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Die öffentliche Urkunde in Grundbuchsachen – OLG München, Beschluss vom 25.07.2018 – Az. 34 Wx 174/18

Leitsätzliches:

1) Das Grundbuchamt kann zum Nachweis der Berechtigungsvoraussetzungen einen Erbschein verlangen. Die amtliche Verwahrung eines Testaments kann einen Erbschein nicht ersetzen.
2) Die vom Grundbuchamt gesetzte Frist zur Vorlage eines Erbscheins kann vom Senat neu gesetzt werden.

Oberlandesgericht München

Datum: 25.07.2018

Gericht: OLG München

Spruchkörper: 34 Wx

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 34 Wx 174/18

Gründe:

I.

Im Grundbuch ist der am 22.11.2009 verstorbene Vater der Beteiligten als Eigentümer eines Miteigentumsanteils von 37,28/1000stel, verbunden mit Sondereigentum an einer Wohnung, eingetragen.

Am 20.3.2018 beantragte die Beteiligte die Umschreibung des Eigentums auf ihren Namen. Sie sei Alleinerbin nach ihrem Vater und besitze “nach erfolgreicher Testamentsvollstreckung die Eigentumsrechte an der Wohnung”. Die Wohnung sei ihr bereits von der Testamentsvollstreckerin übergeben worden. Beigefügt waren in Ablichtung ein Testamentsvollstreckerzeugnis, nach dessen Inhalt die angeordnete Dauervollstreckung am 28.12.2014 endet, und das handschriftliche Testament des Erblassers.

Das Grundbuchamt hat darauf hingewiesen, dass der Nachweis der Erbfolge durch Vorlage eines Erbscheins zu führen sei, weil die Verfügung von Todes wegen nicht in öffentlicher Urkunde vorliege. Am 17.4.2018 hat es mit fristsetzender Zwischenverfügung das Fehlen des Erbnachweises als Eintragungshindernis beanstandet und Gelegenheit zur Vorlage eines Erbscheins gegeben.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der Beschwerde. Unter Bezugnahme auf die beim selben Gericht geführten Nachlassakten führt sie aus, das Testament, aus dem sich ihre Erbenstellung ergebe, sei beim Amtsgericht zur amtlichen Verwahrung hinterlegt gewesen. Aufgrund der durchgeführten Testamentsvollstreckung und des Testaments sei “die Erbfolge der Wohnung eindeutig konstatiert und für die Grundbuchumschreibung somit keine Vorlage eines Erbscheins notwendig”. Dies entnehme sie aktuellen Gerichtsurteilen. Mit Blick auf die eingelegte Beschwerde widerspreche sie außerdem der bis zum 15.6.2018 gesetzten Frist.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

II.

Das Rechtsmittel der Beteiligten hat mit dem Hauptbegehren keinen Erfolg. Lediglich die zur Vorlage des Erbscheins gesetzte Frist wird verlängert.

1. Gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 GBO) ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO die unbeschränkte Beschwerde statthaft.

Mit dem Rechtsmittel verfolgt die Beteiligte nach der vorgebrachten Begründung in erster Linie die Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung insgesamt. Den darüber hinaus erhobenen “Widerspruch” gegen die Vorlagefrist legt der Senat dahin aus, dass die Beteiligte hilfsweise wegen des mit der Durchführung des Beschwerdeverfahrens verbundenen Zeitaufwands ein Hinausschieben des Fristendes begehrt. Mit beiden Zielen erweist sich das formgerecht eingelegte (§ 73 GBO) Rechtsmittel als zulässig (vgl. Demharter GBO 31. Aufl. § 18 Rn. 55). Der Umstand, dass die zur Hindernisbehebung gesetzte Frist mittlerweile verstrichen ist, macht das Rechtsmittel nicht unzulässig, denn der Berichtigungsantrag ist trotz Fristablaufs bislang nicht zurückgewiesen (Demharter § 71 Rn. 34; Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 112).

2. Mit dem Hauptbegehren hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg, denn das Grundbuchamt kann zum Nachweis der Berichtigungsvoraussetzungen einen Erbschein (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO) verlangen.

a) Das Grundbuch kann gemäß § 22 GBO berichtigt werden, wenn die bestehende Unrichtigkeit und die Richtigkeit der begehrten neuen Eintragung jeweils in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sind. Soll das Grundbuch – wie hier – durch Eintragung der Erbfolge berichtigt werden, so ist nach der gesetzlichen Bestimmung in § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO die Erbfolge in der Regel durch Erbschein (oder in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Europäisches Nachlasszeugnis) nachzuweisen. Ein Erbschein ist nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO nur dann nicht erforderlich, wenn die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, und wenn diese Verfügung sowie die Niederschrift über ihre Eröffnung vorgelegt werden (vgl. auch Demharter § 35 Rn. 31; Hügel/Wilsch § 35 Rn. 111).

b) Ein solcher Ausnahmefall, in dem die Vorlage eines Erbscheins im Grundbuchverfahren entbehrlich ist, liegt nicht vor.

aa) Die in § 415 Abs. 1 ZPO enthaltene Legaldefinition des Begriffs der öffentlichen Urkunde gilt auch in Grundbuchsachen (BGH NJW 1957, 1673; Senat vom 9.4.2018, 34 Wx 13/18 = NJW-RR 2018, 645; Demharter § 29 Rn. 27). Danach sind öffentliche Urkunden solche, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind.

bb) Die letztwillige Verfügung des Erblassers, aus der sich die Erbenstellung der Beteiligten ergeben soll, genügt diesen Formerfordernissen nicht.

(1) Testamente können nach § 2231 BGB in ordentlicher Form errichtet werden zur Niederschrift eines Notars (§ 2231 Nr. 1 BGB i.V.m. § 2232 BGB) oder durch eine vom Erblasser als eigenhändiges Testament abgegebene Erklärung (§ 2231 Nr. 2 BGB i.V.m. § 2247 BGB). Wird die letztwillige Verfügung als öffentliches Testament nach § 2232 BGB errichtet, so liegt eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO vor, ohne dass es darauf ankommt, ob der Notar eine mündlich erklärte letztwillige Anordnung des Erblassers beurkundet (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BNotO) oder der Erblasser dem Notar eine letztwillige Verfügung mit der nach § 2232 BGB vorgeschriebenen Erklärung übergibt und der Notar hierüber eine formgerechte Niederschrift fertigt (§ 30 BeurkG). In beiden Varianten wird der Notar als eine mit öffentlichem Glauben versehene Person (§ 1 BNotO) innerhalb des ihm nach § 20 BNotO zugewiesenen Geschäftskreises tätig (vgl. Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler BNotO 8. Aufl. § 20 Rn. 7, 16).

(2) Ein eigenhändig errichtetes Testament hingegen wird weder durch amtliche Verwahrung noch durch nachlassgerichtliche Eröffnung zu einem öffentlichen Testament oder zu einer öffentlichen Urkunde (Senat vom 9.4.2018, 34 Wx 13/18 = NJW-RR 2018, 645).

Nach § 348 FamFG hat das Nachlassgericht Verfügungen von Todes wegen zu eröffnen, d. h. amtlich zur Kenntnis zu nehmen, und darüber eine Niederschrift aufzunehmen. Dies ist vorliegend ausweislich der Niederschrift über die nachlassgerichtliche Eröffnung eines aus der amtlichen Verwahrung erholten Testamentsumschlags sowie des darin enthaltenen handschriftlichen Testaments des Erblassers erfolgt. Das Nachlassgericht bekundet dabei innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnis aber nur das Datum, an dem die Verfügung ins Rechtsleben tritt (Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 348 Rn. 2 und 37). Die Eröffnung ist bedeutsam u. a. für die Erteilung des Erbscheins, der nach herrschender Meinung erst nach Eröffnung erfolgen darf (Keidel/Zimmermann § 348 Rn. 37 mit § 352 Rn. 7); sie bezeugt jedoch nicht, dass eine (wirksame und für die Erbfolge maßgebliche) letztwillige Verfügung des Erblassers vorliege (Keidel/Zimmermann § 348 Rn. 16). Diese Prüfung ist vielmehr dem Erbscheinsverfahren vorbehalten. Somit ist die Eröffnungsniederschrift zwar ihrerseits eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 Abs. 1 ZPO, aber für sich genommen nicht geeignet, die Erbfolge zu beweisen (Keidel/Zimmermann § 348 Rn. 36). Ein eigenhändiges Testament wird durch seine Eröffnung nicht zu einer öffentlichen Urkunde im Sinne von § 415 ZPO. Dies gilt selbst dann, wenn die Niederschrift über die durch § 348 FamFG gezogenen Grenzen hinaus Feststellungen zum Inhalt des Testaments enthalten sollte, was hier ohnehin nicht der Fall ist.

Auch der Hinweis der Beteiligten auf die amtliche Verwahrung des Testaments ist unbehelflich. Dabei kann dahinstehen, ob die letztwillige Verfügung zum Zwecke ihrer Eröffnung aus der besonderen oder der einfachen amtlichen Verwahrung entnommen wurde.

Die Möglichkeit, ein eigenhändiges Testament in die (kostenpflichtige) besondere amtliche Verwahrung zu geben (vgl. § 2248 BGB), dient dem Interesse des Erblassers am Schutz und an der Geheimhaltung seiner letztwilligen Verfügung. Die hierfür geltenden Verfahrensvorschriften (§§ 344, 346, 347 FamFG) sichern das öffentliche Interesse der Rechtspflege an einem geordneten Verwahrungsverfahren (zum Ganzen: Keidel/Zimmermann § 346 Rn. 1). Verfügungen von Todes wegen, die nach dem Tod des Erblassers von jemandem, der sie in Besitz hatte, beim Nachlassgericht abgeliefert werden (§ 2259 BGB), werden hingegen lediglich in einfache amtliche Verwahrung genommen (vgl. Keidel/Zimmermann § 346 Rn. 4). In beiden Varianten bleibt es dabei, dass das eigenhändige Testament nach § 2247 BGB lediglich eine Privaturkunde (§ 416 ZPO) darstellt, weil die darin niedergelegten Erklärungen des Erblassers nicht von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person gemäß § 415 ZPO aufgenommen sind.

c) Der Hinweis der Beteiligten auf aktuelle Rechtsprechung, nach der für den Nachweis der Erbfolge nicht zwingend ein Erbschein verlangt werden könne, geht für das Grundbuchverfahren fehl. In seiner Entscheidung vom 5.4.2016 (XI ZR 440/15 = BGHZ 209, 329 Rn. 17 f) hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf abgestellt, dass bei dem dort entschiedenen Sachverhalt keiner der gesetzlich gesondert geregelten Fälle vorgelegen hat, in denen der Erbe die Rechtsnachfolge grundsätzlich durch einen Erbschein nachzuweisen hat. Zu diesen Sonderreglungen, deren Geltung der Bundesgerichtshof nicht in Zweifel gezogen hat, gehört aber § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO als die im Grundbuchverfahren maßgebliche Norm.

Deshalb hat die Beteiligte, will sie eine Zurückweisung ihres Berichtigungsantrags vermeiden, einen Erbschein zum Nachweis der Erbfolge vorzulegen.

3. Soweit mit der Beschwerde (nachrangig) die Frist für die Hindernisbehebung angegriffen wird, hat sie Erfolg.

Zwar hat das Grundbuchamt mit der Einräumung einer zweimonatigen Frist grundsätzlich ausreichend Zeit gegeben, in der das Hindernis hätte behoben werden können. Allerdings ist es der Beteiligten unbenommen, eine Überprüfung der Zwischenverfügung im Rechtsmittelzug zu suchen. Weil im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die Frist bereits abgelaufen und dies nach § 74 GBO im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist, setzt der Senat eine neue Behebungsfrist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Das Rechtsmittel hat zwar teilweise Erfolg. Das vorrangig verfolgte Ziel, die Zwischenverfügung wegen Nichtbestehens des dort aufgezeigten Eintragungshindernisses zu Fall zu bringen, ist jedoch nicht erreicht. Dies rechtfertigt es, der Beteiligten die Kosten des Verfahrens aus dem Wert des zurückgewiesenen Teils aufzuerlegen (Wortmann in Renner/Otto/Heinze GNotKG 2. Aufl. § 25 Rn. 6; Friedrich in Fackelmann/Heinemann GNotKG § 25 Rn. 2).

Insoweit wird der nach § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG festzusetzende Geschäftswert mangels konkreter Anhaltspunkte für die zur Hindernisbeseitigung aufzuwendenden Kosten mit dem gesetzlichen Regelwert bestimmt, § 61 Abs. 1, § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.