Leitsätzliches:
2) Weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers, noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht steht dem Übergang des Nutzungsvertrages entgegen.
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Bundesgerichtshof
Datum: 12.07.2018
Gericht: BGH
Spruchkörper: III ZR
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: III ZR 183/17
Tatbestand:
- Die Parteien streiten über den Zugang zum Benutzerkonto eines sogenannten sozialen Netzwerks, das die Beklagte betreibt. Die Klägerin beansprucht, den Zugang zu dem bei der Beklagten unterhaltenen Konto ihrer verstorbenen, minderjährigen Tochter und “den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten” zu gewähren. Sie ist neben deren Vater Mitglied der Erbengemeinschaft. Beide Elternteile waren zu Lebzeiten die gesetzlichen Vertreter der Erblasserin.
- Über das Netzwerk können die Nutzer miteinander internetbasiert über die Server der Beklagten kommunizieren und Inhalte austauschen. Dies um-fasst etwa das Hochladen, Speichern und Teilen von Bildern, Videos oder Links zu anderen Webseiten, das Veröffentlichen (“Posten”) von Kommentaren und Statusmeldungen sowie den Austausch und das Speichern von Nachrichten. Für die Nutzung des Netzwerks ist nach einer Registrierung die Eingabe von Kontozugangsdaten in Form von Benutzername und Passwort erforderlich. Die Dienste des sozialen Netzwerks werden durch die F. mit Sitz in den USA und die Beklagte mit Sitz in Irland erbracht. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von F. ist die Beklagte Vertragspartnerin der Nutzer mit Wohnsitz außerhalb der USA.
- Am 4. Januar 2011 registrierte sich die Erblasserin im Alter von 14 Jahren mit Einverständnis ihrer Eltern beim sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto (“Account”). Am Abend des 3. Dezember 2012 verunglückte sie unter bisher ungeklärten Umständen tödlich, als sie in einem U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug erfasst wurde.
- Die Klägerin versuchte hiernach, sich unter Verwendung der Zugangsdaten ihrer Tochter in das Benutzerkonto der Erblasserin einzuloggen. Dies gelang jedoch nicht, weil die Beklagte das Konto nach Mitteilung des Todes der bisherigen Nutzerin durch einen Dritten am 9. Dezember 2012 in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte. In diesem ist ein Zugang zu dem Benutzerkonto auch mit den zutreffenden Zugangsdaten nicht mehr möglich. Das Konto an sich einschließlich der auf den Servern der Beklagten gespeicherten Inhalte bleibt aber bestehen, und die vom Verstorbenen geteilten Inhalte sind für die Zielgruppe, mit der sie geteilt wurden, weiterhin sichtbar. Die Kommunikationspartner (“Freunde”) des Verstorbenen können – abhängig von den Privatsphäreeinstellungen des Kontos – in der in den Gedenkzustand versetzten Chronik Erinnerungen teilen. Im Übrigen hat jedoch außer der Beklagten niemand mehr Zugriff auf den Kontoinhalt, z.B. die gespeicherten Fotos und Nachrichten. Die Regelungen zum Gedenkzustand sind im Hilfebereich der Internet-seite der Beklagten abrufbar. In den allgemeinen Nutzungsbedingungen wird hierauf nicht verwiesen.
- Die Klägerin trägt vor, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob die Erblasserin kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe. Ferner benötige sie den Zugang, um Schadensersatzansprüche des U-Bahn Fahrers abzuwehren. Die persönlichen Kommunikationsinhalte im Benutzerkonto ihrer Tochter seien an die Erbengemeinschaft vererbt worden. Dem stehe auch nicht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus § 88 TKG entgegen, weil diese Regelung auf die Beklagte weder in persönlicher noch in sachlicher Hinsicht anwendbar sei. Jedenfalls sei die Beseitigung der durch den Gedenkzustand bewirkten Zugangssperre gerechtfertigt. Der Datenschutz zugunsten der Kommunikationspartner der Erblasserin trete im Rahmen der praktischen Konkordanz der betroffenen Grundrechtspositionen hinter den Zugangsanspruch der Erben zurück. Schließlich seien die Nutzungsbestimmungen zum Gedenkzustand, soweit überhaupt wirksam einbezogen, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
- Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren (FamRZ 2016, 738). Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen.
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Gründe:
Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und damit zur Wiederherstellung des klagezusprechenden Ersturteils.
I.
- Das Berufungsgericht (FamRZ 2017, 1348) hat offen gelassen, ob die Erbengemeinschaft aus erbrechtlicher Sicht nach § 1922 BGB einen Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin habe. Jedenfalls verbiete § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG der Beklagten, den Eltern der Erblasserin den Inhalt und die Umstände der über das Benutzerkonto abgewickelten und auf den Servern der Beklagten noch gespeicherten Kommunikation mitzuteilen.
- Als Betreiberin des sozialen Netzwerks sei die Beklagte Diensteanbieterin nach § 3 Nr. 6 TKG, wenn hierüber Nachrichten und Inhalte ausgetauscht oder geteilt würden. Sie übertrage zwar nicht selbst Signale, müsse sich aber die fremde Signalübertragungsleistung der Telekommunikationsunternehmen zurechnen lassen. Außerdem sei die Beklagte Diensteanbieterin gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, so dass – über § 3 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 TMG – nach § 7 Abs. 3 Satz 2 TMG die Regelungen in § 88 Abs. 3 TKG Anwendung fänden.
- Der Schutzbereich des § 88 TKG umfasse den Inhalt und die Umstände der über den Dienst der Beklagten ausgetauschten privaten Nachrichten und der mit einem begrenzten Nutzerkreis geteilten Inhalte. Dies gelte unabhängig von der Kenntnisnahme durch den Empfänger, solange der Kommunikationsinhalt auf den Servern der Beklagten gespeichert sei.
- Insbesondere fehle es an einer gesetzlichen Erlaubnis zur Weitergabe von Telekommunikationsinhalten an die Erben nach § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG, die sich ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge beziehe. Diese Voraussetzungen würden weder § 1922 BGB noch §§ 91 ff TKG erfüllen. Die Erben seien auch nicht am Kommunikationsvorgang beteiligt und daher “andere” im Sinne von § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG. Das Fernmeldegeheimnis müsse zudem nicht im Wege der praktischen Konkordanz hinter die Interessen der Erben zu-rücktreten, weil dieses keine Rechtfertigung für einen Eingriff ohne entsprechendes Gesetz biete.
- Die Zugangsgewährung sei auch nicht aufgrund einer Einwilligung der Kommunikationsteilnehmer möglich. Ungeachtet dessen, ob die Erblasserin eine solche Einwilligung erteilt habe, fehle jedenfalls eine konkludente oder mutmaßliche Einwilligung ihrer Kommunikationspartner in die Weitergabe von Kommunikationsinhalten an die Erben.
- Schließlich bestehe auch kein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 1922 BGB auf Rückgängigmachung des Gedenkzustands, weil die Beklagte zu dessen Einrichtung berechtigt gewesen sei. Das elterliche Sorgerecht habe mit dem Tod der Erblasserin geendet, und aus dem Totenfürsorgerecht lasse sich ein Zugangsanspruch ebenfalls nicht herleiten. Dies gelte auch für das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Eltern und ihren Wunsch, Gewissheit über die Umstände und Hintergründe des Todes ihres Kindes zu erlangen. Da sich der Schutz- und Wirkungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes auf lebende Personen beschränke, bestehe auch kein Auskunftsanspruch analog § 34 BDSG.II.Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
Zutreffend haben die Vorinstanzen im Ergebnis die Zulässigkeit der Klage bejaht (zur internationalen Zuständigkeit siehe jedoch Art. 17 Abs. 1 Buchst. c), Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Var. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Brüssel Ia-VO; ABl. L 351 vom 20. Dezember 2012, S. 1). Die Beklagte erhebt insoweit auch keine Rügen mehr.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage begründet. Die Klägerin ist berechtigt, von der Beklagten zu verlangen, der Erbengemeinschaft Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen Inhalten zu gewähren. Ein solcher Anspruch ist vererblich, und es stehen ihm weder das postmortale Persönlichkeitsrecht noch das Fernmeldegeheimnis, datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner der Erblasserin entgegen (ebenso z.B.: BeckOK BGB/Müller-Christmann, Stand 1. Mai 2018, § 1922 Rn. 101; BeckOGK BGB/ Preuß, Stand 1. Juni 2018, § 1922 Rn. 387 ff; MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 25 ff; Biermann, ZErb 2017, 210 ff; Bock, AcP 217, 370 ff; Herzog, ZErb 2017, 205 ff; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, §§ 4 und 5; Klas/Möhrke-Sobolewski, NJW 2015, 3473 ff; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125 ff und 157 ff; Lieder/Berneith, FamRZ 2016, 743 f; Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155; Ludyga, JM 2016, 442 ff und ZEV 2018, 1 ff; Salomon, NotBZ 2016, 324 ff; Seidler, Digitaler Nachlass, S. 114 ff; Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291 ff; Willems, ZfPW 2016, 494, 502 ff; a.A. Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.6 ff; Brinkert/ Stolze/Heidrich, ZD 2013, 153 ff; Leeb, K&R 2014, 693 ff; Martini, JZ 2012, 1145 ff ).
a) Der Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto und den dort gespeicherten Inhalten ergibt sich aus dem auf die Erben übergegangenen schuldrechtlichen Vertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte und die Erblasserin mit Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter (§ 107 BGB) einen schuldrechtlichen Vertrag über die Einrichtung und Nutzung eines “Accounts” geschlossen haben (vgl. Redeker in Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, Stand Februar 2018, Teil 12 Rn. 424; Redeker, IT-Recht, 6. Aufl., D. Rn. 1174; Kosmides in Schneider, Handbuch EDV-Recht, 5. Aufl., W. Rn. 525 ff; Staudinger/Klumpp (2017), BGB § 107 Rn. 30; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 45 f). Die Rechtsnatur dieses Vertrags (vgl. hierzu Redeker in Hoeren/Sieber/Holznagel, aaO; Kutscher, aaO; Seidler, Digitaler Nachlass, S. 129 ff; Bräutigam, MMR 2012, 635) kann dahingestellt bleiben, da diese für die hier relevanten Rechtsfragen nicht erheblich ist.
bb) Zu Recht und ohne dass dies von den Parteien angegriffen wird, haben die Vorinstanzen auf das Vertragsverhältnis deutsches Recht angewandt. Der Vertrag unterliegt nach Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO; ABl. L 177 vom 4. Juli 2008, S. 6) dem von den Parteien gewählten deutschen Recht. Dessen Anwendbarkeit ergäbe sich zudem nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, weil ein Verbrauchervertrag vorliegt.
cc) Das Vertragsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten ist mit dem Tod der Erblasserin nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen, die hierdurch in dieses eingetreten sind und deshalb als Vertragspartner einen Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten haben.
Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht das Vermögen als Ganzes auf die Erben über. Hierzu gehören grundsätzlich auch Ansprüche und Verbindlichkeiten aus schuldrechtlichen Verträgen wie dem hier vorliegenden Nutzungsvertrag, wobei der Erbe in die vertragliche Rechtsstellung mit sämtlichen Rechten und Pflichten eintritt (vgl. MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 20 und 25; BeckOGK BGB/Preuß, Stand 1. Juni 2018, § 1922 Rn. 173 ff).
Die Vererbbarkeit des aus dem Nutzungsvertrag folgenden Anspruchs auf Zugang zu dem Benutzerkonto ist weder durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen (hierzu unter (1)) noch lässt sich ein Ausschluss der Vererbbarkeit aus dem Wesen des Vertrags ableiten (hierzu unter (2)). Auch eine Differenzierung nach der Art des Inhalts der auf dem Konto gespeicherten Daten ist abzulehnen (hierzu unter (3)).
(1) Die Vererbbarkeit von Ansprüchen kann vertraglich ausgeschlossen werden (vgl. MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 21; BeckOGK BGB/Preuß, Stand 1. Juni 2018, § 1922 Rn. 173). Dies ist hier indes nicht der Fall.
(1.1) Die Nutzungsbedingungen der Beklagten enthalten keine Regelung zur Vererbbarkeit des Benutzungsvertrags und der Inhalte des Benutzerkontos. Zwar ist dieses hiernach unter einem realen Namen einzurichten (Nummer 4) und die Weitergabe von Zugangsdaten oder des Benutzerkontos an Dritte nicht zulässig (Nummern 3.5, 4.1, 4.8 und 4.9). Zutreffend hat das Berufungsgericht hierzu jedoch ausgeführt, dass sich diese Regelungen lediglich auf das Verhalten des Nutzers zu Lebzeiten beziehen und keine Aussage für den Todesfall enthalten. Offen bleiben kann dementsprechend, ob die Vererbbarkeit des vertraglichen Nutzungsverhältnisses und des daraus folgenden Kontozugangsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich wirksam ausgeschlossen werden kann (befürwortend im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung: MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 29; Biermann in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl., § 50 Rn. 58 ff; Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.22 ff; Bock, AcP 2017, 370, 411 ff; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125, 127 ff; Raude, ZEV 2017, 433, 437; ablehnend unter Hinweis auf § 1922 BGB: Gloser, MittBayNot 2016, 12, 19; Herzog, NJW 2013, 3745, 3751; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 126 f; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 92; Pruns, AnwZert ErbR 16/2016 Anm. 2 mwN).
(1.2) Eine Unvererblichkeit ergibt sich auch nicht aus den Regelungen der Beklagten zum Gedenkzustand.
(1.2.1) Diese finden hier schon deshalb keine Anwendung, weil die Bestimmungen nicht Bestandteil des Nutzungsvertrags geworden sind, § 305 Abs. 2 BGB (vgl. Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 5 Rn. 18 ff; Ludyga, ZEV 2018, 1, 3; Pruns, AnwZert ErbR 16/2016 Anm. 2; Willems, ZfPW 2016, 494, 509). Die dem Vertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten zu Grunde liegenden Nutzungsbedingungen enthalten keine Regelungen zum Gedenkzustand. Vielmehr befanden sich diese lediglich im Hilfebereich des sozialen Netzwerks, ohne dass hierauf in den Nutzungsbedingungen oder auf andere Weise bei Vertragsschluss verwiesen oder Bezug genommen wurde, wie es gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB erforderlich gewesen wäre, um die Regelungen Vertragsbestandteil werden zu lassen.
(1.2.2) Die Regelungen zum Gedenkzustand schließen ungeachtet des-sen auch nach Maßgabe von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Vererbbarkeit des aus dem Nutzungsverhältnis folgenden Kontozugangsrechts nicht wirksam aus (für eine Unwirksamkeit der Regelungen zum Gedenkzustand auch MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 29; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 95; Deusch, ZEV 2016, 189, 195; Gloser, DNotZ 2016, 537, 548 f; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 126 ff; Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155; Ludyga, JM 2016, 442, 446; ders., ZEV 2018, 1, 3; Pruns, AnwZert ErbR 16/2016 Anm. 2; Raude, RNotZ 2017, 17, 23; offen: Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125, 129; aA im Hinblick auf § 88 TKG: Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.26 f). Sie verändern nachträglich die Leistungspflichten der Beklagten. Diese müsste nach Mitteilung des Todes zwar weiterhin die Kommunikationsplattform für das Benutzerkonto der Erblasserin zur Verfügung stellen, allerdings den Erben als neuen Vertragspartnern keinen Zugang zu dem Konto und den dort gespeicherten nicht öffentlichen Inhalten mehr gewähren.
(1.2.2.1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegen diese Regelungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Es handelt sich nicht um nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbestimmungen. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind (ausführlich und mwN: Senat, Urteil vom 5. Oktober 2017 – III ZR 56/17, NJW 2018, 534 Rn. 15 f). Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung verbleibt nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (Senat aaO). Dies ist bei den Regelungen zum Gedenkzustand nicht der Fall. Sie stellen nicht eine zum Kernbereich der Vereinbarung gehörende Abrede über den unmittelbaren Leistungsgegenstand dar, sondern eine nachträgliche Änderung des bestehenden Leistungsumfangs. Die grundsätzlich unbeschränkt bestehende vertragliche Hauptleistungspflicht der Beklagten, dem Nutzer den Zugang zu seinem Konto und den dort gespeicherten Inhalten sowie die Verfügungsmöglichkeit hierüber zu gewähren, wird hierdurch gegenüber den Erben für die Zeit nach Mitteilung des Todes eingeschränkt und damit ein wesentlicher Inhalt der Ansprüche aus dem Nutzungsvertrag modifiziert.
(1.2.2.2.) Im Hinblick auf die erhebliche Einschränkung der vertraglichen Rechte der in den Nutzungsvertrag eingetretenen Erben liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB vor. Die Klauseln verhindern zwar die Vererbung des Nutzungsverhältnisses als solches nicht, sie höhlen dieses aber aus, indem den Erben als Vertragspartnern nach der Mitteilung des Todes durch einen beliebigen Dritten das Recht des Zugangs zu dem Konto verwehrt wird und sie damit einen Hauptleistungsanspruch verlieren. Dies widerspricht im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB den wesentlichen Grundgedanken des § 1922 BGB, der den Übergang eines Schuldverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten auf den Erben vorsieht. Weiterhin ist zu berück-sichtigen, dass der Grundsatz der Universalsukzession auch der eindeutigen Zuordnung des Vermögens und damit der Rechtssicherheit der Beteiligten dient (Pruns, AnwZert ErbR 16/2016 Anm. 2). Dies wäre nicht gewährleistet, wenn durch den Gedenkzustand ein “Datenfriedhof” geschaffen würde, auf den bis auf die Beklagte niemand einen Zugriff erhält. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung besteht auch kein berechtigtes Interesse der Beklagten an dieser Regelung im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis, weil sie bei Zugangsgewährung gerade nicht gegen die in § 88 TKG statuierten Verhaltenspflichten verstößt (hierzu unten 2c; a.A. Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.27).
Zugleich liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, da das Versetzen in den Gedenkzustand dazu führt, dass die wesentlichen Rechte aus dem Vertragsverhältnis, nämlich der Zugang zu dem Benutzerkonto, der Zugriff auf die dort gespeicherten Inhalte und die Verfügungsbefugnis hierüber, entfallen, so dass die Erreichung des Vertragszwecks nicht mehr möglich ist (vgl. Gloser, DNotZ 2016, 537, 548 f; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 126 ff; Raude, RNotZ 2017, 17, 23).
Auf sich beruhen kann, ob die Regelungen zum Gedenkzustand auch nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sind, weil die Beklagte sich darin vorbehält, Inhalte “möglicherweise” und “in seltenen Fällen” trotz der Versetzung eines Kontos in diesen Zustand herauszugeben.
(2) Auch aus dem Wesen des Vertrags ergibt sich eine Unvererbbarkeit nicht.
Eine solche kann ohne vertragliche Regelung anzunehmen sein, wenn unter Berücksichtigung des sich aus § 399 BGB sowie § 38 BGB ergebenden Rechtsgedankens der Inhalt des Rechts in einem solchen Maß auf die Person des Berechtigten oder des Verpflichteten zugeschnitten ist, dass bei einem Subjektwechsel die Leistung in ihrem Wesen verändert würde (MüKoBGB/ Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 21; Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.10 f). Das ist hier nicht der Fall.
(2.1) Die Pflichten der Vertragsparteien – der Beklagten und des jeweiligen Nutzers – sind nicht höchstpersönlicher Natur. Nicht die Leistungen der Beklagten, die bei jedem Nutzer gleich sind, sondern nur die – von der Vertragsgestaltung unabhängigen – Inhalte, die von den Nutzern geschaffen und kommuniziert werden, sind persönlichkeitsrelevant (z.B. das Gestalten der Profilseite oder das Versenden von Nachrichten; vgl. Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 157). Die Beklagte verpflichtet sich gegenüber ihrem Vertragspartner, die Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen und entsprechend dem Auftrag des Nutzers Inhalte zu veröffentlichen oder Nachrichten an ein anderes Benutzerkonto zu übermitteln sowie die übermittelten Nachrichten beziehungsweise die mit diesem Konto geteilten Inhalte zugänglich zu machen. Insoweit handelt es sich um rein technische Leistungen der Beklagten, die nicht personenbezogen sind. Diese können – anders als etwa bei einem Behandlungsvertrag mit einem Arzt – unverändert auch gegenüber den Erben erbracht werden (Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.11; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 4 Rn. 42; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125, 129 f; Raude, ZEV 2017, 433, 436; i.E. auch Willems, ZfPW 2016, 494, 506; a.A. Klas/Möhrke-Sobolewski, NJW 2015, 3473, 3474).
Zutreffend ist zwar, dass das Vertragsverhältnis insoweit auf den Kontoberechtigten zugeschnitten und damit personenbezogen ist, als nur dieser unter seinem Konto Inhalte veröffentlichen (“posten”) und Nachrichten schreiben darf. Dies führt aber nicht zu dessen Unvererbbarkeit, sondern könnte allenfalls dazu führen, dass – wie beim Girovertrag (hierzu BGH, Urteile vom 18. Januar 2000 – XI ZR 160/99, NJW 2000, 1258 und vom 10. Oktober 1995 – XI ZR 263/94, BGHZ 131, 60, 64) – die aktive Weiternutzung des Kontos des Erblassers durch den Erben, die in der Praxis ohnehin regelmäßig nicht beabsichtigt sein wird, nicht von seinem Erbrecht umfasst ist (vgl. hierzu Herzog, NJW 2013, 3745, 3749; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechts-praxis, § 4 Rn. 37 f; Raude, RNotZ 2017, 17, 20). Vorliegend kann dies auf sich beruhen, denn Gegenstand des Rechtsstreits ist lediglich die Bereitstellung der vorhandenen Kontoinhalte zum Abruf durch die Erben. Der Inhalt dieser Leistung der Beklagten hängt aber nicht von der Person ab, der gegenüber sie er-bracht wird, so dass in dieser Hinsicht gerade kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten daran besteht, sie nicht gegenüber den Erben erbringen zu müssen.
Im Hinblick darauf, dass vorliegend als erbrechtliche Position nicht die – von der Klägerin wie regelmäßig von den Erben auch nicht beabsichtigte – Fortführung des Kontos durch aktive Nutzung in Rede steht, ist auch nicht erheblich, ob die Beklagte – wie von ihr in der Berufungsinstanz vorgetragen – über interne Verfahren verfügt, um die Identität ihrer Nutzer regelmäßig zu prüfen, und ob sie eine derartige Prüfung vornimmt. Auch dies würde keine die Vererbbarkeit in diesem Sinne ausschließende Höchstpersönlichkeit begründen. Denn die gegenüber dem Erben geschuldete Leistungserbringung in Form der Zugangsgewährung zu dem bestehenden Kontoinhalt hat als solche keinen höchstpersönlichen Bezug.
(2.2) Die höchstpersönliche, eine Vererbbarkeit ausschließende Natur des Vertrags ergibt sich auch nicht daraus, dass die Nutzer der Beklagten die “nicht-exklusive, übertragbare, unterlizensierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte” (Nummer 2.1. der AGB) gewähren. Zwar erhält die Beklagte hierdurch – die Wirksamkeit der Klausel vorausgesetzt – Rechte auf individuelle, personenbezogene Daten. Diese bleiben aber ungeachtet des erbrechtlichen Übergangs bestehen. Denn durch den Erbfall wird die Datenbasis, über die die Beklagte vertragsgemäß verfügen darf, nicht verändert. Die im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Daten bleiben nutzbar, weitere persönliche Daten kommen nicht hinzu, da der Anspruch der Klägerin nicht auf die aktive Fortführung des Kontos und das Erstellen von Inhalten, sondern auf den Zugang zu dem bestehenden Konto und dessen Inhalten zielt. Insofern ist für die Beklagte ein Wechsel der Person des Kontoberechtigten nicht unzumutbar.
(2.3) Der höchstpersönliche Charakter und damit der vertragliche Ausschluss der Vererbbarkeit des Zugangsrechts zu dem Benutzerkonto folgt auch nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Zwar mag der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerkes und sonstige nicht öffentlich geteilte Inhalte jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und durch die Beklagte dritten Personen gegenüber nicht offengelegt werden. Es besteht jedoch nach den vertraglichen Regeln und den zugrunde liegenden technischen Bedingungen kein schutzwürdiges Vertrauen, dass diese Diskretion des Austausches zwischen dem verstorbenen Nutzer und den übrigen Teilnehmern des Netzwerks – auch über den Tod hinaus – gegenüber den Erben gewährleistet ist.
(2.3.1) Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten ist von vornherein konto-bezogen.
Die Pflicht der Beklagten bezieht sich nicht darauf, die Nachrichten und sonstigen Inhalte an eine bestimmte Person zu übermitteln beziehungsweise für diese zugänglich zu machen, sondern auf die Übermittlung beziehungsweise Bereitstellung für das angegebene Benutzerkonto. Angesichts der systemimmanenten, dem verständigen Nutzer bewussten und von der Beklagten nicht kontrollierbaren Anonymität des sich jeweils bei dem Benutzerkonto anmeldenden Nutzers kann nicht von einer Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung an eine bestimmte Person, sondern nur zur Übermittlung an beziehungsweise Bereitstellung für das ausgewählte Benutzerkonto ausgegangen werden (vgl. Herzog, ZErb 2017, 205, 208; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 68; Herzog/ Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 4 Rn. 61). So ist weder für die Beklagte noch für den Versender einer Nachricht oder Teilenden eines Inhalts prüfbar, ob die sich mit den Benutzerdaten anmeldende Person mit der als Empfänger benannten Person identisch ist. Ebenso wenig ist für den Übermittler der Nachricht erkennbar, ob die als Empfänger genannte Person tatsächlich Inhaber des Benutzerkontos ist. Vielmehr ist Identifikationsmerkmal des Adressaten ein von dem Versender ausgewähltes Benutzerkonto. An dieses sollen die Nachrichten übermittelt werden beziehungsweise für dieses sollen die geteilten Inhalte freigegeben werden. Zugang erhält damit bestimmungsgemäß derjenige, der sich mit den zutreffenden Kontozugangsdaten bei dem jeweiligen Benutzerkonto anmeldet. Das Risiko, dass das Benutzerkonto unter falschem Namen geführt wird, trägt der Kommunikationspartner (vgl. hierzu Graulich in Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 2. Aufl. 2015, § 88 Fernmeldegeheimnis Rn. 65). Gleiches gilt hinsichtlich der Gefahr, dass ein Dritter die Nachrichten und sonstigen Inhalte lesen kann, weil er durch Weitergabe der Zugangsdaten seitens des Kontoinhabers Zugriff auf den Inhalt des Benutzerkontos hat oder weil der Kontoberechtigte die Inhalte an Dritte weiterleitet oder diesen zeigt. Insoweit gilt nichts anderes als bei analogen Kommunikationswegen – das Briefe zustellende Unternehmen ist nur für den Einwurf in den richtigen Briefkasten verantwortlich, nicht aber dafür, ob auch die als Empfänger benannte Person den Brief öffnet oder ob sie diesen Dritten zeigt. Dem verständigen und durchschnittlichen Nutzer eines sozialen Netzwerks ist ebenso wie dem Absender eines Briefs bewusst, dass er nach dem Versenden einer Nachricht nicht mehr kontrollieren kann, wer letztlich von deren Inhalt Kenntnis nimmt, und dass er grundsätzlich keine Möglichkeit hat, die übermittelte Nachricht beziehungsweise den Inhalt zurückzufordern. Er begibt sich insoweit der Verfügungsbefugnis über die Nachrichten (vgl. NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 68; Bock, AcP 217, 370, 408; Herzog/Pruns, aaO, § 4 Rn. 84; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 145; Pruns, NWB 2014, 2175, 2182 f).
Die Beklagte erfüllt ihre vertragliche Verpflichtung somit, indem sie eine Nachricht an das benannte Benutzerkonto übermittelt, deren jederzeitigen Abruf durch den mit den zutreffenden Kontozugangsdaten bei dem Benutzerkonto angemeldeten Nutzer ermöglicht und sonstige Inhalte für die ausgewählten Benutzerkonten zur Verfügung stellt. Die geschützte Kommunikation umfasst demnach die Speicherung, Bereitstellung und Übermittlung von Inhalten für denjenigen, der sich mit den zutreffenden Daten bei dem Benutzerkonto anmeldet. Greift nicht der Kontoberechtigte, sondern ein anderer mit den Zugangsdaten hierauf zu, ist eine derartige Kenntnisnahme allein der durch die Kommunikationsteilnehmer beherrschten und bei verständiger Würdigung bekannten Risikosphäre zuzuordnen. Trägt der Kommunikationspartner des Kontoinhabers bereits das Risiko, dass zu dessen Lebzeiten Dritte Kenntnis von den dort gespeicherten Inhalten erlangen, gilt dies erst recht für den Zugriff der Erben des Nutzers auf diese.
Der Auftrag zur Übermittlung einer Nachricht an das vom Absender benannte Benutzerkonto wirkt dabei – vorbehaltlich einer dem Versender in Grenzen möglichen vorherigen Festlegung des Zeitpunkts, an dem die Nachricht ausgeblendet werden soll – zeitlich unbegrenzt auch über den Todesfall hinaus und umfasst die Möglichkeit, die auf dem Server der Beklagten gespeicherte Nachricht durch den Nutzer des Empfängerkontos abzurufen, solange dieses besteht. Bestimmungsgemäß befinden sich an ein konkretes Benutzerkonto gesendete Nachrichten nicht mehr im Zugriffsbereich des Absenders, sondern in dem des Berechtigten des Empfängerkontos, der einen Anspruch gegen das soziale Netzwerk hat, ihm jederzeit und dauerhaft den Zugriff hierauf zu ermöglichen. Deshalb kann der Absender nach der Übermittlung grundsätzlich auch nicht mehr verlangen, dass die Nachricht vom Empfängerkonto gelöscht wird, worauf die Beklagte in ihrem Hilfebereich hinweist. Insoweit ist die Situation ebenfalls vergleichbar mit analogen Übermittlungswegen – auch dort besteht keine Möglichkeit mehr, das übermittelte Dokument zurückzufordern, sobald es in den Zugriffsbereich des Adressaten gelangt ist, also zum Beispiel in seinen Briefkasten eingeworfen wurde.
Der Absender einer Nachricht kann mithin zwar darauf vertrauen, dass seine Nachricht von der Beklagten nur für das von ihm ausgewählte Empfängerkonto bereitgestellt wird. Er muss aber damit rechnen, dass Dritte dennoch Kenntnis vom Inhalt seiner Nachricht erhalten können. Dies gilt sowohl zu Leb-zeiten des Kontoberechtigten im Hinblick auf die von diesem jederzeit veranlassbare Zugangsgewährung an Dritte als auch im Todesfall im Hinblick auf die Vererbung des Vertragsverhältnisses. Denn er muss damit rechnen, dass sein Kommunikationspartner versterben könnte und Dritte das Benutzerkonto erben, in das Vertragsverhältnis eintreten und damit als neue Kontoberechtigte Zugang auf die Kontoinhalte haben.
Für mit dem Benutzerkonto des Erblassers geteilte Inhalte anderer Nutzer gilt Entsprechendes, solange der Teilende die Berechtigung für dieses nicht ändert oder den geteilten Inhalt löscht. Insoweit muss der Teilende in gleicher Weise damit rechnen, dass weitere Personen sowohl zu Lebzeiten als auch nach dem Tod des Berechtigten des Empfängerkontos Kenntnis von dem geteilten Inhalt erlangen. Er hat es allerdings in der Hand, die Berechtigung zur Einsicht in den geteilten Inhalt zu ändern und damit den Erben für die Zukunft vom Zugang hierauf auszuschließen.
(2.3.2.) Überdies kann der Kommunikationspartner des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks keine berechtigte Erwartung haben, dass der Empfänger einer Nachricht diese auf dem Server des Netzwerkbetreibers belässt und nicht auf dem eigenen Computer oder einem anderen Medium (z.B. USB-Stick) lokal abspeichert oder auf Papier ausdruckt. In diesem Fall würde der Erbe ohne weiteres Zugang zum Inhalt der Nachrichten erhalten, was auch dem Versender bewusst sein muss.
(3) Die im Schrifttum teilweise befürwortete Differenzierung der Vererbbarkeit des Kontozugangs nach dem Inhalt des Benutzerkontos ist abzulehnen. Nach dieser Auffassung sollen zwar E-Mails beziehungsweise Nachrichten in einem sozialen Netzwerk mit vermögensrechtlichem Bezug vererbbar sein, nicht hingegen solche mit nichtvermögensrechtlichem, insbesondere höchstpersönlichem Inhalt (Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; Martini, JZ 2012, 1145, 1152; Brinkert/Stolze/Heidrich, ZD 2013, 153, 155; hierzu auch: Bräutigam, Stellungnahme des DAV zum Digitalen Nachlass, S. 16, 24 f). Die für das An-denken an den Verstorbenen und sein postmortales Persönlichkeitsrecht erheblichen Informationen seien nicht dem Erben, sondern den nächsten Angehörigen des Erblassers zuzuleiten (Hoeren, aaO, S. 2114). Diskutiert wird hierbei zur Wahrung des postmortalen Persönlichkeitsrechts eine “Infektion” des gesamten Benutzerkontos aufgrund der Existenz von höchstpersönlichen Inhalten (zu diesem Ansatz z.B. Bräutigam, aaO, S. 24 f; Rott/Rott, NWB-EV 2013, 160, 164; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 105 f) und die von einem Dritten durchzuführende Trennung zwischen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Inhalten (Martini, aaO).
Selbst nach dieser Auffassung wäre hier der Zugang zu gewähren, weil die Klägerin und der Vater der Kontoinhaberin nicht nur deren Erben, sondern auch deren nächste Angehörige sind. Unabhängig davon lehnt das überwiegende Schrifttum eine solche Differenzierung zu Recht ab (BeckOK BGB/ Müller-Christmann, Stand 1. Mai 2017, § 1922 Rn. 100; BeckOGK BGB/Preuß, Stand 1. Juni 2018, § 1922 Rn. 387 f; MüKoBGB/Leipold, BGB, 7. Aufl., § 1922 Rn. 26; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 38 ff; Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.6 ff; Biermann, ZErb 2017, 210, 213 f; Bock, AcP 217, 370, 383 ff; Bräutigam in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., § 1922 BGB Anhang Digitaler Nachlass Rn. 10 f; Herzog, NJW 2013, 3745, 3748 f; Herzog, ZErb2017, 205 ff; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 4 Rn. 11; Klas/Möhrke-Sobolewski, NJW 2015, 3473, 3474; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 102 ff; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125 ff; Lieder/Berneith, FamRZ 2016, 743; Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155; Ludyga, jM 2016, 442, 444 ff und ZEV 2018, 1, 4; Salomon, NotBZ 2016, 324, 326 f; Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291; Steiner/Holzer, ZEV 2015, 262 f).
Nach der gesetzgeberischen Wertung gehen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten unabhängig von einem Vermögenswert auf die Erben über, wie sich aus § 2047 Abs. 2 BGB und § 2373 Satz 2 BGB ergibt. Zwar enthalten diese Bestimmungen keine unmittelbare Regelung über die Vererbbarkeit höchstpersönlicher Rechtspositionen. Allerdings setzen sie diese voraus und gebieten damit den Rückschluss auf deren Vererbbarkeit sowie darauf, dass das Gesetz insoweit nicht zwischen höchstpersönlichem und vermögenswertem Nachlass differenziert. So hat der Gesetzgeber in § 2047 Abs. 2 BGB geregelt, dass Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers beziehen, nicht verteilt werden, sondern gemeinschaftlich bleiben (vgl. hierzu Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, V. Band S. 371, 507). § 2373 Satz 2 BGB regelt, dass Familienschriften und Familienbilder beim Erbschaftskauf nicht als mitverkauft anzusehen sind (vgl. Mugdan, aaO, II. Band S. 197). Beide Vorschriften setzen voraus, dass diese höchstpersönlichen Dokumente zur Erbmasse gehören. Unstreitig werden dementsprechend höchstpersönliche analoge Dokumente, z.B. Tagebücher und Briefe, vererbt.
Es besteht aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln, da das entscheidende Kriterium der Höchstpersönlichkeit bei analogen und digitalen Inhalten gleichermaßen betroffen ist (s. NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 40; Herzog, ZErb 2017, 205, 206 f; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 2 Rn. 43 ff; Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155; Steiner/Holzer, ZEV 2015, 262, 263). Auf das Speicher- beziehungsweise Trägermedium kommt es dabei nicht an. Eine Differenzierung danach, ob der digitale Inhalt auf einem lokalen Speichermedium wie einer Festplatte oder einem USB-Stick gespeichert ist oder sich auf Servern eines Diensteanbieters befindet, wäre inkohärent und durch das Gesetz nicht veranlasst (vgl. Herzog/Pruns, aaO, § 4 Rn. 9 f; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 115 f, i.E. auch Staudinger/Kunz (2017) BGB, § 1922 Rn. 596.8 f; jew mwN zur aA). Denn die Höchstpersönlichkeit ergibt sich nicht aus der Art der Verkörperung und Speicherung, sondern aus dem Inhalt. Ein Unterschied besteht lediglich in der Art und Weise der Vererbbarkeit: Während bei Schriftstücken oder Speichermedien im Eigentum beziehungsweise Besitz des Erblassers diese Rechtspositionen auf die Erben übergehen, treten bei – wie hier – auf Servern befindlichen Inhalten die Erben in das Vertragsverhältnis ein. Eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Vererbbarkeit an sich rechtfertigt dies nicht.
Letztlich würde eine Differenzierung zwischen höchstpersönlichen und sonstigen Inhalten zu erheblichen kaum zu bewältigenden praktischen Problemen führen. Da
E-Mail- und Benutzerkonten – oder sogar einzelne E-Mails oder Nachrichten – regelmäßig nicht ausschließlich höchstpersönlichen oder vermögensrechtlichen Zwecken dienen, wäre eine Durchsicht und Zuordnung sämtlicher digitaler Inhalte erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, wer diese vornehmen sollte und rechtlich dürfte (s. auch Bräutigam in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., § 1922 BGB Anhang Digitaler Nachlass Rn. 10; Biermann, ZErb 2017, 210, 213; Bock, AcP 217, 370, 392 f; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 105 f, 113 f; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 157, 161). Darüber hinaus sind die Grenzen zwischen höchstpersönlichen und vermögenswerten Inhalten unscharf und klare und eindeutige Abgrenzungskriterien kaum zu definieren, zumal auch höchstpersönliche Inhalte beim Erbgang vermögensrechtliche Relevanz erlangen können (Bräutigam in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., § 1922 BGB Anhang Digitaler Nachlass Rn. 10; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 157, 161).
b) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (MüKoBGB/ Rixecker, 7. Aufl., § 12 Anh. Rn. 160; Martini, JZ 2012, 1145, 1150 ff; Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; Brinkert/Stolze/Heidrich, ZD 2013, 153, 155) steht das postmortale Persönlichkeitsrecht der Erblasserin der Vererbbarkeit digitaler höchstpersönlicher Inhalte nicht entgegen.
Dieses wird aus dem Grundrecht der Unantastbarkeit der Menschenwürde gemäß
Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet und dient dem Schutz des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, und des sittlichen, personalen und sozialen Geltungswerts, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (st. Rspr., s. nur BVerfG, NVwZ 2008, 549 Rn. 7 f; BGH, Versäumnisurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16). Bei einem Eingriff in dessen immaterielle Bestandteile können die nächsten Angehörigen des Verstorbenen Abwehrrechte in Form von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen geltend machen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 2006 – I ZR 277/03, BGHZ 169, 193 Rn. 11 und vom 6. Dezember 2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206, jeweils mwN; MüKoBGB/ Rixecker, 7. Aufl., § 12 Anh. Rn. 49, 55; MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 123; Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.8; Bock, AcP 217, 370, 389). Ein dem Erbrecht vorgehendes Recht der nächsten Angehörigen an den höchstpersönlichen digitalen Inhalten begründet dies nicht (vgl. Bräutigam in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., § 1922 BGB Anhang Digitaler Nachlass Rn. 10; BeckOGK BGB/Preuß, Stand 1. Juni 2018, § 1922 Rn. 387 f; MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 26; Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.7 ff; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 2 Rn. 56 ff und § 4 Rn. 43; Ludyga, ZEV 2018, 1, 5; Bock, AcP 217, 370, 391 ff; Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291, 292; a.A. MüKoBGB/Rixecker, 7. Aufl., § 12 Anh. Rn. 160; Martini, JZ 2012, 1145, 1150 ff; Hoeren, NJW 2005, 2113, 2114; Brinkert/Stolze/Heidrich, ZD 2013, 153, 155), weshalb es im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich ist, dass hier die Erben ohnedies zugleich die nächsten Angehörigen der Verstorbenen sind.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert ein Anspruch der Erbengemeinschaft auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Inhalten auch nicht an § 88 Abs. 3 TKG. Das Fernmeldegeheimnis schützt weder den Erblasser noch den jeweiligen Kommunikationspartner vor einer Kenntnisnahme des Erben vom Inhalt des Benutzerkontos. Dies gilt sowohl für die zum Zeitpunkt des Todes durch den Erblasser noch nicht abgerufenen als auch hinsichtlich der bereits zur Kenntnis genommenen, auf den Servern der Beklagten zwischen- beziehungsweise endgespeicherten Inhalte.
Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG ist es Diensteanbietern untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und bezüglich welcher Leistungen die Beklagte Anbieterin von Telekommunikationsdiensten oder Telemediendiensten ist (s. dazu ausführlich Grünwald/Nüßing, MMR 2016, 91 ff; Karg/Fahl, K&R 2011, 453, 456 ff; Kühling/Schall, CR 2016, 185; Schneider, ZD 2014, 231, 235). Ein Verstoß gegen
§ 88 Abs. 3 TKG liegt jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Erbe eines Kommunikationspartners entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht “anderer” im Sinne dieser Vorschrift ist (MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 27; Biermann, ZErb 2017, 210, 215; Herzog, ZErb 2017, 205, 208; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechts-praxis, § 4 Rn. 60; Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155; Salomon, NotBZ 2016, 324, 327; Seidler, Digitaler Nachlass, 2016, S. 114 f; Steiner/Holzer, ZEV 2015, 262, 264; Wüsthof, ErbR 2017, 496, 510; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Digitaler Nachlass – Zum Umgang mit digitaler Hinterlassenschaft, S. 9; Bericht der
Arbeitsgruppe “Digitaler Neustart” vom 15. Mai 2017, http://www.jm.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/index.php, S. 343 ff; a.A. Staudinger/Kunz (2017), BGB § 1922 Rn. 596.35 ff; Bock, AcP 217, 370, 406).
aa) Andere im Sinne von § 88 Abs. 3 TKG sind Personen oder Institutionen, die nicht an dem geschützten Kommunikationsvorgang beteiligt sind. Die Beteiligten eines Telekommunikationsvorgangs sollen davor bewahrt werden, dass der Inhalt und die näheren Umstände der Telekommunikation Dritten, die an dem Vorgang nicht beteiligt sind, zugänglich werden (Beck TKG/Bock, 4. Aufl., § 88 Rn. 19; Eckhardt in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., TKG § 88 Rn. 23). Dies entspricht dem verfassungsrechtlichen Schutz nach Art. 10 Abs. 1 GG, dessen Träger die – auch minderjährigen – tatsächlichen Kommunikationsteilnehmer sind (BVerfGE 120, 274, 340; 85, 386, 398 f; Maunz/Dürig/Durner, GG, Stand Januar 2018, Art. 10 Rn. 100 f jew mwN).
bb) Der Erbe ist nicht anderer in diesem Sinne, sondern vielmehr mit dem Erbfall Beteiligter der im Zeitpunkt des Erbfalls nicht beendeten und deshalb dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses unterstehenden Kommunikationsvorgänge geworden.
Es kann im vorliegenden Fall unterstellt werden, dass, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, die auf den Servern der Beklagten unter den Benutzerkonten der Teilnehmer ihres Netzwerks abgespeicherten Inhalte noch dem Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses unterliegen, auch wenn der technische Übermittlungsvorgang abgeschlossen ist (so z.B. auch: Biermann, ZErb 2017, 210, 214; Bock, AcP 217, 370, 405 f; Deusch, ZEV 2017, 386, 399; Leeb, K&R 2014, 693, 696 f; Uhrenbacher, Digitales Testament und digitaler Nachlass, S. 176; kritisch hierzu: Brisch/Müllerter Jung, CR 2013, 446, 450 f; Klas/Möhrke-Sobolewski, NJW 2015, 3473, 3477 f; Kutscher, Der digitale Nachlass, 2015, S. 144 f).
Die Bereitstellung der Inhalte des Benutzerkontos für den Erben verstößt ebenso wenig gegen das Fernmeldegeheimnis wie die fortlaufende Bereitstellung für den ursprünglich Kontoberechtigten. Die Beklagte macht weiterhin entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtung einerseits gegenüber dem Absender beziehungsweise Teilenden und andererseits gegenüber dem Berechtigten des Empfängerkontos – nunmehr dem Erben – die Inhalte für das betreffende Benutzerkonto zugänglich. Die Zugangsgewährung für den Erben erfolgt im Rahmen des – unterstellt – durch das Fernmeldegeheimnis geschützten Kommunikationsvorgangs. Denn der Erbe wird mit dem Tod des ursprünglichen Kontoberechtigten als neuer Vertragspartner und Kontoberechtigter zum Teilnehmer der auf Grund der Speicherung und Bereitstellung der Inhalte für das Benutzerkonto fortlaufenden Kommunikationsvorgänge. Der Erblasser dagegen scheidet mit seinem Tod als geschützter Kommunikationspartner aus. Teilnehmer einer Kommunikation und damit vom Fernmeldegeheimnis geschützt kann begriffsnotwendig nur eine lebende Person sein (ebenso Bericht der Arbeitsgruppe “Digitaler Neustart” vom 15. Mai 2017, http://www.jm.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/index.php, S. 346).
Aus den in den obigen Ausführungen zur Vererbbarkeit des vertraglichen Zugangsrechts der Verstorbenen genannten Gründen erfordert auch der Zweck des § 88 Abs. 3 TKG nicht, den Erben den Zugang zu dem Benutzerkonto im Hinblick auf schutzwürdige Interessen der Kommunikationspartner (2 a cc 2.3) oder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen (2 b) zu versagen.
cc) Ein Vergleich mit der erbrechtlichen Rechtslage bei analoger Brief-post sowie ausgedruckten oder auf Medien des Erblassers gespeicherten digitalen Inhalten, bei denen ein erbrechtlicher Übergang stattfindet, bestätigt dieses Ergebnis. Bei digitalen Inhalten würde – sollte das Fernmeldegeheimnis auf den Erben angewendet werden – die Zugangsmöglichkeit für diesen davon ab-hängen, einerseits ob Inhalte etwa durch Ausdrucken verkörpert oder auf einem Medium des Erblassers gespeichert sind und andererseits ob diese lediglich digital auf Servern des Anbieters abrufbar sind. So erhielte der Erbe Zugang zu einer über den “Messenger” der Beklagten an das Benutzerkonto des Erblassers gesandten Nachricht, wenn dieser sie auf einem eigenen Medium abgespeichert hätte, während dem Erben der Zugang zu derselben Nachricht verwehrt würde, wenn der Erblasser die Nachricht auf dem Server der Beklagten belassen hätte. Diese unterschiedliche Behandlung desselben Inhalts abhängig von dem Speichermedium oder der Verkörperung und damit letztlich von Zufällen ist nicht gerechtfertigt. In allen Fällen ist der Grad des Vertraulichkeitsinteresses sowohl des Absenders als auch des Empfängers gleich.
Ein Vertraulichkeitsinteresse hat nach den Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge gegenüber dem Erben zurückzustehen. Die Rechtsordnung sieht, wie sich aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB ergibt, einen Über-gang auch höchstpersönlicher Inhalte auf den Erben vor, ordnet das Geheim-haltungsinteresse des Erblassers und der Kommunikationspartner folglich grundsätzlich dem durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Erbrecht unter. Der Übergang auch nichtvermögensrechtlicher Inhalte an den Erben ist demnach von der Rechtsordnung gebilligt und gewollt. Dies ist auch im Rahmen der Auslegung des Begriffs “anderen” im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG zu berücksichtigen. Dem wird nur eine Interpretation, wonach ein Erbe nicht anderer im Sinne dieser Vorschrift ist, gerecht. Dies abweichend zu beurteilen, würde ohne nachvollziehbaren Grund zu einer Durchbrechung des erbrechtlichen Grundsatzes der Universalsukzession führen, ohne dass dies im Telekommunikationsgesetz eine Anknüpfung findet (vgl. Biermann, ZErb 2017, 210, 215; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 4 Rn. 60). Die – im Unterschied zur analogen Post oder zu auf einem Medium des Erblassers gespeicherten digitalen Inhalten – bei serverbasierten Speicherungen fortbestehende Zugriffsmöglichkeit des Betreibers kann zwar dazu führen, dass der Diensteanbieter weiter zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet ist und damit eine Weitergabe an außerhalb des Kommunikationsverhältnisses stehende Dritte unzulässig bleibt. Die fortlaufende Zulässigkeit der Bereitstellung für das auf den Erben übergegangene Benutzerkonto wird hierdurch aber nicht berührt.
d) Schließlich steht dem Anspruch der Klägerin auch Datenschutzrecht nicht entgegen.
aa) Der Senat hat zur Beurteilung dieser Frage die seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar geltende Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Par-laments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) heranzuziehen. Maßstab für die Überprüfung eines Berufungsurteils ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung. Zu berücksichtigen ist dabei auch ein erst nach Erlass der Berufungsentscheidung geltendes Gesetz, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1953 – III ZR 214/50, BGHZ 9, 101, 102; BGH, Urteile vom 19. Februar 1993 – V ZR 269/91, NJW 1993, 1706, 1707, insoweit nicht in BGHZ 121, 347 abgedruckt; vom 21. Februar 1962 – V ZR 144/60, BGHZ 36, 348, 350; Beschluss vom 20. Januar 2005 – IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1509).
Dies ist hier der Fall. Das Klagebegehren der Klägerin zielt auf eine künftige Handlung der Beklagten, die zeitlich nach dem Anwendungsbeginn der Verordnung vorzunehmen sein wird und deshalb an deren Vorgaben zu messen ist. Denn sie gilt gemäß Art. 99 Abs. 2 DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Aus Art. 99 in Verbindung mit Erwägungs-grund 171 Satz 3 der DS-GVO ergibt sich, dass sie ab diesem Zeitpunkt uneingeschränkt für Datenverarbeitungsvorgänge Anwendung findet. Selbst Verarbeitungen, die zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen haben, sollen binnen zwei Jahren nach dem Inkrafttreten (24. Mai 2016, vgl. Art. 99 Abs. 1 DS-GVO), mit-hin bis zum Anwendungsbeginn, mit der Verordnung in Einklang gebracht wer-den. Ab diesem Zeitpunkt verdrängt die Verordnung in ihrem Anwendungsbereich die nationalen Gesetze (vgl. zum Vorrang ausdrücklich § 1 Abs. 5 BDSG in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 30. Juni 2017, BGBl. I, S. 2097). Die in den Instanzen umstrittene Frage, ob irisches oder deutsches Datenschutzrecht anwendbar ist, stellt sich damit nicht mehr.
bb) Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin sind nicht betroffen und werden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich – wie schon die zuvor geltenden nationalen Vor-schriften – nur auf lebende natürliche Personen. Dies ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 27 der Verordnung, worin festgehalten ist, dass die Verordnung nicht auf personenbezogene Daten Verstorbener anzuwenden ist.
cc) Auch datenschutzrechtliche Belange der Kommunikationspartner der Erblasserin stehen dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen.
(1) Mit dem Zugang zum Benutzerkonto des Erblassers erhält der Erbe die Möglichkeit, auf die Kommunikation oder die mit dem Erblasser geteilten Bilder und sonstigen Inhalte zuzugreifen. Sowohl die Nachrichten als auch die veröffentlichten (“geposteten”) Inhalte können personenbezogene Daten dar-stellen oder solche beinhalten. Die Beklagte als Betreiberin des sozialen Netzwerks ist in den Kommunikationsprozess insoweit eingebunden, als sie die Nachrichten zum Abruf für das Empfängerkonto bereitstellt sowie den Zugriff auf die geteilten Inhalte ermöglicht und die entsprechende Plattform zur Verfügung stellt. Dabei verarbeitet sie notwendigerweise die in den Inhalten enthaltenen sowie für die Bereitstellung erforderlichen Daten des jeweils kommunizierenden oder veröffentlichenden Nutzers.
(2) Es kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung im Hinblick auf die der Zugangsgewährung für die Erben immanente Verarbeitung von inhaltlichen Daten der Kommunikationspartner überhaupt eröffnet ist (für einen umfassenden Anwendungsausschluss: Bericht der Arbeitsgruppe “Digitaler Neustart” vom 15. Mai 2017, http://www.jm.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/index.php, S. 348 f). Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin durch die Übermittlung und dauerhafte Bereitstellung der jeweiligen Inhalte für die Erben ist jedenfalls sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zulässig.
(2.1) Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Partei ist, erforderlich ist. Umfasst ist sowohl die Erfüllung der vertraglichen Leistungs- und Nebenpflichten, als auch der diesbezüglichen gesetzlichen Verpflichtungen (Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 33; Assion/Notel/Veil in Gierschmann/Schlender/ Stentzel/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 88 ff). Ob die Verarbeitung “erforderlich” – und nicht nur zweckdienlich – ist, hängt von dem Vertragsinhalt und der vertragscharakteristischen Leistung des jeweiligen Schuldverhältnisses ab (Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 39).
Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift sind erfüllt. Die Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und geteilten Inhalten der Kommunikationspartner an das Benutzerkonto der Erblasserin erfolgt auch in Erfüllung einer gegenüber diesen bestehenden vertraglichen Hauptleistungspflicht. Denn nach dem Inhalt des Nutzungsvertrags zwischen der Beklagten und ihren Nutzern ist die Bereitstellung und Übermittlung von Nachrichten und sonstigen Inhalten an das vom jeweiligen Absender benannte Empfängerkonto wesentliche Vertragspflicht der Beklagten sowohl gegenüber dem Absender – hier also den Kommunikationspartnern der Erblasserin – als auch gegenüber dem Berechtigten des Empfängerkontos. Die notwendigerweise damit einhergehende Verarbeitung der in den Inhalten enthaltenen oder für die Bereitstellung benötigten Daten der Kommunikationspartner ist für die Erfüllung dieser Hauptleistungspflicht erforderlich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO. Die Beklagte macht datenschutzrechtliche Bedenken für die zu Lebzeiten der Erblasserin erfolgten Übermittlungen und Bereitstellungen von Inhalten auch nicht geltend.
An der Berechtigung der Datenverarbeitung nach der genannten Vor-schrift ändert sich durch den Eintritt des Erbfalls nichts. Die Beklagte macht weiterhin entsprechend ihrer Verpflichtung einerseits gegenüber dem Absender beziehungsweise Teilenden und andererseits gegenüber dem Berechtigten des Empfängerkontos die Inhalte für das betreffende Benutzerkonto zugänglich. Denn der Auftrag der Kommunikationspartner der Erblasserin zur Übermittlung einer Nachricht oder eines geteilten Inhalts wirkt zeitlich unbegrenzt – auch über den Tod des Berechtigten des Empfängerkontos hinaus – und umfasst die dauerhafte Ermöglichung des Abrufs der auf dem Server der Beklagten gespeicherten Nachricht durch den Nutzer des Empfängerkontos, solange dieses besteht, beziehungsweise bei geteilten Inhalten, solange der Absender die Berechtigung nicht ändert, siehe hierzu oben 2 a cc 2.3.1. Wie dort ausgeführt bezieht sich die vertragliche Verpflichtung der Beklagten nicht darauf, die Nachricht oder den geteilten Inhalt an eine bestimmte Person zu übermitteln beziehungsweise für diese zugänglich zu machen. Vielmehr ist diese kontobezogen, so dass die Beklagte sie erfüllt, indem sie Nachrichten an das benannte Benutzerkonto übermittelt, deren jederzeitigen Abruf durch den mit den zutreffenden Daten bei dem Benutzerkonto angemeldeten Nutzer ermöglicht sowie Inhalte für die aus-gewählten Benutzerkonten zur Verfügung stellt. Der Tod des ursprünglich Berechtigten ändert hieran nichts, da das Konto nach dem Erbfall fortbesteht und der Erbe damit Berechtigter wird.
(2.2) Abgesehen davon ist die Datenverarbeitung auch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO).
Die Frage der Zulässigkeit einer Datenverarbeitung aufgrund von berechtigten Interessen eines Dritten ist grundsätzlich von den konkreten Umständen des betroffenen Einzelfalls abhängig und dementsprechend auch einzelfallbezogen zu ermitteln und zu beurteilen (EuGH, NJW 2016, 3579 Rn. 62 [zu dem Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO entsprechenden Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG]). Hier liegen berechtigte Interessen der beiden Erben vor, die eine Datenverarbeitung in Form der Zugangsgewährung erforderlich machen. Die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Kommunikationspartner der Erblasserin überwiegen diese berechtigten Interessen nicht.
(2.2.1) Zu den berechtigten Interessen zählen neben rechtlichen auch tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen, nicht jedoch bloße Allgemeininteressen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 146 f; Auernhammer/Kramer, DSGVO, BDSG, 5. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 30). Die in den Erwägungsgründen 47 bis 50 genannten Beispiele berechtigter Interessen wie die Verarbeitung zur Verhinderung von Betrug (EG 47 Satz 6), zum Zweck der Direktwerbung (EG 47 Satz 7), im Rahmen einer konzerninternen Übermittlung (EG 48 Satz 1) oder zur Verbesserung der Netz- und Informationssicherheit (EG 49) zeigen, dass vielfältige und unterschiedlich bedeutsame berechtigte Interessen berücksichtigungsfähig sind.
Hier bestehen berechtigte Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin:
(2.2.1.1) Die Erbengemeinschaft kann sich auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Erbrecht berufen und ein berechtigtes Interesse geltend machen, weil – wie dargelegt – das mit der Beklagten bestehende Vertragsverhältnis nach dem anzuwendenden deutschen Recht auf die Erben übergegangen ist und diese deshalb als Vertragspartner einen Primärleistungsanspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten haben. Es stellt bereits für sich genommen ein gewichtiges berechtigtes Interesse eines Vertragspartners dar, die Hauptleistungsansprüche aus diesem Vertragsverhältnis auch geltend machen zu können. Würde den Erben der Zugang verweigert, würden ihnen die durch den erbrechtlichen Übergang von Rechten und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis entstandenen Rechtspositionen faktisch entzogen und der Grundsatz der Universalsukzession ausgehöhlt.
(2.2.1.2) Als Erben sind die Klägerin und der Vater der Erblasserin nicht nur Vertragspartner des Nutzungsvertrags geworden, sie haben auch etwaige vermögensrechtliche Ansprüche der Erblasserin geerbt und haften für deren Verbindlichkeiten. Informationen über derartige Ansprüche und Verbindlichkeiten können sich auch aus den Inhalten des Benutzerkontos ergeben, die nicht nur höchstpersönliche, sondern auch vermögensrechtliche Bedeutung haben können. Der Zugang zu dem Benutzerkonto dient deshalb regelmäßig auch da-zu, um zu prüfen, ob sich aus dem Inhalt Ansprüche der Erblasserin gegen Dritte oder Ansprüche Dritter gegen die Erblasserin ergeben, die die Erben weiter-verfolgen können oder müssen, oder ob sonstige Handlungen rechtsgeschäftlicher Art erforderlich sind. Die Anforderungen an ein diesbezügliches berechtigtes Interesse können nicht hoch angesetzt werden, weil die Erben – wie hier – regelmäßig keine Kenntnis von den Inhalten des Benutzerkontos haben und ihnen deshalb in der Regel eine nähere Darlegung der möglicherweise enthaltenen Inhalte mit vermögensrechtlichem Bezug nicht möglich ist.
Im vorliegenden Fall besteht über das allgemeine berechtigte Interesse der Erben an der Prüfung der Inhalte auf vermögenswerte Relevanz hinaus ein näher konkretisiertes derartiges Interesse deshalb, weil die Erben mit der Zugangsgewährung auch vermögensrechtliche Abwehrinteressen gegenüber dem U-Bahn Fahrer verfolgen, der sie auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Die Geltendmachung, Ausübung und Verteidigung eigener Rechte ist ein berechtigtes Interesse für die Datenverarbeitung (Assion/Notel/Veil in Gierschmann/ Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 136; Sydow/Reimer, Europäische Datenschutzgrundverordnung, Art. 6 Rn. 55; vgl. für das berechtigte Interesse im Sinne des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG eines Dritten, eine persönliche Information über einen Schädiger zu erlangen, um eine Schadensersatzklage zu erheben EuGH, CR 2017, 504 Rn. 29).
(2.2.1.3) Als berechtigtes Interesse der Klägerin und des Vaters der Erblasserin als Erben sowie Eltern der minderjährigen Verstorbenen ist auch anzuerkennen, dass diese durch den Zugang zu dem Benutzerkonto Aufschluss darüber erhalten möchten, ob die Erblasserin kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind nicht nur zwingen-de rechtliche Interessen, sondern ist auch ein derartiges ideelles Interesse im Rahmen der Abwägung berücksichtigungsfähig.
(2.2.2) Die Datenverarbeitung ist vorliegend erforderlich, weil keine geeigneteren und milderen Mittel möglich sind, um die berechtigten Interessen der Erben zu erfüllen (vgl. Auernhammer/Kramer, DSGVO, BDSG, 5. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 34; Plath/Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 23).
(2.2.3) Die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Kommunikationspartner, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen die berechtigten Interessen der Erben nicht.
(2.2.3.1) Auf Seiten der Kommunikationspartner der Erblasserin ist das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 EUGRCh auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu berücksichtigen. Dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sieht sich die Datenschutz-Grundverordnung verpflichtet (EG 1 und 2) und auch der Gerichtshof der Europäischen Union hebt die Bedeutung des durch Art. 8 EUGRCh gewährleisteten Grundrechts hervor (vgl. EuGH, NJW 2015, 3151 Rn. 38 f und 78 mwN). Darüber hinaus ist das damit im Zusammenhang stehende Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Kommunikation gemäß Art. 7 EUGRCh zugunsten der Kommunikationspartner mit in die Abwägung einzustellen (Heberlein in: Ehmann/Selmayr, EU-DSGVO, Art. 6 Rn. 24; s. auch EuGH, NJW 2015, 3151Rn. 39). Schutzwürdig sind insoweit das Persönlichkeitsrecht im Allgemeinen und die informationelle Selbstbestimmung im Speziellen. Die Schutzbedürftigkeit ist dabei umso höher, je persönlicher die betroffenen Daten sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die von den Kommunikationspartnern verfassten Inhalte der übermittelten Nachrichten und Veröffentlichungen (“Postings”) – wie die Revisionserwiderung geltend macht – auch höchstpersönliche oder sensible Daten, die besonders schutzwürdig sind, enthalten oder hierauf hinweisen könnten.
Als gewichtig sind nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zudem die Belange betroffener Kinder zu berücksichtigen. Dies spiegelt sich auch in deren Erwägungsgrund 38 wieder. Da die Erblasserin im Todeszeitpunkt selbst 15 Jahre alt war, liegt es nahe, dass ihre Kommunikationspartner zumindest teil-weise auch noch Kinder gewesen sind. Dies bedeutet allerdings nicht, dass gegenüber Kindern eine Datenverarbeitung grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist, sondern lediglich, dass ihre Interessen, entsprechend einer vom Alter abhängigen Schutzbedürftigkeit, im Vergleich zu Erwachsenen ein höheres Gewicht haben (Assion/Notel/Veil in Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 144; Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 155; Sydow/Reimer, Europäische Datenschutzgrundverordnung, Art. 6 Rn. 64).
(2.2.3.2) Der Maßstab für die Abwägung folgt aus den in Art. 1 und Art. 5 genannten Grundsätzen und Leitprinzipien der Datenschutz-Grundverordnung unter Berücksichtigung der Wertmaßstäbe der Grundrechtecharta und des übrigen Primärrechts. Dabei sind unter anderem die relevanten Grundrechtsbezüge, die Eingriffsintensität, die Art der verarbeiteten Daten, die Art der Betroffenen, mögliche Aufgaben oder Pflichten und die Zwecke der Datenverarbeitung zu berücksichtigen (Gola DS-GVO/Schulz, Art. 6 Rn. 53). Dabei geht es im Kern um einen Ausgleich zwischen den Privatheitsinteressen des Betroffenen einerseits und den Verwendungsinteressen der Verantwortlichen beziehungs-weise Dritten andererseits im konkreten Einzelfall (Buchner/Petri in Kühling/ Buchner, DS-GVO, BDSG, Art. 6 DS-GVO Rn. 149; Assion/Notel/Veil in Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 140 ff; Schaffland/Holt-haus in Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Art. 6 DS-GVO Rn. 126 ff [Stand Oktober 2017]). Es sind Art, Inhalt und Aussagekraft der betroffenen Daten an dem mit der Datenverarbeitung verfolgten Zweck zu messen und gegenüberzustellen (Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 149; zu § 32 BDSG a.F.: Senatsurteil vom 15. Dezember 1983 – III ZR 207/82, NJW 1984, 1889, 1890). Teilweise wird hierbei auch mit demselben Ergebnis auf die zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelten Kriterien wie Anlasslosigkeit, Streubreite und Einschüchterungswirkung zurückgegriffen (Sydow/Reimer, Europäische Datenschutzgrundverordnung, Art. 6 Rn. 61; s. auch BVerfG, NVwZ 2007, 688, 691).
Die Erwägungsgründe zur Güterabwägung nach der Datenschutz-Grundverordnung präzisieren insoweit die Abwägung (Auernhammer/Kramer, DSGVO, BDSG, 5. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 37). Bedeutung hat hierbei insbesondere Erwägungsgrund 47 Satz 1 der Datenschutz-Grundverordnung, der als wichtigen Gesichtspunkt der Interessenabwägung “die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen” nennt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob die “betroffene Person zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftigerweise absehen kann, dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird” (EG 47 Satz 3). Maßgebend ist ein objektivierter Maßstab, das heißt, welche Erwartungen ein vernünftiger Dritter in der Person des Betroffenen hätte (Auernhammer/Kramer, DSGVO, BDSG, 5. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 37; Plath/Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 23).
(2.2.3.3.) Eine nach diesen Grundsätzen durchgeführte Interessenabwägung führt dazu, dass die Interessen der Kommunikationspartner die berechtigten Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin nicht überwiegen.
Zu berücksichtigen ist dabei zunächst, dass die relevanten Daten von den Kommunikationspartnern freiwillig und bewusst an die Beklagte übermittelt wurden, um sie für ein bestimmtes Benutzerkonto zur Verfügung zu stellen. Inhalt und Umfang der preisgegebenen persönlichkeitsrelevanten Daten sowie den zur Kenntnisnahme befugten Personenkreis kann der Nutzer selbst bestimmen. Es handelt sich also nicht um von der Beklagten erhobene, sondern um von den Kommunikationspartnern im Rahmen des bestehenden Vertrags (EG 47 Satz 2) freiwillig und selbstbestimmt sowie inhaltlich kontrollierbar übersandte Daten (vgl. Gola DS-GVO/Schulz, Art. 6 Rn. 53). Der Nutzer forciert bei der Kontaktaufnahme durch persönliche Nachrichten oder das Teilen von Inhalten den Außenkontakt und lehnt ihn nicht grundsätzlich zur Wahrung der Vertraulichkeit ab (vgl. Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 150).
Der Absender weiß und will, dass die Beklagte die Inhalte vertragsgemäß an das Empfängerkonto übermittelt und für dieses bereitstellt. Dabei ist dem Nutzer zugleich ebenso – oder noch viel mehr – wie dem Absender eines Briefs bewusst, dass er nach dem Versenden einer Nachricht nicht mehr kontrollieren kann, wer nach der Übermittlung und Bereitstellung durch die Beklagte letztlich von deren Inhalt Kenntnis nimmt, und dass er grundsätzlich keine Möglichkeit hat, die übermittelte Nachricht beziehungsweise den Inhalt zurückzufordern. Er begibt sich insoweit der Verfügungsbefugnis über die Nachrichten (vgl. hierzu oben 2 a cc 2.3; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn. 68; Bock, AcP 217, 370, 408; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechts-praxis, § 4 Rn. 84; Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 145; Pruns, NWB 2014, 2175, 2182 f). Dies gilt für erwachsene Nutzer gleichermaßen wie für minder-jährige. Denn auch und gerade Minderjährige, die bereits selbständig F nutzen und ein eigenes Benutzerkonto besitzen, kennen bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise die vielfältigen Möglichkeiten, eine an ein bestimmtes Benutzerkonto gesandte Nachricht auch Dritten zugänglich zu machen.
Die Kommunikationspartner der Erblasserin konnten darüber hinaus vernünftigerweise absehen, dass die Datenverarbeitung durch Bereitstellung der Nachrichten und Inhalte für das Empfängerkonto auch nach dem Tod der ursprünglichen Kontoberechtigten fortgesetzt würde und die Erben Kenntnis von diesen Daten erlangen könnten (EG 47 Satz 3). Denn der Absender einer Nachricht oder eines sonstigen Inhalts muss damit rechnen, dass der Kontoberechtigte versterben könnte, Dritte das Benutzerkonto erben und in das Vertragsverhältnis eintreten und damit als neue Kontoberechtigte Zugang auf die Kontoinhalte haben.
In die Interessenabwägung einzustellen ist weiter der eng begrenzte Zweck der vorliegenden Datenverarbeitung. Es geht hier ausschließlich um die Übermittlung und Bereitstellung von personenbezogenen Daten und Inhalten für ein konkretes, vom Absender selbst ausgewähltes Benutzerkonto im Rahmen des zwischen den Kommunikationspartnern und der Beklagten bestehenden Vertragsverhältnisses (s. EG 47 Satz 2; vgl. auch Auernhammer/Kramer, DSGVO, BDSG, 5. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 38) allein zum Zweck der Kenntnisnahme der bereits vorhandenen Inhalte durch die Mitglieder der Erbengemeinschaft. Demgegenüber erfolgt die Verarbeitung nicht zu weitergehenden Zwecken, etwa für Werbezwecke oder zur Erstellung eines Persönlichkeitsprofils durch die Beklagte (Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 152 f). Damit sind zugleich die durch die konkrete Art der Datenverarbeitung entstehenden Risiken begrenzt (vgl. zum risikobasierten Ansatz der DSGVO: Gola DS-GVO/Schulz, Art. 6 Rn. 53). Denn die Daten werden durch die Bereitstellung für das Benutzerkonto nicht einem größeren, unbeherrschbaren Personenkreis oder völlig unbeteiligten Dritten bekannt, sondern nur dem von vornherein eng begrenzten Personenkreis, nämlich der aus zwei Personen bestehenden Erbengemeinschaft, die zudem nächste Angehörige der verstorbenen Nutzerin sind.
Vor diesem Hintergrund kommt den Interessen der Kommunikationspartner im Verhältnis zu denen der Erben keine überwiegende Bedeutung zu, unabhängig davon, ob diese minderjährig sind oder nicht und ob teilweise auch sensible Inhalte enthalten sind. Die oben dargelegten berechtigten Interessen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin als Erben und nahe Angehörige sind von deutlich höherem Gewicht. Die Interessen der Kommunikationspartner rechtfertigen es nicht, das gesetzliche Erbrecht der Erben teilweise auszuhöhlen. Gestützt wird dieses Ergebnis hier durch die besondere persönliche Interessenlage der Erben, die zugleich nächste Angehörige sind und ein sowohl ideelles als auch vermögenswertes Interesse an der Aufklärung der Umstände des Todes ihrer Tochter haben.
(3) Die Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und f DS-GVO begründen jeweils eigenständig die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Zugangsgewährung für die Klägerin. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist entbehrlich. Die richtige Anwendung des Europarechts ist jedenfalls im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO der-art offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. Senat, Urteil vom 17. April 2014 – III ZR 87/13, BGHZ 201, 11 Rn. 29; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – III ZR 117/17, BeckRS 2017, 136439 Rn. 7). Fragen der Auslegung dieser Vorschrift, die eine Vorlage erforderlich machen könnten, stellen sich nicht mehr. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG steht fest, dass eine von den Umständen der konkreten Konstellation abhängige Einzelfallabwägung zu erfolgen hat (EuGH, NJW 2016, 3579 Rn. 62, acte éclairé), die auf Grundlage der vorliegenden Umstände zugunsten der Erben ausfällt.
e) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in der Revisionserwiderung auch auf einen Ausschluss des Zugangs wegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kommunikationspartner der Erblasserin. Dieses steht dem Anspruch der Klägerin ebenso wenig entgegen wie das Fernmeldegeheimnis oder Datenschutzrecht. Die Gründe, die zur Verneinung einer Verletzung des Fernmeldegeheimnisses oder datenschutzrechtlicher Vorschriften führen, gelten auch insoweit.
3. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat die Berufung der Beklagten selbst zurückweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 17.12.2015 – 20 O 172/15 –
KG Berlin, Entscheidung vom 31.05.2017 – 21 U 9/16 –