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Wunsch der Anwendung der Regeln eines beidseitigem Testament in einem Einzeltestament ist unzulässig – OLG Hamm, Beschluss vom 22.07.2014 – Az. 15 W 98/14

Leitsätzliches:

Der Begriff "Berliner Testament" ist nicht geeignet, um eindeutige Erbfolge zu bestimmen.

Az. 15 W 98_14 - DueLog

NRW

Oberlandesgericht Hamm

Datum: 22.07.2014

Gericht: OLG Hamm

Spruchkörper: 15 W

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 15 W 98/14

Gründe:

I.
Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 1) in zweiter Ehe verheiratet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Kinder aus erster Ehe, die geschieden worden ist.
Am 28.08.2012 errichtete der Erblasser ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgenden Wortlaut hat:
"Mein Testament
Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem "Berliner Testament" erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel."
Die Beteiligte zu 1) meint, ihr verstorbener Ehemann habe sie damit zur Alleinerbin bestimmt. Sie hat daher beantragt, ihr zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs einen Erbschein auszustellen, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Nachlass bestehe im Wesentlichen aus dem bebauten Grundstück in N, das dem Erblasser allein gehört habe.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten. Sie vertreten die Auffassung, das Testament enthalte keinen hinsichtlich der Erbfolge auslegungsfähigen Inhalt, und haben einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, nach dem sie aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je 1/4 Anteil und die Beteiligte zu 1) zu 1/2 Anteil Erben des Erblassers seien.
Mit Beschluss vom 09.01.2014 hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 16.01.2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 12.02.2014 bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das Nachlassgericht durch Beschluss vom 20.02.2014 nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist nach § 58 FamFG statthaft und in der rechten Form und Frist eingelegt, §§ 63, 64 FamFG. Die Beteiligte zu 1) ist nach § 59 FamFG beschwerdebefugt. Der Beschwerdewert ist erreicht, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt, § 61 Abs. 1 FamFG.
In der Sache ist die Beschwerde unbegründet, weil das Amtsgericht zutreffend den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen hat. Denn das vom Erblasser hinterlassene Testament enthält weder ausdrücklich eine Berufung der Beteiligten zu 1) als Alleinerbin noch kann diese der letztwilligen Verfügung im Wege der Auslegung entnommen werden.
Bei der Auslegung eines jeden Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB), selbst in den - seltenen - Fällen "klaren und eindeutigen" Wortlauts ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt. Dabei darf sich der Richter nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu "hinterfragen". Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen, die der Erklärende seiner Willenserklärung "wirklich" beilegen wollte (BGH NJW 1993, 256; Senat in ständiger Rechtsprechung, z.B. FamRZ 2012, 1091). Demgemäß hat der BGH wiederholt ausgesprochen, dass der Richter auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden ist, wenn der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 86, 41).
Der Erblasserwille ist als sogenannte innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich und geht, wenn er feststeht und formgerecht erklärt ist, jeder anderen Interpretation vor (BGHZ 86, 41). Kann der Richter sich aber trotz Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, dann muss er sich - wiederum unter Auswertung von Wortlaut und allen Umständen - notfalls mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht. Von diesem durch Wortlaut und Umständen nahegelegten Verständnis darf er nur dann abgehen, wenn weitere Umstände mit mindestens annähernd gleich großem Gewicht für ein Verständnis in einem anderen Sinne dargetan und bewiesen sind (vgl. zu allem BGH NJW 1993, 256; Senat ZErb 2014, 167).
Vorliegend lässt sich nicht feststellen, was der Erblasser mit den von ihm gewählten Worten sagen wollte. Nach dem Wortlaut seines Testaments - "Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem "Berliner Testament" erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel" - hat der Erblasser nur einen Wunsch ausgedrückt, nämlich den, dass sich die Erbfolge nach dem Berliner Testament richten und auch eine Wiederverheiratungsklausel gelten soll. Was er unter einem "Berliner Testament" verstand, erschließt sich aus diesem Text nicht, insbesondere kann ihm nicht entnommen werden, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1) zu seiner Alleinerbin einsetzen wollte. Da er offensichtlich nicht wusste, dass ein "Berliner Testament" nicht als Einzeltestament errichtet werden kann, sondern nur als gemeinschaftliches Testament, das abzuschließen Eheleuten nach § 2269 BGB vorbehalten ist, kann nicht festgestellt werden, welche Vorstellungen er inhaltlich mit einem "Berliner Testament" verband, zumal er nicht andeutungsweise im Testament geschrieben hat, wer ihn beerben sollte, geschweige denn, ob als Alleinerbe, Vorerbe, Miterbe, Schlusserbe oder Nacherbe, und was geschehen soll, wenn der Fall der Wiedeverheiratung eintritt. Nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) soll er u.a. gegenüber der als Zeugin benannten Frau T gesagt haben, "alles im Sinn seiner Ehefrau und künftigen Witwe geregelt zu haben". Auch diese Aussage, deren Richtigkeit unterstellt werden kann, bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass dem Erblasser klar war, dass ein Berliner Testament den Inhalt hat, dass sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Erblasser den juristischen Begriff "Wiederverheiratungsklausel" verwandt hat. Denn auch insoweit ist nicht klar, was der Erblasser hierunter verstanden hat, zumal er nur den Begriff benutzt hat, ohne auch nur andeutungsweise zu bestimmen, welchen Inhalt die Klausel haben soll.
Da ein Wille des Erblassers, seine Ehefrau als Alleinerbin einzusetzen, in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist und auch sonst nicht festgestellt werden kann, welchen Inhalt ein "Berliner Testament" und eine Wiederverheiratungsklausel nach seiner Vorstellung hat, kann dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) nicht stattgegeben werden.
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 84 FamFG. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, von dem gesetzlichen Regelfall der Erstattungspflicht des unterlegenen Rechtsmittelführers abzusehen.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61, 40 Abs. 1 GNotKG. Für den gemäß § 40 Abs. 1 GNotKG zu bestimmenden Geschäftswert der Beschwerde ist die Bedeutung des Rechtsmittels für die Beschwerdeführerin maßgebend. Diese erstrebt eine alleinige Erbenstellung. Da sie nach der gesetzlichen Regelung Miterbin zu 1/2 Anteil ist, beträgt der Wert der Beschwerde 1/2 des Nachlasswertes. Auf der Grundlage der Angaben der Beteiligten zu dem zu berücksichtigenden Immobilienwert schätzt der Senat den Wert ihres Interesses auf 100.000 €.
Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.