendung angeht, liegt eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers, die sich auch aus einem privatschriftlichen Testament ergeben kann (Demharter § 52 Rn. 23), nicht vor.
3. Aber auch unabhängig von der ausdrücklichen Umsetzung letztwilliger Verfügungen (vgl. § 2203 BGB) kann bei Überlassung von Nachlassgegenständen an einen Erben nach feststehender Rechtsprechung (BGH NJW 1963, 1613 ; BayObLGZ 1986, 208 /210) von Entgeltlichkeit der vorgenommenen Verfügung auszugehen sein, nämlich dann, wenn der Testamentsvollstrecker dem Miterben im Zug der Erbauseinandersetzung einen Gegenstand überträgt und dieser hierbei nicht mehr erhält, als ihm wertmäßig zusteht (siehe Keim ZEV 2007, 470 /473; Schaub ZEV 2001, 257 ; auch BGH NJW 1963, 1613 /1615). Als Gegenleistung für das Zugewandte ist die Aufgabe der Gesamthandsbeteiligung am Nachlass und am Auseinandersetzungsanspruch anzusehen. Deswegen kann nicht der Ansicht des Grundbuchamts gefolgt werden, dass die Entgeltlichkeit bereits deshalb fehle, weil die Miterbin derzeit nichts bekomme. Es spielt in diesem Zusammenhang zudem keine Rolle, ob der Testamentsvollstrecker im Übrigen ordnungsgemäß vorgeht, nämlich anhand eines den Gesamtnachlass erfassenden Plans die Auseinandersetzung nach § 2204 BGB betreibt. Dass es hier zu einzelnen, zeitlich gestaffelten Vollzugsschritten kommt (siehe Heckschen in Burandt/Rojahn Erbrecht § 2204 BGB Rn. 7), liegt auf der Hand.
a) Als unentgeltlich ist die Verfügung dann zu bewerten, wenn der Testamentsvollstrecker objektiv ohne gleichwertige Gegenleistung Opfer aus der Erbmasse bringt und subjektiv entweder weiß, dass dem Opfer keine gleichwertige Leistung gegenübersteht, oder doch bei ordnungsgemäßer Verwaltung der Masse unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht, die Erbschaft an den bzw. die Erben herauszugeben, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen (BGH NJW 1963, 1613 /1614).
b) Für den Vergleich zwischen Erbquote und dem Wert des Zugewandten lässt sich dieser Maßstab entsprechend anwenden. Abzustellen ist neben einem objektiven Wertunterschied auch auf dessen Erkennbarkeit (BGH a.a.O.). Der Bundesgerichtshof sieht die Grenze zur Unentgeltlichkeit jedenfalls dann als überschritten an, wenn der Nachlass infolge der Verfügung nahezu zwei Drittel des Wertes der aufgegebenen Forderung eingebüßt hat (siehe BGH NJW 1991, 842 /843). Vergleichbar wäre dies hier damit, dass dem Beteiligten zu 1 deutlich mehr als die Hälfte des maßgeblichen Nachlasses ohne sonstigen Ausgleich zugewandt und somit der die Erbquote überschießende Teil dem Restnachlass entzogen würde. Das Grundbuchamt hat bei dieser Prüfung keine eigenen Nachforschungen und Ermittlungen anzustellen. Begründeten Zweifeln hat es freilich nachzugehen. Indessen ist eine übertriebene Ängstlichkeit ebenso wenig angezeigt. Einerseits gilt es, die Verschleuderung von Nachlasswerten zu verhindern, andererseits soll der Rechtsverkehr nicht durch unangebrachte Bedenken gehemmt werden (Demharter § 52 Rn. 24).
c) Hiervon ausgehend kann der Senat die Bedenken des Grundbuchamts nicht teilen. Aus den unbeschränkt zu würdigenden Erklärungen in der notariellen Urkunde ergibt sich, dass das Grundeigentum in gleich große Miteigentumsanteile (1/2) aufgeteilt wird.
Dabei wird nicht verkannt, dass die Größenverhältnisse zwischen Miteigentumsanteil und Sondereigentum beliebig sind (BGH NJW 1976, 1976 ). Dass die beiden Einheiten wertmäßig merkliche Wertunterschiede aufwiesen, ist dem vorliegenden Aufteilungsplan jedoch nicht zu entnehmen. Die Zuteilung der Räume im Bauteil C zur Wohnung Nr. 2, die an den Beteiligten zu 1 aufgelassen wird, deckt sich ersichtlich mit dem Erblasserwillen. Dafür spielt es keine Rolle, ob man von einem Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) oder von einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) ausgeht. Im Bauteil B (Mittelbau) sind die Räume im Dachgeschoß der Wohnung Nr. 2, Räume im Erd- und im Obergeschoß (derzeit) der Wohnung Nr. 1 zugewiesen. Die Urkunde enthält den Zusatz, es bestehe keine Einigkeit darüber, ob sie in das gemeinsame Eigentum der (beiden) Erben überführt werden sollen (Abschn. I.6.). Begründete Anhaltspunkte, dass das an den Beteiligten zu 1 nun aufgelassene Wohnungseigentum mehr als die Erbquote ausmacht, gibt es nicht. Der Senat würde solche auch dann nicht erkennen, wenn die testamentarische Verfügung nicht als (nicht anrechenbares) Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB), sondern als (bloße) Teilungsanordnung (siehe § 2048 BGB; dazu Palandt/Weidlich § 2048 Rn. 5 ff.) zu verstehen wäre. Denn will man dem Testamentsvollstrecker kein Misstrauen entgegenbringen (siehe zum Maßstab Staudinger/Reimann BGB Bearb. Mai 2013 § 2205 Rn. 51), wozu die Urkunde wie die sonstigen bekannt gewordenen Begleitumstände in vermögensrechtlicher Hinsicht keinen Anlass geben, so kann auch in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die Zuteilung an den Beteiligten zu 1 erkennbar über der Erbquote von 1/2 liegt. Immerhin verbleibt vom gesamten Bestand der Immobilie jedenfalls ein quantitatives "Mehr" bei der Erbengemeinschaft.
4. Ergänzend ist noch anzumerken, dass auch die Bestellung der Sicherungsgrundschuld für den Beteiligten zu 1 am Restnachlass im Hinblick auf die Frage der Entgeltlichkeit keinen grundbuchrechtlichen Bedenken unterliegt. Insoweit ist ausreichend schlüssig dargelegt (vgl. Schaub in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 52 Rn. 58; Keim ZEV 2007, 470 /472), dass der Gegenwert in den Nachlass geflossen ist. Es erscheint verständlich und gerechtfertigt, dass dem erheblich über seinen Anteil hinaus auf Erblasserschulden leistenden Miterben sein interner Ausgleichsanspruch am Nachlass abzusichern ist. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte, dass der Sachvortrag nicht der Wirklichkeit entspräche.
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.