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Doppelstellung von Testamentsvollstrecker und Vertreter_Ergänzungspflegschaft erst bei echem Interessengegenstatz – OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.12.2006 – Az. 5 UF 190/06

Leitsätzliches:

1) Im Grundsatz sind die Eltern die natürlichen Verwalter des Vermögens der Kinder.
2) Erst wenn es einen konkreten Interessengegensatz zwischen eigenen und dem Kindsvermögen gibt, ist ein Ergänzungspfleger notwendig.

Oberlandesgericht Zweibrücken

Datum: 21.12.2006

Gericht: OLG Zweibrücken

Spruchkörper: 5 UF 190/06

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 5 UF 190/06

Gründe:

I.

Der Betroffene L… K… wurde durch notarielles Testament vom 14. Mai 2001 (Notar …, Urkunden Nr. …/2001) als Alleinerbe seines Großvaters H… B… eingesetzt, zugleich seine Mutter, die weiter Beteiligte zu 1, von der Verwaltung des ererbten Vermögens ausgeschlossen (§ 6 des notariellen Testaments) und Testamentsvollstreckung zum Vollzug zahlreicher Vermächtnisse und Auflagen angeordnet. Zum Testamentsvollstrecker wurde der weiter Beteiligte zu 2, der Vater von L…, bestimmt.

Zum Nachlass gehören ein Kommanditanteil von 51 Prozent an der Firma … GmbH und Co. KG in K…, ein 60-prozentiger Geschäftsanteil an der Firma Baugesellschaft … GmbH und Co. KG in L… sowie Immobilienvermögen. Der weiter Beteiligte zu 2 ist an beiden genannten Firmen als Gesellschafter beteiligt und Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär GmbH.

Die Kindeseltern sind geschieden.

Ein Erbschein ist bislang nicht erteilt worden.

Auf den Antrag der weiter Beteiligten zu 1 hat der Rechtspfleger des Familiengerichts Ergänzungspflegschaft angeordnet für die Aufgabenkreise Wahrnehmung der Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker und Wahrnehmung der Rechte aus dem Gesellschaftsbeteiligungen des Minderjährigen, da die Eltern wegen Interessenkonflikts von der Vertretung ausgeschlossen seien.

II.

Das hiergegen erhobene, als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel des weiter Beteiligten zu 2 ist als befristete Beschwerde nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz statthaft und verfahrensrechtlich unbedenklich.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angeordneten Ergänzungspflegschaft. Nach § 1909 Abs. 1 BGB erhält derjenige, der unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger.

Zwar ist die Mutter von L… durch die letztwillige Verfügung von der Verwaltung des vererbten Vermögens ausgeschlossen. Infolgedessen verwaltet der weiter Beteiligte zu 2 das Vermögen allein und vertritt L… auch insoweit allein, § 1638 Abs. 3 BGB.

Weder die Einsetzung als Testamentsvollstrecker noch seine Stellung als Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaften, an denen L… nunmehr beteiligt ist, begründet für sich allein einen Interessengegensatz, der die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft erforderlich macht.

Es wird zwar in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass die Doppelstellung als Testamentsvollstrecker und gesetzlicher Vertreter des Erben einen Interessengegensatz insoweit begründen soll, als dem gesetzlichen Vertreter gegenüber dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich echte Überwachungsaufgaben nach den §§ 2215, 2216, 2218 BGB zukommen (OLG Hamm, FamRZ 1993, 1122 ; OLG Nürnberg, FamRZ 2002, 272 ). An der Wahrnehmung dieser Überwachungsaufgaben sei der gesetzliche Vertreter gehindert, so dass ein konkretes Bedürfnis für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft bestehe.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Der Gesetzgeber sieht die Eltern als natürliche Verwalter der Vermögensinteressen ihrer minderjährigen Kinder an, deren Interessen in der Regel nicht im Gegensatz zueinander stehen (BGH FamRZ 1975, 686 ). Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnimmt oder ob es etwa im Interesse des Kindes notwendig sein könnte, gegen ihn vorzugehen (so genannte Beobachtungspflegschaft), findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr muss ein Interessenwiderstreit im konkreten Fall auftreten und die Befürchtung rechtfertigen, der Vertreter könnte aus Eigennutz die von ihm pflichtgemäß wahrzunehmenden Interessen und sonstigen Belange des Kindes vernachlässigen (BGH a.a.O. zur gemeinsamen Gesellschafterstellung eines Minderjährigen und seiner Eltern).

Die Wahrnehmung der Aufgaben als alleiniger gesetzlicher Vertreter und Testamentsvollstrecker in einer Person erfordert ebenso wenig wie die Stellung als Mitgesellschafter und Geschäftsführer in den betroffenen Gesellschaften ohne konkreten Anlass die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft. Für die Wahrnehmung von Kontrollrechten gegenüber dem Testamentsvollstrecker für einen minderjährigen Erben besteht dann kein Bedürfnis, wenn der zur Ausübung dieser Kontrollrechte befugte gesetzliche Vertreter selbst als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Denn im Ergebnis würde die Übertragung dieser Rechte auf einen Ergänzungspfleger auf eine Kontrolle des gesetzlichen Vertreters selbst hinauslaufen.

Als alleiniger gesetzlicher Vertreter von L… unterliegt der Beklagte zu 2 im vorliegenden Falle vielmehr unabhängig hiervon im gesetzlich bestimmten Rahmen der Aufsicht des Familiengerichts (§§ 1640, 1643 folgende BGB). Der Umstand, dass der weiter Beteiligte zu 2 auch als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, lässt die Verpflichtung zur Erstellung eines Vermögensverzeichnisses unberührt (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1640 Rdnr. 2).

Eine konkrete Konfliktlage oder ein Interessengegensatz im Einzelfall und eine sich daraus ergebende Gefährdung der Vermögensinteressen von L… sind weder gegenüber dem Familiengericht noch im Beschwerdeverfahren aufgezeigt worden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der weiter Beteiligte zu 2 bei der Ausübung seiner Ämter und der Wahrnehmung seiner Gesellschafterrechte zugleich im Interesse seines Sohnes handelt.

Der Beschluss über die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist deshalb aufzuheben.

Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs. 3 Kostenordnung gerichtsgebührenfrei. Es besteht keine Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Auslagen anzuordnen, § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 30 Absätze 2 und 3 Kostenordnung.

Der Senat hat gemäß §§ 621e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Hinblick auf die abweichenden Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.