Leitsätzliches:
Bundesgerichtshof
Datum: 14.11.2002
Gericht: BGH
Spruchkörper: III ZR
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: III ZR 19/02
Tatbestand:
Die am 18. Dezember 1913 geborene und am 16. September 1997 verstorbene G. L. (im folgenden: Erblasserin) hatte durch notarielles Testament vom 9. Oktober 1995 den Kläger als ihren Alleinerben eingesetzt und den Beklagten zum Testamentsvollstrecker ernannt; außerdem hatte die Erblasserin dem Beklagten am 8. April 1996 Generalvollmacht erteilt. Am 2. Mai 1997 erteilte die Erblasserin, die zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Seniorenheim lebte, an der Parkinsonschen Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium litt, nicht mehr schreiben und nur noch eingeschränkt sprechen konnte, zu Protokoll des Notars Dr. S. – unter Mitwirkung einer Schreibzeugin – dem Kläger Generalvollmacht. In einer weiteren Urkunde desselben Notars vom 9. Mai 1997 traf die Erblasserin auf dieselbe Art und Weise eine testamentarische Anordnung, durch die sie (u.a.) die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Bestimmung des Beklagten zum Testamentsvollstrecker widerrief. Im vorliegenden Prozeß hat der Kläger als Rechtsnachfolger der Erblasserin den Beklagten auf Herausgabe des Erlöses aus dem Verkauf der Wertpapiere der Erblasserin vom 5. März, 5. Juni und 10. Juni 1996 in Anspruch genommen. Der Beklagte hat unter anderem unter Hinweis auf den seiner Auffassung nach nicht wirksamen Widerruf der Anordnung der Testamentsvollstreckung für den Nachlaß der Erblasserin die “Aktivlegitimation” des Klägers für den vorliegenden Prozeß bestritten. Er hat behauptet, die Erblasserin sei wegen ihres bereits Jahre zuvor ärztlich attestierten – sich stetig verschlimmernden – Gesundheitszustandes am 2. und 9. Mai 1997 nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Das Landgericht hat der auf Zahlung von 556.805 DM nebst 7 % Zinsen seit dem 5. November 1997 und auf die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Auskehrung weitergehenden Gewinns aus der Wertpapierveräußerung gerichtete Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung in Höhe von 553.164,30 DM nebst Zinsen mit einem Zinssatz von 4 % bestätigt und die Verpflichtung des Beklagten festgestellt, an den Kläger einen über die ausgeurteilte Klagforderung einschließlich der Zinsen hinausgehenden – “mittels der Erlössumme von 553.153,30 DM erwirtschafteten” – Gewinn auszukehren. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, der den Feststellungsausspruch in vollem Umfang und die Verurteilung zur Zahlung, soweit sie über 420.729,34 DM (215.115,54 EUR) nebst Zinsen hinausgeht, angreift.
Gründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 439.664,30 DM (224.796,79 EUR) verurteilt worden ist und der Feststellungsausspruch eine “Erlössumme” von mehr als 439.664,30 DM (224.796,79 EUR) nennt. Im übrigen ist sie unbegründet. I. Das Berufungsgericht hat die Prozeßführungsbefugnis des Klägers für den vorliegenden Rechtsstreit jedenfalls im Ergebnis mit Recht bejaht. Auf die Frage, ob – wie das Berufungsgericht annimmt – die Erblasserin die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Ernennung des Beklagten zum Testamentsvollstrecker am 9. Mai 1997 wirksam widerrufen hat oder, wie die Revision unter Erhebung von Verfahrensrügen weiterhin geltend macht, die Widerrufserklärung wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin unwirksam war, kommt es nicht an. Wie die Revisionserwiderung zutreffend hervorhebt, wäre nämlich die Prozeßführungsbefugnis des Klägers als Erben im Streitfall selbst dann gegeben, wenn der Beklagte (noch) Testamentsvollstrecker wäre. Zwar kann ein der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegendes Recht nur von dem Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden (§ 2212 BGB). Der Testamentsvollstrecker ist aber von der “Verwaltung” des Nachlasses ausgeschlossen, wenn er – wie hier – selbst als Nachlaßschuldner in Anspruch genommen wird, weil er nicht mit sich selbst prozessieren kann (RGZ 82, 151; RG LZ 1914, 1714). In diesem Falle kann, wie allgemein anerkannt ist, der Erbe den Testamentsvollstrecker als Nachlaßschuldner selbst verklagen (RG aaO; Staudinger/Reimann BGB 13. Bearb. § 2212 Rn. 11; Soergel/Damrau BGB Stand: Frühjahr 1992 § 2212 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Brandner 3. Aufl. § 2212 Rn. 17; Erman/M. Schmidt BGB 10. Aufl. § 2212 Rn. 2). II. 1. Zum Zahlungsanspruch: a) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Beklagte den Erlös aus dem von ihm aufgrund seiner Vollmacht(en) vorgenommenen Verkauf der Wertpapiere der Erblasserin am 5. März, 5. Juni und 10. Juni 1996 durch die Gutschrift desselben auf seinem Privatkonto (Nr. 861 440 600 bei der D. Bank L.) in Höhe von 553.164,30 DM im Sinne des Auftragsrechts (§ 667 BGB) “erlangt” hat. Die Revision sieht zwar diese Feststellung in einem unlösbaren Widerspruch zu dem Tatbestand des Berufungsurteils, wonach nach dem Wertpapierverkauf durch den Beklagten Gutschriften “auf dem Konto der Erblasserin in Höhe von insgesamt 553.164,30 DM” erfolgten. Letztere Aussage betrifft jedoch im Kern nur die Tatsache und den Umfang des erzielten Wertpapiererlöses, nicht jedoch ein konkretes (Bank-)Konto der Erblasserin. Entscheidend ist, daß die Feststellung des Berufungsgerichts, der Wertpapiererlös sei dem privaten Bankkonto des Beklagten zugeflossen, seinem eigenen Vortrag in den Tatsacheninstanzen entspricht. b) Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Beklagte habe in keiner Weise substantiiert dargelegt, inwieweit er berechtigt über diesen Erlös verfügt habe. Zwar sei zutreffend, daß der Beklagte Überweisungen auf ein “Auszahlungskonto” der Erblasserin getätigt habe. Zu berücksichtigen sei hierbei aber, daß der Beklagte auch bezüglich dieses Ausgabenkontos verfügungsbefugt gewesen sei und dementsprechend Rechenschaft abzulegen habe; ein entsprechender substantiierter Vortrag des Beklagten, in dem er über die erhaltenen Gelder Rechenschaft ablege, liege jedoch nicht vor. Auch soweit der Beklagte vorrangig eine Überweisung vom 5. März 1996 über 18.934,87 DM wegen Begleichung einer von ihm selbst als Rechtsanwalt ausgestellten Rechnung einwende, liege kein substantiierter Vortrag vor, warum die Begleichung dieser Rechnung erforderlich und auch der Höhe nach angemessen sei. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. aa) Es ist allerdings nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Begleichung der (eigenen) Anwaltsrechnung in Höhe von 18.934,87 DM mangels näherer Erläuterung nicht als (teilweise) “Rückerstattung” des erlangten Wertpapiererlöses anerkannt hat. Weitere 24.000 DM (Überweisung vom 19. April 1995) werden vom Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht. bb) Hinsichtlich der restlichen vom Beklagten angeführten – vom Berufungsgericht nicht geprüften – Überweisungen des Beklagten auf das “Auszahlungskonto” der Erblasserin zum Gesamtbetrag von 113.500 DM (156.434,87 DM, BU 11 Zeilen 1-9; abzüglich 18.934,87 DM und weiterer 24.000 DM = 42.934,87 DM) rügt die Revision jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht diese nicht ohne weitere Prüfung einfach mit dem Argument zu Lasten des Beklagten unberücksichtigt lassen durfte, der Beklagte sei über das “Auszahlungskonto” der Erblasserin verfügungsberechtigt gewesen und rechenschaftspflichtig, seiner Rechenschaftspflicht aber nicht nachgekommen. Die Einstandspflicht (Herausgabepflicht) des Beklagten hinsichtlich bestimmter erlangter Vermögensgegenstände nach Maßgabe des § 667 BGB ist zu trennen von seinen – mit Auskunfts- und gegebenenfalls Schadensersatzverpflichtungen sanktionierten – Vermögensverwalterpflichten gegenüber der Erblasserin bzw. dem Kläger/Erben. Sollten von den seitens des Beklagten auf seinem Privatkonto vereinnahmten Wertpapiererlösen bestimmte Beträge letztendlich auf das “Auszahlungskonto” der Erblasserin geflossen sein, so könnte der Beklagte hinsichtlich dieser Beträge, mag er sie auch zunächst “erlangt” haben, seine Herausgabepflicht (§ 667 BGB) erfüllt haben, ebenso durch weitere Einzahlungen auf dieses “Auszahlungskonto” aus sonstigen (eigenen) Mitteln des Beklagten; nach dem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalt kann dies jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Daß der Beklagte als damaliger Generalbevollmächtigter (auch) hinsichtlich des “Auszahlungskontos” der Erblasserin verfügungsbefugt war, steht dem nicht entgegen. Vorausgesetzt wird hierbei allerdings, daß das genannte “Auszahlungskonto”, als dessen Inhaber “I. H. i. S. G. L.” angegeben worden ist, zumindest aufgrund einer entsprechenden Treuhandabrede wirtschaftlich (allein) der Erblasserin zustand. Eine andere Frage ist, ob und in welchem Umfang die einzelnen vom Beklagten angeführten Zahlungen auf das “Auszahlungskonto” der Erblasserin nach dem Zusammenhang des beiderseitigen Parteivorbringens und der vorgelegten Belege als Erfüllungshandlungen des Beklagten in dem angesprochenen Sinne gewertet und festgestellt werden können. Die Revisionserwiderung weist mit einiger Berechtigung auf Unklarheiten und Widersprüche im diesbezüglichen Vortrag bzw. auf Umstände, durch die dieser Vortrag widerlegt sein könnte, hin. Die insoweit erforderliche Klärung ist aber Aufgabe des Tatrichters, sie kann nicht im Revisionsverfahren erfolgen. c) Da die Summe der demnach im Revisionsverfahren noch als vom Beklagten auf das “Auszahlungskonto” der Erblasserin überwiesen und als “Rücküberweisungen” des erlangten Wertpapiererlöses in Betracht zu ziehenden Beträge (113.500 DM) den Betrag der Verurteilung, soweit der Beklagte sie angreift (553.164,30 DM minus 420.729,43 DM = 132.434,87 DM), nicht erreicht, hat die Revision gegenüber dem Zahlungsausspruch des Berufungsgerichts zum Teil (in Höhe von 113.500 DM) Erfolg, im übrigen (in Höhe von 132.434,87 DM) minus 113.500 DM = 18.934,87 DM) ist sie zurückzuweisen. 3. Zum Feststellungsausspruch: Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, an den Kläger einen über die ausgeurteilte Klageforderung einschließlich der Zinsen hinausgehenden – “mittels der Erlössumme von 553.164,30 DM erwirtschafteten” – Gewinn auszukehren. Diese Feststellung hat mit der Maßgabe bestand, daß nach den vorstehenden Ausführungen zum Zahlungsanspruch des Klägers die “Erlössumme” von 553.164,30 DM auf (553.164,30 DM minus 113.500 DM =) 484.164,30 DM zu reduzieren ist. Die darüber hinausgehenden Angriffe der Revision gegen den Feststellungsausspruch des Berufungsgerichts sind unbegründet. a) Zum – vom Berufungsgericht im Hinblick auf den sich noch in der Fortentwicklung befindenden anspruchsbegründenden Sachverhalt mit Recht bejahten – Feststellungsinteresse des Klägers hält die Revision dem angefochtenen Urteil lediglich entgegen, da der Kläger im Vorprozeß gegen den Beklagten ein rechtskräftiges Urteil zur umfassenden Auskunft über das von ihm seit dem 8. April 1986 verwaltete Vermögen der Erblasserin erstritten habe, könne der Kläger (“nach Auskunftserteilung aufgrund des Urteils im Vorprozeß”) seinen vermeintlichen Anspruch exakt beziffern. Gegenüber dem Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung läßt sich hieraus schon deshalb nichts herleiten, weil die Revision selbst nicht geltend macht, daß der Beklagte aufgrund seiner Verurteilung zur Auskunft schon (hinreichend) Auskünfte erteilt habe. b) Das Berufungsgericht sieht zutreffend die Grundlage für den mit dem Feststellungsanspruch des Klägers verfolgten Anspruch auf Herausgabe auch der Nutzungen des Wertpapiererlöses ebenfalls in § 667 BGB. Die Revision stellt dies im Ansatz nicht in Frage, meint aber, wenn – wie vom Beklagten in den Tatsacheninstanzen behauptet – die Erblasserin dem Beklagten einen Teilbetrag des Wertpapiererlöses in Höhe von 501.994,30 DM als Darlehen gewährt habe, so sei der Beklagte bei Zugrundelegung seines Vorbringens jedenfalls bis zum Jahresende 1998 berechtigt, die aus dem Darlehensbetrag gezogenen Nutzungen für sich zu behalten. Diese Ausführungen helfen dem Beklagten schon deshalb nicht weiter, weil es an einem begründeten Revisionsangriff gegen das Berufungsurteil fehlt, soweit dieses sich – in anderem Zusammenhang (bei der Prüfung des Zahlungsanspruchs des Klägers) – im einzelnen mit dem Beklagtenvortrag über eine angebliche Darlehensgewährung auseinandergesetzt und dieses Vorbringen rechtsfehlerfrei als unzureichend beurteilt hat.