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Der beurkundende Notar als ernannter Testamentsvollstrecker – OLG Bremen, Beschluss vom 10.03.2016 – Az. 5 W 40/15

Leitsätzliches:

Eine versiegelte privatschriftliche letztwillige Verfügung, welche nach der Beurkundung einer weiteren letztwilligen Verfügung den beurkundenden Notar zum Testamentsvollstrecker ernennt, führt nicht zur Formunwirksamkeit des privatschriftlichen Testaments. Auch dann nicht, wenn die Verfügungen im selben Umschlag zur amtlichen Verwahrung an das Nachlassgericht gereicht werden.

Oberlandesgericht Bremen

Datum: 10.03.2016

Gericht: OLG Bremen

Spruchkörper: 5 W

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: Az. 5 W 40/15

Gründe:

Der Beteiligte 1.), Notar, begehrt die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Am 21.07.2015 verstarb in Bremen die am […] 1924 geborene […] geb. […](Erblasserin). Die verwitwete Erblasserin hatte insgesamt fünf letztwillige Verfügungen errichtet, die vom Amtsgericht – Nachlassgericht – Bremen am 10.09.2015 eröffnet worden waren. Soweit für das Verfahren von Bedeutung handelt es sich um einen in notarieller Urkunde des Beteiligten 1.) errichteten Erbvertrag zwischen der Erblasserin und ihrer Schwester vom 27.05.2013 (UR Nr. 576/2013 – BA 31 IV 225/13 Bl. 90 ff.) sowie eine privatschriftliche letztwillige Verfügung vom selben Tage (BA Bl. 102). In Ziff. IV. des erwähnten Erbvertrages traf die Erblasserin folgende Einzelverfügung:

1. Für die Schlusserben ordne ich Testamentsvollstreckung an.

2. Ich werde die Person des Testamentsvollstreckers in einer gesonderten handschriftlichen Niederschrift bestimmen und in einem verschlossenen Umschlag dem beurkundenden Notar übergeben. Dieser Umschlag ist zusammen mit diesem Erbvertrag in die amtliche Verwahrung des Amtsgerichts Bremen zu geben.

Eine inhaltlich identische Einzelverfügung ihrer Schwester findet sich in Ziff. V.1 u.2. des Erbvertrages. Die privatschriftliche letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 27.05.2013 befand sich in einem mit der handschriftlichen Aufschrift “Testamentsvollstreckung” versehenen weißen Briefumschlag und enthielt unter der (handschriftlichen) Überschrift “Bestimmung des Testament Vollstreckers” den ebenfalls handschriftlichen Text “In Ergänzung zu unserem notariellen Erbvertrag vom 27. Mai 2013 bestimme ich Frau […] zum Testaments Vollstrecker Rechtsanwalt und Notar […]”, dem sodann Datum und Unterschrift der Erblasserin folgen. Eine nach Form und Inhalt identische privatschriftliche Erklärung der Schwester liegt ebenfalls vor. Ausweislich des Eröffnungsprotokolls vom 10.09.2015 waren der Erbvertrag und die privatschriftlichen Verfügungen vom 27.05.2013 bereits nach dem Tode der Schwester der Erblasserin am 28.07.2015 eröffnet worden (BA Bl. 120). Dabei vermerkte die Rechtspflegerin im Eröffnungsprotokoll, dass sich in dem (von dem Beteiligten 1.) am 3.06.2013 zur Verwahrung übergebenen) verschlossenen (braunen) Umschlag mit der Verwahrungsnummer […] die notarielle Verfügung sowie, mit einer Büroklammer daran befestigt, die beiden verschlossenen Briefumschläge mit der Aufschrift “Testamentsvollstreckung” befanden (BA Bl. 103/104).

Der Beteiligte 1.) ließ durch den Beteiligten 2.) am 21.10.2015 seinen Antrag auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses beurkunden und am 26.10.2015 beim Amtsgericht – Nachlassgericht – einreichen. Mit Beschluss vom 10.11.2015 (Bl. 6 d.A.) wies das Amtsgericht – Nachlassgericht – den Antrag des Beteiligten 1.) auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurück und bestellte den Beteiligten 3.) zum Testamentsvollstrecker. Zur Begründung verwies das Amtsgericht darauf, dass die Ernennung des Beteiligten 1.) gem. §§ 7, 27 BeurkG unwirksam sei und nahm insoweit auf die Beschlüsse des Senats vom 15.07.2014 (5 W 13/14) und 24.09.2015 (5 W 23/15) Bezug. Der letztgenannten Entscheidung lag ebenfalls ein Antrag des Beteiligten 1.) zugrunde, in dem dieser unter vergleichbaren tatsächlichen Umständen die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses begehrt hatte (MDR 2015, 1373).

Gegen denihm zu Händen des Beteiligten 2.) am 16.11.2015 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte 1.) am 19.11.2015 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Gründe der Senatsentscheidung vom 15.07.2014 (FamRZ 2015, 533) seien schon deswegen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil im dortigen Fall die privatschriftliche Verfügung des Erblassers “als Anlage zum Testament” genommen worden sei, während es sich hier um eine gesonderte handschriftliche Niederschrift (“Ergänzungstestament”) handele. Die Entscheidung des Gerichts vom 24.09.2015 (MDR 2015, 1373) sei rechtsfehlerhaft, weil der Senat den Hinweis im Text des notariellen Testaments auf das Ergänzungstestament (“Ich werde die Person des Testamentsvollstreckers…”) zu Unrecht als Tatsachenprotokoll (Übergabeprotokoll) betrachtet und so das Ergänzungstestament als öffentliches Testament mit der Folge der Formungültigkeit gem. §§ 7, 27 BeurkG bewertet habe. Richtigerweise könne ein Tatsachenprotokoll aber nur über tatsächlich vom Notar wahrgenommene Vorgänge der Außenwelt errichtet werden, nicht aber – wie hier – über zukünftige Tatsachen. Daran ändere auch die Aufnahme des Ergänzungsprotokolls in einen gemeinsamen Umschlag mit dem notariellen Testament nichts, denn damit würde das Ergänzungstestament lediglich zum “Zubehör” der Testamentsurkunde (Reimann DNotZ 1990, 433). Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat der Beschwerde des Beteiligten 1.) nicht abgeholfen und das Rechtsmittel durch Beschluss vom 24.11.2015 vorgelegt.

Das gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 63, 64 FamFG statthafte und zulässige Rechtsmittel ist begründet.

Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses vom 26.10.2015 erfolgte zu Unrecht, denn die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 27.05.2013 ist bezüglich der Benennung des Beteiligten 1.) zum Testamentsvollstrecker wirksam. Insbesondere bestehen in Ansehung der §§ 7, 27 BeurkG i.V.m. § 125 BGB keine Bedenken gegen die Wirksamkeit. Soweit der Senat – in anderer Besetzung – in seiner Entscheidung vom 24.09.2015 (5 W 23/15) bei identischem Sachverhalt eine andere Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht mehr fest.

Die §§ 7, 27 BeurkG schließen den Notar insoweit von der Mitwirkung an der Beurkundung einer letztwilligen Verfügung aus, als der beurkundende Notar darin zum Testamentsvollstrecker des Erblassers ernannt wird. Diese Norm kann mit den wohlverstandenen Interessen des Erblassers an der Bestellung des ihm vertrauten Notars zum Vollstrecker seines letzten Willens kollidieren, weil sie in ihrer generalisierenden Form auch Fälle sinnvoller Testamentsvollstreckung erfasst, um im Sinne des Verkehrsschutzes das Hinwirken auf Testamentsvollstreckungen in Fällen, die dafür keinen Anlass bieten, zu verhindern (BGH Beschl. v. 18.12.1996 – IV ZB 9/96 – NJW 1997, 946, – juris – Rn. 21). Rechtsfolge eines Verstoßes gegen §§ 7, 27 BeurkG ist die Unwirksamkeit des betroffenen Teils der Beurkundung (der Ernennung zum Testamentsvollstrecker – vgl. Münch. Kommentar-Hagena, 6. Auflage 2013, § 27 BeurkG Rn. 22 m.w.N.) mit der Folge, dass eine formnichtige Willenserklärung vorliegt (§ 125 BGB). Folgerichtig kommt die Anwendung der §§ 7, 27 BeurkG im Falle der Ernennung des Notars zum Testamentsvollstrecker nur dann zum Tragen, wenn die entsprechende Willenserklärung des Erblassers Bestandteil der Urkundstätigkeit des Notars geworden ist. Daran aber fehlt es vorliegend.

Eine unmittelbare Mitwirkung des Beteiligten 1.) im Sinne einer beurkundenden Tätigkeit an der Erstellung der privatschriftlichen Verfügung durch die Erblasserin liegt offensichtlich nicht vor. Soweit das Amtsgericht unter Hinweis auf die früheren Entscheidungen des Senats meint, es läge eine Urkundstätigkeit auf der Grundlage des § 2232 BGB vor, kann dem nicht gefolgt werden.

§ 2232 S. 1 2. Alt. BGB lässt die Errichtung einer letztwilligen Verfügung im Wege eines öffentlichen Testaments auch in der Weise zu, dass der Erblasser dem Notar ein – offenes oder verschlossenes – Schriftstück mit dem Hinweis übergibt, es handele sich dabei um seinen letzten Willen, und der Notar diesen Vorgang beurkundet (§ 30 BeurkG). Diese Regelung findet auch auf Erbverträge Anwendung (§ 2276 Abs. 1 S. 2 BGB). Übergabe bedeutet, dass die Schrift mit dem Willen des Erblassers in den Besitz des Notars gelangt (Staudinger/Baumann BGB 2012, § 2232 Rn. 1 m.w.N.).Zum öffentlichen Testament wird die Schrift indes erst mit der Errichtung eines Protokolls (sog. Tatsachenprotokoll) über die Übergabe durch den Notar (RGZ 84, 163, 185; Staudinger/Baumann aaO. Rn. 48; Münch.-Komm.-Hagena, 6. Aufl. 2013, § 2232 Rn. 31). Dabei können die beiden Testamentsformen des § 2232 BGB auch miteinander kombiniert werden, etwa wenn der Erblasser mit dem nach § 2232 S. 1 1. Alt. BGB beurkundeten Willen eine weitere letztwillige Verfügung geheimen Inhalts durch Übergabe einer verschlossenen Schrift verbinden will (RGZ 82, 149, 154; Staudinger/Baumann aaO. Rn. 53; Münch.-Komm. aaO. Rn. 33 m.w.N.). Schließlich kann die übergebene Schrift auch ihrerseits bereits ein gem. § 2247 BGB formgerecht errichtetes Testament sein. Beide Urkunden – übergebene Schrift und notarielle Urkunde – bilden dann ein einheitliches öffentliches Testament (RGZ 82, 155; Staudinger/Baumann aaO. Rn. 59; KG Beschl. v. 5.10.2006 – 1 W 46/06 – ZEV 2007, 497 – juris -Rn. 8). Für erbvertragliche Einzelverfügungen, wie sie hier vorliegen, kann insoweit nichts anderes gelten. Übergibt also der Erblasser dem Notar anlässlich der Beurkundung ein verschlossenes Schriftstück, in welchem er den beurkundenden Notar zum Testamentsvollstrecker bestimmt, und nimmt der Notar diesen Vorgang als Tatsachenprotokoll in die Beurkundung der letztwilligen Verfügung mit auf, so liegt ein einheitliches Testament vor, welches hinsichtlich der übergebenen Schrift unter objektivem Verstoß gegen die §§ 7, 27 BeurkG errichtet worden ist. Ob dies auch zur Formunwirksamkeit einer nach den Grundsätzen des § 2247 BGB formwirksam errichteten letztwilligen Verfügung, die die Ernennung des Testamentsvollstreckers beinhaltet, führt (so OLG Bremen FamRZ 2015, 533; a.A. Münch.-Komm.-Hagena, § 2232 Rn. 34), kann vorliegend dahinstehen, denn im vorliegenden Fall wurde die privatschriftliche Verfügung der Erblasserin nicht gem. § 2232 S. 1 2. Alt. BGB zum Bestandteil des notariellen Erbvertrages. Ausweislich des Wortlauts in Ziff. IV.1 des Erbvertrages kündigte die Erblasserin nämlich nur die Abfassung und – spätere – Übergabe einer entsprechenden privatschriftlichen Verfügung an. Damit erfolgte die Übergabe außerhalb der notariellen Beurkundung, so dass sich auch die Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde nicht auf den Vorgang der Übergabe erstrecken kann. Damit fehlt es am Vorliegen der Voraussetzungen des § 2232 S. 1 2.Alt. BGB, so dass kein einheitliches Testament und damit keine Beurkundung der Testamentsvollstreckerernennung erfolgt ist.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die verschlossene privatschriftliche letztwillige Verfügung dem Notar unmittelbar im Anschluss an die Beurkundung übergeben, von ihm mittels Büroklammer mit dem Erbvertrag verbunden und sodann in einem gemeinsamen Umschlag in die gerichtliche Verwahrung gegeben wurde. Ein unmittelbarer Anwendungsfall der §§ 7, 27 BeurkG liegt – wie dargelegt – nicht vor. Eine entsprechende Anwendung dieser Normen erscheint nicht geboten. Einerseits handelt es sich bei § 27 BeurkG um eine lediglich auf das Beurkundungsverfahren bezogene Norm. Dem darin liegenden Rechtsgedanken, den Rechtsverkehr vor möglicherweise unsachlichen Erwägungen des Urkundsnotars zu schützen, hat der Gesetzgeber im materiellen Erbrecht keinen Vorzug vor der Testierfreiheit des Erblassers eingeräumt. Vielmehr wird es allgemein als zulässig angesehen, dass der Erblasser den beurkundenden Notar zum Testamentsvollstrecker ernennt, wenn er hierzu den Weg über die Errichtung einer letztwilligen Verfügung bei einem anderen Notar – der auch Sozius des Urkundsnotars sein kann (BGH Beschl. v. 18.12.1996 – IV ZB 9/96 -, FamRZ 1997, 549) – oder über eine autonom errichtete privatschriftliche letztwillige Verfügung gem. § 2247 BGB einschlägt (Reimann DNotZ 1994, 659, 663; DNotI-Report 1999, 101, 102; Armbrüster/Preuß/Renner BeurkG, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 6).Andererseits bestündebei einer Ausdehnung des Rechtsgedankens aus §§ 7, 27 BeurkG die Gefahr, dass die notwendige Klarheit über die Wirksamkeit der Testamentsvollstreckerernennung beeinträchtigt werden könnte. Die große Bedeutung, die dem öffentlichen Testament im Rechtsverkehr – z.B. gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO – zukommt, erfordert, dass sich die Wirksamkeit der Beurkundung verhältnismäßig leicht aus dem Inhalt der Urkunde feststellen lässt (BGH, Beschl. vom 18.12.1996 – IV ZB 9/96 – FamRZ 1997, 549, – juris – Rn. 20). Sie würde in Fällen einer Ernennung zum Testamentsvollstrecker entwertet, wenn zunächst nähere Aufklärung darüber herbeizuführen wäre, unter welchen Bedingungen die privatschriftlich verfügte Ernennung des Testamentsvollstreckers erfolgte und in welcher zeitlichen und räumlichen Nähe zur notariellen Beurkundung sie geschah. Gerade in zeitlicher Hinsicht ließe sich kaum ein praktischer Abgrenzungsmaßstab finden, der eine sichere Einschätzung zuließe, ob sich der Wille des Erblassers autonom oder unter dem nachwirkenden Einfluss des Notars gebildet hat.

Weitere Gründe, die Bedenken gegen die Wirksamkeit der Ernennung des Beteiligten 1.) zum Testamentsvollstrecker der Erblasserin begründen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und das Nachlassgericht anzuweisen, dem Beteiligten 1.) die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht mehr zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 65, 61 GNotKG.