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Anspruch auf Heilung der Formunwirksamkeit eines Erbverzichts, wenn das zugrundeliegende Kausalgeschäft unwirksam ist. – OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2013 – Az. I-7 U 153/12

Leitsätzliches:

1. Bei der Annahme eines Erbverzichts kann sich weder der Annehmende noch der Erklärende vertreten lassen!
2. Wenn das Verpflichtungsgeschäft (Kausalgeschäft) wirksam ist, kann die Erfüllung verlangt werden auch wenn die Erfüllung in einer Verzichtserklärung liegt.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Datum: 20.12.2013

Gericht: OLG Düsseldorf

Spruchkörper: I-7 U

Entscheidungsart: Urteil

Aktenzeichen: I-7 U 153/12

Gründe:

I.
Die Parteien -die Beklagte persönlich und der Kläger vertreten durch Frau A B- schlossen am 12.09.1989 einen notariell beurkundeten Übertragungs- und Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag, wonach der Kläger das Hausgrundstück F-K-Str. in M-S im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Beklagte übertrug und die Beklagte auf jegliche Erbansprüche, Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzungsansprüche und jegliche Unterhaltsansprüche verzichtete. Im Jahre 1990 veräußerte der Kläger im Einvernehmen mit der Beklagten das Hausgrundstück an einen Dritten; den Kaufpreis von 300.000,- DM erhielt die Beklagte.
Anlässlich einer Urkundenanforderung durch die Beklagte stellte der den Vertrag beurkundende Notar im Juli 2011 fest, dass der Erb-/Pflichtteilsverzicht formunwirksam ist, weil der Erblasser ihn nicht -wie nach § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich- persönlich geschlossen hatte.
Dies teilte der Notar der Beklagten mit und regte die Heilung des Formmangels durch eine neue Beurkundung an. Die Beklagte antwortete, dass sie ein erneutes -den heutigen Vermögensverhältnissen angepasstes- Angebot ihres Vaters erwarte, wenn er sie aus der gesetzlichen Erbfolge erneut entfernen und einen vorzeitigen Erbausgleich wolle.
Der Kläger meint, die Beklagte habe in der notariellen Urkunde zugleich die schuldrechtliche Verpflichtung, einen Erb-/Pflichtteilsverzicht zu erklären, übernommen und nimmt die Beklagte daraus auf Abgabe einer formwirksamen Verzichtserklärung in Anspruch.
Das Landgericht, auf dessen Urteil -auch wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge- gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, gegenüber dem Kläger in notarieller Form zu erklären, dass sie ausdrücklich auf jegliche Erbansprüche, Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzungsansprüche und Ansprüche ähnlicher Art, die sich im Falle des Todes des Klägers aufgrund der gesetzlichen Stellung als Kind des Klägers ergeben würden, verzichtet. Zur Begründung hat das Erstgericht ausgeführt, dass dem dinglichen Verfügungsgeschäft ein schuldrechtliches Kausalgeschäft, gerichtet auf Vornahme des dinglichen Erbverzichts, zugrundeliege. Die Parteien hätten nicht nur den dinglichen Erbverzicht, sondern auch den schuldrechtlichen Erbverzichtsvertrag schließen wollen; letztgenannter bedürfe nur der (hier eingehaltenen) Form des § 2348 BGB und nicht derjenigen des § 2347 Abs. 2 BGB. Aufgrund dessen sei die Beklagte zur Vornahme des dinglichen Erbverzichts verpflichtet.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage. Sie erhebt die Verjährungseinrede; gemäß § 196 BGB verjährten Ansprüche auf die Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück in 10 Jahren. Ein erbrechtlicher Anspruch liege nicht vor. Die Anspruchsgrundlage sei der am 12.09.1989 geschlossene Vertrag und keine Norm aus dem 5. Buch des BGB.
Desweiteren vertritt die Beklagte auch in zweiter Instanz die Auffassung, dass die Unwirksamkeit des abstrakten erbrechtlichen Verfügungsgeschäfts gemäß § 139 BGB zugleich die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts bewirke.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 10.05.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Erklärung gegenüber dem persönlich anwesenden Kläger abzugeben ist.
Der Kläger verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene Urteil des Landgerichts und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Für eine Anwendung des § 139 BGB sei kein Raum. Gerade auch die nach Abschluss des Vertrages vom 12.09.1989 getroffene Vereinbarung, dass die Beklagte den Verkaufserlös statt des Hausgrundstücks erhalten sollte, zeige, dass die Parteien keinen sog. Einheitswillen in Bezug auf das Kausalgeschäft und das Erfüllungsgeschäft gehabt hätten. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch. Die Verjährung beginne erst mit dem 22.07.2011, als der Beklagten durch Schreiben des Notars Dr. M der Formfehler mitgeteilt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, aus dem dem (formunwirksamen) Erbverzicht zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäft einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine formwirksame Erklärung des Erbverzichts (BGHZ 37, 319; Schotten in Staudinger BGB-Neubearbeitung 2010, § 2346 Rn 115 ff; Wegerhoff in Münch-Komm. zum BGB, 6. A., § 2346 Rn 22 f).
Das zwischen den Parteien geschlossene Kausalgeschäft war insgesamt wirksam; nach allgemeiner Auffassung (Palandt-Weidlich, BGB, 73. A., § 2347, Rn 2 m. w. Nachw.) gilt der Grundsatz, dass der Erblasser persönlich handeln muss, nur für das Verfügungsgeschäft, nicht aber für das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Bei Abschluss des Kausalgeschäfts ist daher hinsichtlich der Verpflichtung zur Mitwirkung beim erbrechtlichen Verfügungsgeschäft Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht eine Stellvertretung des Erblassers nach den allgemeinen Vorschriften in gleicher Weise wie für den Verzichtenden zulässig. Erklärt der Stellvertreter des Erblassers zugleich den Pflichtteilsverzicht, berührt dessen Unwirksamkeit die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts nicht (Weidlich, Anm. zum Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.06.2011 -3 Wx 56/11-, ZEV 2011, 529 ff). Mit Rücksicht auf das Abstraktionsprinzip hat die Nichtigkeit eines Vollzugsgeschäfts grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts (Schotten, RNotZ 2012, 94 f).
Ebenso kann aufgrund des Abstraktionsprinzips die Annahme eines Bedingungszusammenhangs bzw. einer Rechtseinheit im Sinne des § 139 BGB nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Einheitswillen der Vertragspartner vorliegen. Es genügen weder ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang noch ein äußerer Zusammenhang durch die Aufnahme beider Rechtsgeschäfte in einer Urkunde oder ein Sicherungsbedürfnis des Verzichtenden, insbesondere zur Sicherung des Erhalts der Abfindungsleistung (Weidlich, a.a.O.; Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2347 Rn 2; Keller, ZEV 2005, 229; Roth in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2010, § 139 Rn 54, 57; a.A. offenbar OLG Düsseldorf, 3. ZS., ZEV 2011, 529). Teilweise (Schotten in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2010, § 2346 Rn 151; Damrau-Kurze, Erbrecht, 2.A., § 2346 Rn 10) wird eine Verbindung des abstrakten Verfügungsgeschäfts mit dem Kausalgeschäft zu einer vertraglichen Einheit mit der Folge des § 139 BGB für grundsätzlich nicht möglich erachtet.
Im vorliegenden Fall könnte man allenfalls darüber nachdenken, ob eine Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts auch den dinglichen Erbverzicht (wenn er denn formwirksam erklärt worden wäre) erfassen sollte, nicht jedoch umgekehrt. Gerade auch die vom Landgericht herangezogene Regelung in § 12 des notariellen Vertrages vom 12.09.1989, wonach bei Unwirksamkeit einer Bestimmung die anderen Bestimmungen des Vertrages dennoch Gültigkeit haben sollten, zeigt, dass kein Einheitswille bei den Vertragsschließenden vorhanden gewesen ist. Das Kausalgeschäft, aus dem der Kläger Ansprüche herleitet, ist somit wirksam und wird nicht von der Unwirksamkeit des dinglichen Erbverzichts erfasst, so dass hier die ohnehin nur ausnahmsweise anzunehmende Rechtseinheit zwischen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft zu verneinen ist.
Die Beklagte ist nicht berechtigt, nach § 214 Abs. 1 BGB die Leistung zu verweigern, weil der Anspruch des Klägers nicht verjährt ist.
Die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz ist hier zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, weil die den Verjährungseintritt begründenden Tatsachen unstreitig sind (Zöller-Heßler, ZPO, 29. A., § 531 Rn 20). Die Einrede greift jedoch nicht durch.
Der Anspruch des Klägers wäre verjährt, wenn es sich weder um einen erbrechtlichen Anspruch im Sinne von § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung noch um einen Anspruch auf die Gegenleistung für die Übertragung eines Rechts an einem Grundstück im Sinne des seit dem 01.01.2002 geltenden § 196 BGB handelte.
Für den erbrechtlichen Anspruch nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. galt eine dreißigjährige Verjährungsfrist, die am 01.01.2010 bei Inkrafttreten des ErbVerjRÄndG (vom 24.09.2009) noch nicht abgelaufen war, so dass es sich um einen am 01.01.2010 noch nicht verjährten Anspruch handeln würde, für den die nach neuem Recht geltende 3-Jahres-Frist gemäß Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EGBGB ab dem 01.01.2010 zu laufen begonnen hätte, die durch die auf den 13.12.2011 rückwirkende Klageerhebung rechtzeitig gehemmt worden wäre.
Bei dem hier geltend gemachten Anspruch handelt es sich um keinen erbrechtlichen Anspruch.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2007, 2174) sind mit "erbrechtlichen Ansprüchen" alle Ansprüche gemeint, die sich "aus" dem mit "Erbrecht" überschriebenen Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben, wobei auf die rein formale Zugehörigkeit abgestellt wird (Peters/Jacoby in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2009, § 197 Rn 21).
Im vorliegenden Fall wird ein -nicht im 5. (und auch keinem sonstigen) Buch des BGB geregelter- Anspruch aus dem Kausalgeschäft zum Erbverzicht geltend gemacht. Hierbei handelt es sich nicht um ein Schuldverhältnis aus Erbrecht. Erbrechtlich geprägt ist lediglich ein Gegenstand des Vertrages, so wie es z.B. auch beim Erbschaftskauf der Fall ist. Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht ist im Gegensatz zum abstrakten Erbverzicht rein schuldrechtlicher Natur (Schotten in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2010, Einleitung zu §§ 2346-2352, Rn 39). Das dem Übertragungs- und Erb-/Pflichtteils- sowie Unterhaltsverzichtsvertrag der Parteien vom 12.09.1989 vorgelagerte Grundgeschäft ist damit ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320-326 BGB, mit dem sich der Erblasser zur Übertragung des Grundstücks und die Gegenseite zum Abschluss des Verzichtsvertrages verpflichtet hat (vgl. Schotten in Staudinger, a.a.O., § 2346 Rn 122; Hau in [...]PK BGB, 6. A., § 2346 Rn 27; Wegerhoff in Münch.-Komm. zum BGB, 6. A., § 2346 Rn 22; Keller, ZEV 2005, 229; OLG Celle, ZEV 2008, 485).
Dass es sich bei den Ansprüchen der Beklagten aus diesem Vertrag nicht um erbrechtliche, sondern rein schuldrechtliche Ansprüche handelt, dürfte zweifelsfrei sein (vgl. OLG Celle, ZEV 2008, 485; Hau in [...]PK BGB, a.a.O.). Dies hat dann aber auch für den Anspruch des (künftigen) Erblassers auf die Gegenleistung, die auf Abgabe von Willenserklärungen gerichtet ist, zu gelten, selbst wenn eine dieser Willenserklärungen ihre Grundlage im Erbrecht hat.
Im vorliegenden Fall geht es nicht um nach dem Tod einer Person entstandene Ansprüche, sondern um vertragliche Ansprüche unter Lebenden im Hinblick auf ein Erbrecht und nicht "aus" einem Erbrecht.
Handelt es sich mithin um keinen erbrechtlichen, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch, so unterliegt dieser aber der 10jährigen Verjährung nach § 196 BGB, weil er -wie oben ausgeführt- die Gegenleistung für die Übertragung des Rechts an einem Grundstück darstellt. Auch wenn der Erb-, Pflichtteils- und Unterhaltsverzicht der Beklagten in dem notariellen Vertrag vom 12.09.1989 nicht ausdrücklich als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks in M/S bezeichnet worden ist, ergibt sich dies aus dem Gesamtzusammenhang. Die Beklagte, die schon damals ein gespanntes Verhältnis zum Kläger hatte, hätte das Grundstück nicht übertragen bekommen, wenn sie nicht verzichtet hätte. Entgegen ihrer im Schriftsatz vom 04.12.2013 geäußerten Ansicht stand die Grundstücksübertragung nicht nur in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zum Unterhaltsverzicht. Etwaige Unterhaltsansprüche, auf die die Beklagte für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verzichtet hat, werden an letzter Stelle genannt, so dass der an erster Stelle genannte Verzicht auf Erb- und Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche dahinter jedenfalls nicht völlig zurücktritt.
Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung.
Der Anspruch des Klägers ist am 01.01.2002 noch nicht verjährt gewesen, weil für ihn die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung vom 01.01.1964 gegolten hat. Da die Verjährungsfrist nach dem BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung ( § 196 BGB n.F.) kürzer ist als nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, wird gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB die kürzere Frist von dem 01.01.2002 an berechnet. Sie lief am 01.01.2012 ab und wurde durch die am 13.12.2011 erhobene und am 24.01.2012 zugestellte Klage gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Da die Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgte -der Kläger hat den unter dem 28.12.2011 in Rechnung gestellten Gerichtskostenvorschuss am 11.01.2012 gezahlt-, wirkt sie auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage zurück.
Damit ist der vom Kläger hier geltend gemachte Anspruch auf Abgabe einer auf einen formgültigen Erbverzicht gerichteten Willenserklärung als Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an dem Hausgrundstück in M-S nicht verjährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 711 ZPO.
Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, weil der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 21.06.2011 (ZEV 2011, 529) die Auffassung vertreten hat, die Nichtigkeit eines unter Verstoß gegen § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB erklärten Erbverzichts könne nach § 139 BGB die Nichtigkeit auch des schuldrechtlichen Grundgeschäfts zur Folge haben.
Streitwert II. Instanz: 1.000.000,- €