Leitsätzliches:
Oberlandesgericht Hamm
Datum: 07.12.1994
Gericht: OLG Hamm
Spruchkörper: 31 U
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 31 U 100/94
Tatbestand:
Am 30.6.1981 wurde bei der Beklagten (Bekl.) das Girokonto Nr. … eröffnet, das nach der Kontoeröffnungskarte als Kontoinhaber die Firma »J.R.Z.« aufwies. Unter dieser Firma betrieb der am 14.5.1991 verstorbene Ehemann der Klägerin (Kl.), Herr Z., ein einzelkaufmännisches Unternehmen. Zeichnungsberechtigt waren der verstorbene Ehemann sowie die Kl.. In der entsprechenden Rubrik heißt es: »Zeichnungsberechtigt einschließlich der Abgabe von Saldenanerkenntnissen sind – auch soweit für mich/uns Verpflichtungen entstehen und über meinen/unseren Tod sowie über den Tod eines Kontoinhabers (Gemeinschaftskonto) hinaus«. Es folgt sodann der Raum für die Zeichnungsberechtigten. Der verstorbene Ehemann ist unter Ziff. 1, die Bekl. unter Ziff. 2 eingetragen. Abschließend heißt es in dem Formular: »Es verfügen Nr. 1. und 2. jeder für sich …«
Im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes wies das Konto ein Guthaben von rd. 62.000 DM auf. Dieses Konto wurde am 20.6.1991 auf die Kl. als Kontoinhaberin umgeschrieben. Zeichnungsberechtigt sollte nur noch die Kl. sein.
Herr Z. ist außer von der Kl. auch von seinen beiden Söhnen, darunter dem Streithelfer, beerbt worden. Dieser hat mit Schreiben v. 30.10. und 2.12.1993 die der Kl. am 30.6.1981 eingeräumte Zeichnungsberechtigung widerrufen. Daraufhin hat die Bekl. das Konto … bei einem Guthabenstand von 16.829,46 DM gesperrt.
Die Kl. vertritt in beiden Instanzen die Auffassung, daß das Konto am 20.6.1991 wirksam in ein Einzelkonto zu ihren Gunsten umgewandelt worden sei. Sie begehrt die Auszahlung des bei Sperrung vorhandenen Guthabens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Gründe:
I. Die Berufung hat Erfolg. Das ursprünglich dem Erblasser als Gläubiger zustehende Konto Nr…. ist am 20.6.1991 rechtswirksam in ein Einzelkonto der Kl. umgewandelt worden. Die Kl. kann deshalb die Auszahlung des Guthabens verlangen.
Vorliegen einer transmortalen Vollmacht
II. 1. Mit dem Zeichnungsrecht ist der Kl. am 30.6.1981 die Befugnis eingeräumt worden, den Kontoinhaber zu vertreten. Da diese Befugnis ausdrücklich auch über den Tod des Kontoinhabers hinaus eingeräumt worden ist, liegt eine sogenannte transmortale Vollmacht vor (vgl. hierzu HÜFFER, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 2. Aufl., Rdn. 266). Der Umfang dieser Vertretungsmacht ist durch Auslegung zu ermitteln (HÜFFER, aaO., Rdn. 60, 267 bis 270). Die Vollmachtserteilung läßt ihrem Wortlaut nach Einschränkungen nicht erkennen. Es muß deshalb im Wege der Auslegung aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers festgestellt werden, welche Einschränkungen bestehen. Im Grundsatz anerkannt ist, daß die Verfügungsbefugnis nur übliche Kontovorgänge umfaßt. Das OLG Celle hat in der Entscheidung WM 1967, 1230, auf welche sich das landgerichtliche Urteil maßgeblich stützt, entschieden, daß ein nicht alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer, der für ein Geschäftskonto Einzelzeichnungsrecht hatte, aufgrund des Einzelzeichnungsrechtes keine Kreditsicherheiten wirksam bestellen konnte. Diese Entscheidung hat Zustimmung erfahren (LIESECKE, WM 1975, 294; CANARIS, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 166). Das OLG Frankfurt/M. (WM 1985, 1199) hat entschieden, daß die Einzelverfügungsbefugnis nicht zur Umwandlung eines Gemeinschaftskontos (hier nicht vorliegend) in ein Einzelkonto berechtige (zustimmend CANARIS, aaO., Rdn. 226). Der BGH (WM 1993, 141) hat Bedenken gegen die Auffassung geäußert, daß die Einzelverfügungsbefugnis das Recht geben könne, im Namen aller Kontoinhaber den Kontovertrag mit dem Kreditinstitut zu ändern (vgl. hierzu auch schon BGH, WM 1990, 2067).
Zeichnungsberechtigung gibt die Möglichkeit zur Änderung der Gläubigerstellung im allgemeinen dann, wenn Eheleute sich über den Tod hinaus bevollmächtigen
Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung im Grundsatz bei. Bei verständiger Auslegung einer Vollmacht kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kontoinhaber einen nur Zeichnungsberechtigten in die Lage versetzen will, die Gläubigerstellung zu verändern. Eine andere Auslegung ist jedoch für den Fall geboten, daß Eheleute sich über den Tod hinaus bevollmächtigen. Hier steht im allgemeinen der Wille im Vordergrund, den überlebenden Teil über den Tod des anderen Teiles hinaus abzusichern. Diese Absicherung kann gefährdet werden, wenn der überlebende Teil nunmehr durch Miterben gefährdet werden kann. Gerade der vorliegende Fall zeigt solche Gefahren auf. Die Bekl. hat nach einseitiger Intervention des Streithelfers der Kl. den Zugriff auf das Konto verwehrt. Bei dieser grundsätzlich gegebenen Interessenlage ist eine transmortale Vollmacht zwischen Eheleuten im allgemeinen dahin auszulegen, daß der überlebende Teil zu seiner Absicherung berechtigt ist, ein Konto, zu welchem er ein Alleinzeichnungsrecht besitzt, in ein Einzelkonto umzuwandeln.
Daß diese Auslegung der transmortalen Vollmacht angemessen ist, läßt sich nach Auffassung des Senats mit einer Kontrollüberlegung belegen. Unzweifelhaft hätte die Kl. nach dem Tod ihres Mannes ein neues Girokonto eröffnen und das auf dem Konto Nr. … befindliche Guthaben auf das neue Konto überweisen können. Dann wäre ebenfalls der wirtschaftliche Erfolg eingetreten, der nunmehr durch Umwandlung mit Gläubigeraustausch eingetreten ist.
Vorliegend kein unzulässiges Insichgeschäft (§ 181 BGB)
2. Im vorliegenden Fall kann auch kein unzulässiges Insichgeschäft gem. § 181 BGB angenommen werden. Das Rechtsgeschäft bei der Kontoumwandlung am 20.6.1991 läßt sich vielmehr dahin deuten, daß die Kl. als Vertreterin der Erbengemeinschaft mit der Bekl. im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) vereinbart hat, daß die bisher der Erbengemeinschaft zustehende Forderung nunmehr ihr, der Kl., zustehen sollte. Bei diesem Rechtsgeschäft ist die Kl. nicht auf beiden Seiten tätig geworden.
auch keine analoge Anwendung des § 181 BGB
Es stellt sich somit nur die Frage, ob in solchen Fällen der Selbstbegünstigung der Rechtsgedanke aus § 181 BGB analog anzuwenden ist. Eine solche Analogie ist dann, wenn ein Einzelzeichnungsberechtigter sich selbst begünstigt, im allgemeinen nicht gerechtfertigt. Mit dem Einräumen eines Alleinzeichnungsrechtes ist nämlich in aller Regel beabsichtigt, daß der Berechtigte auch im eigenen Interesse handeln kann (vgl. hierzu Liesecke, WM 1975, 295 f.).