Leitsätzliches:
Thüringer Landessozialgericht
Datum: 08.11.2017
Gericht: Thüringer LSG
Spruchkörper: L 6
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: L 6 P 445/16
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Beklagte von der Klägerin ausgezahltes Pflegegeld in Höhe von 496,27 Euro zurückverlangen kann.
Die Klägerin ist eines von vier Kindern der am 12. August 2012 verstorbenen und bei der Beklagten gesetzlich pflegeversicherten R. R. (nachfolgend: Versicherte). Die Versicherte bezog von der Beklagten Pflegegeld. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 bewilligte die Beklagte rückwirkend ab dem 1. Dezember 2011 Leistungen der Pflegestufe III. Hinsichtlich des Nachzahlbetrages in Höhe von 496,27 Euro wandte sich die Beklagte an die Klägerin und übersandte ihr ein Formular, mit dem die Klägerin am 18. November 2012 durch Ankreuzen erklärte, dass sie die einzige Erbin der verstorbenen Versicherten sei und dass sie den erhaltenen Betrag an die Beklagte zurückzahle, sollte sich wider Erwarten auf Grund von vorgelegten Nachweisen ergeben, dass weitere bezugsberechtigte Erben vorhanden seien. Auf Grund dieser Erklärung zahlte die Beklagte den Betrag von 496,27 Euro an die Klägerin aus.
Die Beklagte erhielt im Dezember 2012 davon Kenntnis, dass die Versicherte ein Testament errichtet hatte, in welchem nur die übrigen drei Kinder als Erben eingesetzt wurden, nicht aber die Klägerin. Nach vorheriger Anhörung erließ die Beklagte unter dem 10. Januar 2013 einen Bescheid und forderte von der Klägerin 496,27 Euro zurück. Mit weiterem Bescheid vom 8. März 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht auf eine Rückforderung verzichtet werden könne. Den eingelegten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2013 zurück.
Mit ihrer am 2. Mai 2013 beim Sozialgericht Altenburg (SG) erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Rückforderung gewandt und zur Begründung ausgeführt, sie habe die Versicherte allein gepflegt, weswegen ihr auch das Pflegegeld zustehe. Sie habe zudem unter Berücksichtigung des § 2057a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Ausgleichsanspruch. Im Übrigen habe sie das Testament angefochten. Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass sie das Pflegegeld zu Unrecht an die Klägerin ausgezahlt habe. Mittlerweile habe sie den Nachzahlbetrag noch einmal an die im Testament genannten Erben ausgezahlt und fordere daher von der Klägerin den Betrag zurück.
Mit Urteil vom 15. Februar 2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung aus-geführt, die Leistung des Nachzahlbetrages an die Klägerin sei zu Unrecht erfolgt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf das nachgezahlte Pflegegeld. Dieses habe ursprünglich der Ver-sicherten zugestanden. Die Klägerin sei weder deren Sonderrechtsnachfolgerin noch deren Alleinerbin geworden, denn es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sie und die Versi-cherte in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hätten und sie durch die Versicherte wesentlich unterhalten worden sei. Das einzig vorliegende Testament schließe die Klägerin zudem von der Erbfolge aus. Selbst bei erfolgreicher Anfechtung des Testaments bestehe kein Anspruch der Klägerin auf das Pflegegeld. Es würde dann die gesetzliche Erbfolge eintreten, die Klägerin wäre neben den weiteren Kindern der Versicherten nur Miterbin und lediglich Teil der Erbengemeinschaft. Der Anspruch würde dann der Erbengemeinschaft zustehen, nicht aber der Klägerin allein. Sie könne auch in diesem Fall nur die Leistung an die Erbengemeinschaft fordern, nicht aber – wie geschehen – an sich selbst verlangen. An dieser Situation ändere auch der Umstand nichts, dass der Klägerin ggf. aufgrund ihrer Pflegetätigkeit ein Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB zustehen könnte. Der Ausgleichungsanspruch schlage sich erst bei der Erbauseinandersetzung nieder, die Größe der Erbteile bleibe hiervon unberührt, ebenso wie die Erbenstellung der an der Ausgleichung Beteiligten. Selbst bei Bestehen eines Aus-gleichsanspruchs könne die Klägerin nicht Alleinerbin werden, eine Miterbenstellung genüge jedoch nicht, um einen eigenen Anspruch auf das Pflegegeld zu begründen. Die weiteren Vo-raussetzungen des hier entsprechend anwendbaren § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen ebenfalls vor. Die Beklagte habe nachträglich von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, denn die Zahlung beruhe auf Angaben, die zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gewesen seien.
Mit ihrer am 12. April 2016 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gegen das ihr am 18. März 2016 zugestellte Urteil macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und noch nicht höchstrichterlich entschieden worden sei. Bei dem hier einschlägigen § 2057a BGB handele es sich um ein noch junges Gesetz ohne entsprechende Ausführungs- bzw. Anwendungsbestimmungen. Bei der Zahlung des Pflegegeldes könne es sich um einen Ausgleichsanspruch bzw. einen Vorabausgleich für die Pflege der Versicherten handeln, der mit dem Erbe nichts zu tun habe.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 15. Februar 2016 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für eine Beru-fungszulassung nicht vorlägen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte des Beschwerdeverfahrens sowie des Klageverfahrens Bezug genommen.
II.
Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Die durch die Klägerin als Zulassungsgrund nach §§ 145 Abs. 2, 144 Abs. 2 Nr. 1 des Sozial-gerichtsgesetzes (SGG) einzig geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung liegt nicht vor.
Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist wie in § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auszulegen. Demnach hat eine Rechtssache über den Einzelfall hinaus nur dann eine grundsätzliche Be-deutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Indi-vidualinteresse genügt nicht. Maßgebend ist nicht die richtige Einzelfallentscheidung; sie ist nur eine Folge der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2001 – Az.: L 6 KR 709/00 NZB, vom 7. Februar 2001 – Az.: L 6 KN 220/99 NZB so-wie vom 16. August 1999 – Az.: L 6 RJ 548/98 NZB).
Die Klägerin hat hier jedoch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts-sache bereits nicht in der nach §§ 145 Abs. 2, 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG gebotenen Weise dargelegt, sondern vielmehr im Ergebnis nur die inhaltliche Unrichtigkeit des sozialgerichtlichen Urteils gerügt. Hierauf kommt es aber nicht an, sondern sie hätte vielmehr darlegen müssen, welche Rechtsfrage nicht geklärt sei. Im Übrigen ist auch für den Senat nicht ersichtlich, weshalb hier eine Klärung von im erstinstanzlichen Verfahren entschiedenen Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts bzw. das angestrebte Berufungsverfahren für die Fortbildung des Rechts erforderlich ist und durch das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung zu erwarten ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG] in SozR 1500 § 160 Nr. 17, § 160a Nrn. 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2001, a.a.O.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rdnr. 28).
Bei der von der Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob es sich bei der Zahlung des Pflegegeldes um einen Ausgleichsanspruch bzw. einen Vorabausgleich für die Pflege der Versicherten gemäß § 2057a BGB handelt, der mit dem Erbe nichts zu tun hat, handelt es sich um keine Rechtsfrage, die im vorliegenden Verfahren einer Klärung zugänglich ist. Diese Frage könnte sich allenfalls im Rahmen der Erbauseinandersetzung stellen, da Adressat der von der Klägerin zitierten Vorschrift nicht die Beklagte, sondern der Erbe bzw. Miterbe ist. Für den hier maßgeblichen Rückforderungsstreit ist die Beantwortung dieser Frage ohne jeden Belang. Auch die von der Klägerin mit ihrer Beschwerde begehrte Feststellung, dass ihr allein das Pflegegeld zusteht, begründet keine grundsätzliche Bedeutung, da sich dies nach den Vorschriften des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, hier § 56, richtet. Ob das SG die dort normierten Grundsätze in seiner Entscheidung hinreichend berücksichtigt und angewandt hat, ist vielmehr eine Frage der zutreffenden Einzelfallentscheidung.
Weitere Zulassungsgründe wurden von der Klägerin weder geltend gemacht, noch sind solche für den Senat sonst ersichtlich.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).