Leitsätzliches:
Oberlandesgericht München
Datum: 25.01.2006
Gericht: OLG München
Spruchkörper: 15 U
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 15 U 4751/04
Gründe:
I.
Der Kläger ist der nicht- bzw. voreheliche Sohn des Beklagten.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines zwischen ihm und seinem Vater am 17.04.1980 vor dem Notar ... abgeschlossenen Erbverzichts- und Abfindungsvertrags, ... Anlage B 1, worauf Bezug genommen wird.
Die gemeinsame Mutter des Klägers und seiner Zwillingsschwester, der Zeugin ..., war im Jahre 1960 mit dem Beklagten befreundet. Der Beklagte ist der Vater der Zwillinge. Bis etwa zum 17. Lebensjahr des Klägers bestand kein persönlicher Kontakt zwischen den Parteien. Der Beklagte zahlte an die Mutter des Klägers Kindesunterhalt in Höhe von zuletzt DM 270,-- monatlich. Im Jahre 1978 kam es erstmals zu persönlichen Kontakten zwischen dem Beklagten und dem damals 17-jährigen Kläger und seiner Zwillingsschwester, der Zeugin ....
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Ehefrau des Beklagten keine Kenntnis von der Existenz der vorehelichen Kinder des Beklagten.
Mit Rücksicht auf diese Situation war der Beklagte nunmehr bemüht, eine erbrechtliche Regelung hinsichtlich seiner vorehelichen Kinder herbeizuführen. Der Beklagte besprach sich mit seinem Rechtsanwalt, dem Zeugen .... In dieser Besprechung wurde in Anlehnung an § 1934d BGB anhand der Unterhaltszahlungen ein Abfindungsbetrag errechnet, der den Zwillingskindern als Abfindung vorzuschlagen sei.
Hierauf schlug der Beklagte seinen Zwillingskindern vor, die Sache mit seinem Rechtsanwalt, dem Zeugen ..., zu besprechen, was diese befolgten. An dieser Besprechung nahm der Beklagte nicht teil. Der Inhalt dieser Besprechung zwischen den Zwillingskindern und Rechtsanwalt ... ist streitig.
Am 17.04.1980 wurde zwischen den Zwillingskindern und dem Beklagten je ein notarieller Erbverzichts- und Abfindungsvertrag gegen Abfindung von DM 19.500,- abgeschlossen und notariell beurkundet. Der am 05.02.1961 geborene Kläger war zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt.
Der Kläger behauptet im Wesentlichen, der mit ihm abgeschlossene Vertrag sei seinerzeit nicht vollständig verlesen worden und daher formnichtig. Außerdem sei der Vertrag angesichts der Umstände sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig.
Der Kläger hat beantragt, zu erkennen:
Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 17.04.1980 vor dem Notar ... geschlossene Erbverzichts- und Abfindungsvertrag nichtig ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die notarielle Urkunde sei seinerzeit vollständig vorgelesen worden. In der vor dem Notartermin stattgefundenen Besprechung zwischen den Zwillingskindern und Rechtsanwalt ... sei die Rechtslage umfassend erörtert und seien die Zwillingskinder ausführlich über die rechtlichen Konsequenzen belehrt worden.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vertrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Rechtsanwalt ... (Bl. 127 d. A.) und der Zeugin ... (Bl. 134 d. A.), sowie die Parteien in der Sitzung vom 16.12.2003 persönlich angehört (Bl. 101, 102 d. A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Vertrag vom 17.04.1980 sei nicht formnichtig, da die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich habe, und diese Vermutung nach offen gebliebenem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht widerlegt sei. Eine Sittenwidrigkeit liege nicht vor, da im Rahmen der Testierfreiheit dem Beklagten ein freies Gestaltungsrecht für die Höhe der Abfindung zugestanden habe.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt, die er hinsichtlich der behaupteten Formnichtigkeit des Vertrags auf eine fehlerhafte Beweiswürdigung und hinsichtlich § 138 BGB auf eine unzutreffende Würdigung der Gesamtumstände stützt. Das Erstgericht habe insbesondere bei der Prüfung des § 138 BGB übersehen, dass sich die Sittenwidrigkeit auch aus der Gesamtheit der Umstände des Rechtsgeschäfts ergeben könne, was hier zutreffe. Wegen der Einzelheiten der behaupteten Umstandssittenwidrigkeit wird auf die Berufungsbegründung vom 07.11.2005 Bezug genommen (Bl. 220 ff. d. A.).
Der Kläger hat beantragt , zu erkennen:
Unter Abänderung des am 19.08.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts München II - Az.: 9 Q 2826/03 - wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 17.04.1980 vor dem Notar ... geschlossene Erbverzichts- und Abfindungsvertrag nichtig ist.
Der Beklagte hat Zurückweisung der Berufung beantragt.
Der notarielle Vertrag sei formgemäß abgeschlossen worden, Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung habe das Landgericht nicht begangen.
Es liege auch keine sog. Umstandssittenwidrigkeit vor, da der Kläger vor und bei der notariellen Verbriefung ausreichend rechtlich aufgeklärt worden sei. So habe es zur Vorbereitung des notariellen Termins ein persönliches Gespräch zwischen der Zeugin .., zugleich handelnd für ihren Bruder, und Rechtsanwalt ... und danach noch ein weiteres Gespräch unter Beteiligung der Zwillinge mit Rechtsanwalt ... gegeben, wo "mehrere wichtige Punkte" erörtert worden seien (Bl. 239 d. A.) und den Zwillingen geraten worden sei, sich das weitere Vorgehen in Ruhe zu überlegen. Auch sei vor dem notariellen Termin dem Kläger und seiner Schwester ein Entwurf zugeleitet worden. Auch sei der Notar verpflichtet gewesen, über sämtliche Risiken aufzuklären.
Auch die Höhe der Abfindung sei nicht zu beanstanden. Nachdem der Erbverzicht keine Abfindung vorsehe, habe der Kläger mit Rechtsanwalt ... nach einer Bemessungsgrundlage gesucht, die im Gesetz selbst vorkomme, weshalb man das Zahlenwerk auf § 1934d BGB gestützt habe. Da der Beklagte monatlich DM 270,-- an den Kläger seinerzeit bezahlt habe, habe man den sich aus § 1934d BGB ergebenden Betrag als solchen genommen. Der Beklagte habe dabei in Erinnerung, dass er nach der vom Zeugen ... vorgenommenen Berechnung diese Summe freiwillig auf DM 19.500,-- erhöht habe (Bl. 241, 247 d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 15.02.2005 (Bl. 194/19 7 d. A.), 26.10.2005 (Bl. 213/21 5 d. A.) und vom 15.12.2005 sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 234 ff., 245 ff. d. A.).
II.
1. Die Berufung ist zulässig. Der Kläger hat nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt und zugleich die Berufung eingelegt und sie begründet.
2. Die Berufung ist auch begründet, da der notarielle Erbverzichts- und Abfindungsvertrag vom 17.04.1980 (UR-Nr. ...) gemäß § 138 I BGB nichtig war und ist.
Der Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts auch aus einer Gesamtwürdigung ergeben kann, nämlich wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGHZ 86, 82 , 88; 107, 92, 97; BGH NJW 2001, 1127 ; Palandt-Heinrichs, 65. Aufl., § 138, Rn. 8). Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt (BGH NJW 2001, 1127 ) bzw. diese Umstände über § 166 I BGB dem Handelnden zuzurechnen sind. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Im Einzelnen:
a) Auszugehen ist zunächst davon, dass die Parteien am 17.04.1980 nicht etwa einen Vertrag über einen vorzeitigen Erbausgleich gemäß dem damals noch gültigen § 1934d BGB vereinbart haben, sondern einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag gemäß § 2346 BGB bezogen auf den Erbersatzanspruch des Klägers gemäß § 1934a BGB. Der Vertrag gemäß § 2346 BGB erfasste den damals noch gültigen Erbersatzanspruch gemäß § 1934a BGB, Palandt-Keidel, 39. Aufl., § 2346, 1. Dieser Ansatz ist nach Ansicht des Senats für die weitere Beurteilung erheblich, da der Beklagte die für § 1934d BGB maßgebliche Berechnung als solche gemäß § 1934a BGB ausgegeben hat bzw. über Rechtsanwalt ausgeben ließ:
Der Beklagte hat in der Berufungserwiderung und in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass die Berechnung des Abfindungsbetrages in Anlehnung an § 1934d BGB erfolgt sei (Bl. 241, 247 d.A.). Wäre nun am 17.04.1980 ein vorzeitiger Erbausgleich gemäß § 1934d BGB vereinbart worden, so hätte dieser damals nicht über § 1934e BGB vermocht, künftige Erb- und Pflichtteilsansprüche des Klägers auszuschließen, da der Kläger damals nur 19 Jahre alt war, während ein Anspruch des Klägers aus § 1934d BGB erst ab dem 21. Lebensjahr bestanden hat. Ein vorzeitiger Erbausgleich nach § 1934d BGB konnte nur dann die Rechtsfolgen des § 1934e BGB auslösen, wenn beim Entstehen des Anspruchs aus vorzeitigem Erbausgleich auch ein Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich bestand, BGB-RGRK-Kregel, 12. Aufl., § 1934e, Rn. 3. Dem Beklagten aber war es darum gegangen, nunmehr, nachdem die Existenz vorehelicher Kinder in der Familie des Beklagten bekannt wurde, erbrechtlich klare Verhältnisse zu schaffen, weshalb er zwecks erbrechtlicher Auseinandersetzung Rechtsanwalt ... einschaltete und diesen beauftragte, einen entsprechenden Vertragsentwurf zu erstellen (Aussage des Zeugen ..., Bl. 127, 128 d. A.). Der Weg, nach § 1934d BGB zu verfahren, war also juristisch angesichts des Alters des Klägers und seiner Schwester nicht gangbar.
Der Beklagte hat auch klargestellt, dass er sich in der Möglichkeit des Vorgehens entweder nach § 1934d BGB oder §§ 2346, 1934a BGB auch keineswegs vertan habe. Die Vorschriften in § 1934a und § 1934d BGB seien damals nicht verwechselt worden (Bl. 247 d. A.).
Der nun konkret gewählte Weg des Erbverzichtsvertrags gemäß § 2346 BGB in Ansehung des Erbersatzanspruchs aus § 1934a BGB sieht im Gesetz keine Abfindung vor, wie der Beklagte mit Recht geltend macht und auch das Landgericht festgehalten hat. Es wäre daher - bei korrektem Vorgehen - selbstverständliches Recht des Beklagten gewesen, dass der Erbverzichtsvertrag gemäß § 2346 BGB keine Abfindung vorsehe und auch keine Vorgaben hierzu mache und er aus freien Stücken einen frei gewählten Betrag von DM 19.500,-- vorschlage. Dieser Weg wurde allerdings im Folgenden nicht beschritten:
Der Beklagte errechnete mit Rechtsanwalt ... nach eigenen Angaben den sich aus § 1934d I 1 BGB ergebenden pauschalierten Unterhaltsbetrag als Größe und Rechtsanwalt ... stellte diese im späteren Vorschlagsgespräch mit den Zwillingen als Ergebnis der erbrechtlichen Anteile für den Fall des Versterbens des Beklagten zum damaligen Zeitpunkt dar, also als Ergebnis des für den Fall des Versterbens einzig in Frage kommenden § 1934a BGB, Damit wurde der pauschalierte Unterhaltsbetrag (§ 1934d BGB) als Ersatz der Schilderung der Vermögenslage des Erblassers (§ 1934a BGB) benutzt.
Die Zeugin schilderte, dass es im Gespräch um den vom Beklagten vorgeschlagenen Abfindungsvertrag wesentlich auch um die finanziellen Verhältnisse des Beklagten gegangen sei (nicht etwa über die Unterhaltspauschale!).
Sie gab an: "Wesentlicher Gesprächsinhalt war, dass der Rechtsanwalt (Anmerkung: ...) im Auftrag meines Vaters erläuterte, dass mein Vater einerseits als Pächter diverser Gaststätten auch verschuldet sei, jedoch andererseits uns finanziell dergestalt unterstützen möchte, dass er uns weitere Ausbildung ermöglichen wolle. Der Rechtsanwalt erläuterte dann die erbrechtlichen Anteile für den Fall eines Versterbens meines Vaters zum damaligen Zeitpunkt. Nach meiner Erinnerung kam dabei heraus, dass wir zum damaligen Zeitpunkt nur ca. 8.000,-- DM zu erwarten gehabt hätten (laut Rechtsanwalt)."
Der Zeuge Rechtsanwalt ..., der nach eigenen Angaben (Bl. 132 d. A.) die Vermögensverhältnisse des Beklagten überhaupt nicht kannte, hat diesen Betrag (ca. DM 8.000,--) als Ergebnis der Errechnung der erbrechtlichen Anteile ausgegeben, anstatt offenzulegen, dass dies nur der pauschalierte Unterhaltsbetrag in Anlehnung an § 1934d BGB war und nicht das Ergebnis der erbrechtlichen Vermögensbetrachtung, und ohne offenzulegen, dass er mangels Kenntnis der Vermögenslage des Beklagten die Berechnung nach § 1934a BGB gar nicht vornehmen konnte. Damit wurde die Pauschalierung nach § 1934d BGB vertauscht mit den Voraussetzungen der Vermögensorientierung beim Erblasser gemäß § 1934a BGB.
In Wahrheit fand eine am Vermögen des Beklagten orientierte Berechnung eines Erbersatzanspruchs gemäß § 1934a BGB nicht statt (u.a., weil Rechtsanwalt ... die wahren Vermögensverhältnisse des Beklagten gar nicht kannte). Sie liegt auch bis heute im Prozess nicht vor. Im Prozess wurde auch nie behauptet, dass die DM 8.000,00 bzw. DM 19.600,00 den damaligen wahren Vermögensverhältnissen des Beklagten entsprachen. Abgesehen davon, dass der Beklagte schon seinerzeit unstreitig einige Immobilien besaß, ist der Abfindungsbetrag das Ergebnis einer Berechnung aus der Unterhaltsschuld und nicht dem Vermögen. Der nach der Schilderung der Zeugin vom Zeuge vorgeschlagene Abfindungsbetrag von ca. DM 8.000,-- entspricht auch ziemlich exakt dem Betrag, der sich für § 1934d Abs. 2 S. 1 BGB ergab. Dort ist maßgebend gewesen, was der Beklagte hätte zahlen müssen, nicht das, was er tatsächlich gezahlt hat (DM 270,-- monatlich). Nach der damals gültigen Regelbedarfsverordnung hatte der Beklagte monatlich DM 237,-- zu zahlen. Die Summe gemäß § 1934d II 1 BGB beläuft sich damit auf DM 8.532,-.
Dem Kläger wurde also im Gespräch mit Rechtsanwalt ... Glauben gemacht, der Betrag von ca. DM 8.000,- (den der Beklagte großzügig verdoppeln wollte) entspreche dem am Vermögen orientierten Erbersatzanspruch gemäß § 1934a BGB. Dem Kläger wurde somit ein Erbverzichtsvertrag angesonnen, der auf der Schilderung unrichtiger Ausgangstatsachen beruhte, nämlich der Vorgabe, die als solche nicht offengelegte Unterhaltspauschalierung (§ 1934d II BGB) sei das Ergebnis des am Vermögen orientierten Erbersatzanspruchs (§ 1934a BGB).
b) Damit wurde auch die im Vergleich zum Beklagten als aufstrebenden Geschäftsmann schwächere Position des damals erst 19-jährigen Klägers betroffen. Diese auch altersbedingte schwächere Position wurde auch keineswegs dadurch ausgeglichen, dass der Kläger durch einen fachkundigen Rechtsanwalt etwa neutral belehrt worden wäre. Der Zeuge ... schilderte, sein vom Beklagten erteilter Auftrag sei nicht gewesen, die beiden vorehelichen Kinder des Beklagten zu betreuen/zu beraten.
Seine Aufgabe habe sich darauf beschränkt, den entsprechenden Vertragsentwurf zu erstellen, den notariellen Termin zu vereinbaren und die Zahlungsabwicklung vorzunehmen. Hierzu sei ihm vom Beklagten der Abfindungsbetrag von DM 19.500,-- vorgegeben worden. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, dass der Kläger und seine Schwester in neutraler Weise von einem kundigen Rechtsanwalt über alles - auch über die Risiken - aufgeklärt worden sei, und schon gar nicht die Rede davon, dass sie über die wahre Berechnungsgrundlage aufgeklärt worden seien. Der Zeuge ... schilderte, dass er zu einem späteren Zeitpunkt (28.12.2000) gefragt worden sei, ob der Kläger und seine Schwester im Vorfeld der notariellen Beurkundung vom 17.04.1980 inhaltlich zum Erbverzichtsvertrag von ihm beraten worden seien, was er verneint habe (Bl. 133 d. A.).
Die alters- und damit auch erfahrungsmäßig schwächere Position des Klägers wurde damit also nicht nur nicht ausgeglichen, sondern im Gegenteil sogar verstärkt: Die Einschaltung des Rechtsanwalts ... im Gespräch vor dem Notartermin mußte in den Augen des Klägers mangels Offenlegung der gebundenen Marschroute des Rechtsanwalts ... (vom Beklagten bindend vorgegebener Abfindungsbetrag von DM 19.500,00, kein Auftrag zur Beratung der Kinder, keinerlei Kenntnisse des Rechtsanwalts hinsichtlich der Vermögensverhältnisse des Beklagten) den Eindruck einer fachkundigen und - da von einem Rechtsanwalt als Rechtspflegeorgan stammend - neutralen, auch die Interessen und Risiken des Klägers einbeziehenden Beratung vermitteln, der man vertrauen durfte und mußte.
Es mag dahinstehen, ob der Beklagte diesen Effekt der Einschaltung eines neutralen sachverständigen Dritten beabsichtigt hatte - was durchaus naheliegt, weil es keinen ersichtlichen Grund gab, einen Rechtsanwalt mit gebundener Marschroute vorzuschieben, statt das Gespräch durch den Beklagten persönlich durchzuführen. Denn verantwortlich war der Beklagte jedenfalls für diesen von ihm objektiv veranlassten Effekt.
c) Der Beklagte hat gegen die Umstandssittenwidrigkeit eingewandt, dem Kläger und seiner Schwester sei auch aus anderen Umständen Aufklärung zuteil geworden, welche der Umstandssittenwidrigkeit entgegenstünden. Dieser Einwand geht fehl:
Die Behauptung, vor dem notariellen Termin habe es u. a. ein Gespräch zwischen Rechtsanwalt ... und ..., der Zeugin handelnd für ihren Bruder (den Kläger), gegeben (Bl. 239 d. A.), mag zutreffen. Dies deckt sich mit der Bekundung des Zeugen ... (Bl. 129 d. A.). In diesem Gespräch aber ging es nach Schilderung des Zeugen ... im Wesentlichen um das Interesse der Zeugin, ob die Auszahlung des Abfindungsbetrages sichergestellt sei, was ... unter Erläuterung des Geldflusses versichert habe (Bl. 129 d. A.).
Auch der Hinweis des Beklagten darauf, der Notar habe die Pflicht, im Beurkundungstermin auf sämtliche Risiken hinzuweisen, weshalb es naheliege (dies ist eine Vermutung!), dass der Notar dieser Verpflichtung intensiv nachgekommen sei (Bl. 239 d. A.), besagt nicht, dass in diesem Termin über den Unterschied der vom Beklagten intern gewählten Berechnungsgrundlage gemäß § 1934d II BGB zu der für die nun zu verbriefende Abfindung gemäß § 1934a BGB gesprochen worden sei. Dass der Notar über das Wesen eines Erbverzichts mit dem Erlöschen von Ansprüchen belehrt hat, kann als für das Ergebnis irrelevant unterstellt werden.
3. Für den subjektiven Tatbestand ist nach der Rechtsprechung ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit oder eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich (BGH NJW 93, 1588; NJW 01, 1127). Es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die - hier gegebene - Umstandssittenwidrigkeit ergibt. Das ist nach den oben geschilderten Tatsachen der Fall. Dem Beklagten war vor Einbindung seiner Kinder klar, welche Bemessungsgrundlage er vorschlagen wollte, nämlich die anhand einer Unterhaltspauschalierung. Der Beklagte gab auch als verbindlichen Betrag dem Zeugen ... DM 19.500,-- vor. Dem Beklagten war bekannt, dass Rechtsanwalt ... die Kinder auch nicht etwa beraten und neutral belehren sollte (Aussage des Zeugen ...). Dem Beklagten war mithin bekannt, dass für den Verzichtsvertrag gemäß §§ 2346, 1934a BGB ein Betrag zugrundegelegt werden sollte, der nicht an seinen Vermögensverhältnissen orientiert war. Die weitere Darstellung des Vertragsangebots im Gespräch Rechtsanwalt ... - Kläger ist dem Beklagten gemäß § 166 I BGB zuzurechnen.
4. Der Vertrag vom 17.04.1980 war und ist daher nach § 138 I BGB nichtig. Da das Ergebnis der bereits durchgeführten Beweisaufnahme zur Beurteilung ausreicht, bedurfte es auch nicht der vom Kläger beantragten ergänzenden Vernehmung der Zeugen. Folgenlos ist auch, dass das Landgericht den Beweisbeschluss thematisch begrenzt hat, da es die "Beweisaufnahme bei Vernehmung der Zeugen tatsächlich und eingehend ausgedehnt hat auf das vor dem Notartermin erfolgte Erörterungsgespräch zwischen Rechtsanwalt ... und den Zwillingen.
III.
Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 546 II ZPO) liegen nicht vor, da die berührten Rechtsfragen bereits höchstrichterlich entschieden sind und es sich im Übrigen um die Beurteilung eines Einzelfalls handelt, so dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.