Leitsätzliches:
2) Es ist nicht notariell zu beurkunden.
Bundesgerichtshof
Datum: 08.04.2016
Gericht: BFH
Spruchkörper: V ZR
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: V ZR 73/15
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das hinter dem an die öffentliche Straße angrenzenden Grundstück der Beklagten belegen ist. Ursprünglich standen beide Grundstücke im Eigentum der Großtante des Klägers (im Folgenden: Erblasserin). Diese setzte 1969 mit notariellem Testament ihre Schwester F. B. (die Großmutter des Klägers) als Vorerbin, als Nacherben und Vorerben des zweiten Nacherben deren Sohn H. B. (den Vater des Klägers) und als zweiten Nacherben den Kläger ein. Ferner ordnete sie die Testamentsvollstreckung an, bis “H. B. die Erbschaft angetreten hat und sämtliche Nachlassverbindlichkeiten erfüllt sind”. Die Erblasserin verstarb im Jahr 1972. Der Nacherben- sowie der Testamentsvollstreckervermerk wurden am 21. Mai 1973 in das Grundbuch eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom 17. Dezember 1973 verschenkte F. B. beide Grundstücke unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an H. B. , der als Eigentümer in die Grundbücher eingetragen wurde. Mit notariellem Vertrag vom 29. Oktober 1979, dem H. B. beitrat, verkaufte der Testamentsvollstrecker das an die Straße angrenzende Grundstück an die Beklagten. Bei der notariellen Beurkundung vereinbarten die Beklagten, H. B. und der Testamentsvollstrecker, dass die Beklagten ein Geh- und Fahrrecht zugunsten des hinteren Grundstücks einräumen sollten, da es diesem infolge des Verkaufs an einer Zuwegung fehlte. Im Gegenzug wurde vereinbart, dass den Beklagten hinsichtlich des hinteren Grundstücks ein auf den ersten Verkaufsfall beschränktes dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt werden sollte. Diese Abreden fanden in dem notariellen Vertrag keinen Niederschlag. H. B. und der Testamentsvollstrecker einerseits und die Beklagten andererseits erteilten jedoch jeweils die Eintragungsbewilligung. Beide Rechte wurden in die jeweiligen Grundbücher eingetragen.
H. B. verstarb 2007. Der Kläger verkaufte sein Grundstück an einen weiteren angrenzenden Nachbarn. Nachdem den Beklagten am 29. Juli 2013 eine Abschrift des Vertrags zugestellt worden war, übten sie das Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 19. September 2013 aus.
Der auf die Bewilligung der Löschung des Vorkaufsrechts gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger das Urteil des Landgerichts wiederherstellen lassen.
Gründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB. Das dingliche Vorkaufsrecht zugunsten der Beklagten sei wirksam bestellt worden. Es entstehe gemäß § 873 Abs. 1 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Dass die Einigung nicht notariell beurkundet worden sei, sei unschädlich, weil die dingliche Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts die Einhaltung einer besonderen Form nicht voraussetze. Die Belastung des Grundstücks sei auch nicht gemäß § 2113 Abs. 1 BGB unwirksam. Ebenso wenig habe es sich um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 2205 Satz 3 BGB gehandelt, weil die Einräumung des Vorkaufsrechts einerseits und des Wegerechts andererseits in einem Austauschverhältnis gestanden hätten.
Der Kläger könne die Grundbuchberichtigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Rechtsgrund für die Belastung des Grundstücks mit dem dinglichen Vorkaufsrecht sei der Kaufvertrag unter Einschluss der Nebenabreden, dessen anfänglicher Formmangel geheilt worden sei.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Rechtsmittel insgesamt statthaft. Weder der Tenor des Berufungsurteils noch die Entscheidungsgründe enthalten eine Beschränkung der Zulassung. Zwar hat das Berufungsgericht zur Begründung der Zulassungsentscheidung nur auf die umstrittene Beurkundungsbedürftigkeit der dinglichen Einigung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts verwiesen und nicht auf die weiteren, hiervon unabhängigen Einwendungen des Klägers gegen das Bestehen des Vorkaufsrechts. Dies ist aber nicht als Beschränkung des Umfangs der Zulassung zu verstehen, da die Entscheidung über den einheitlichen, auf Berichtigung des Grundbuchs gerichteten Anspruch im Zweifel insgesamt zur Überprüfung gestellt wird (vgl. MüKoZPO/Krüger, 4. Aufl., § 543 Rn. 43). Ob eine solche Beschränkung der Zulassung überhaupt wirksam vorgenommen werden könnte, kann dahinstehen. Im Übrigen ist die Revision zulässig.
2. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet.
a) Rechtsfehlerfrei und mit zutreffender Begründung verneint das Berufungsgericht zunächst einen Grundbuchberichtigungsanspruch des Klägers gemäß § 894 BGB. Das Grundbuch ist hinsichtlich des dinglichen Vorkaufsrechts nicht unrichtig.
aa) Das dingliche Vorkaufsrecht im Sinne von § 1094 BGB ist ein eigenständiges Sachenrecht (Senat, Urteil vom 22. November 2013 – V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rn.10). Es entsteht gemäß § 873 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dass die Einigung nicht notariell beurkundet worden ist, ist unschädlich.
(1) Der notariellen Beurkundung bedarf gemäß dem hier noch anwendbaren § 313 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben. Nach allgemeiner Ansicht erfasst dies auch die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts, da hierdurch zugleich die Verpflichtung begründet wird, das Eigentum an dem Grundstück unter bestimmten Umständen an den Vertragspartner zu übertragen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Mai 1967 – V ZR 96/64, DNotZ 1968, 93; RGZ 72, 385, 392 f.; 110, 327, 333; 148, 105, 108 f.; Staudinger/R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Abs. 1 Rn. 24). Wird ein Vertrag, der eine solche Verpflichtung begründet, nicht notariell beurkundet, ist er gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. In analoger Anwendung von § 313 Satz 2 BGB aF (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) kann der Formmangel jedoch durch Einigung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts in das Grundbuch geheilt werden (Senat, Urteil vom 17. Mai 1967 – V ZR 96/64, DNotZ 1968, 93 f.).
(2) Uneinheitlich wird die Frage beurteilt, ob auch die dingliche Einigung über die Belastung eines Grundstücks mit einem Vorkaufsrecht gemäß § 1094 BGB notariell beurkundet werden muss. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Urteil vom 7. November 1990 (XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206) ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, die Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB aF erstrecke sich auf eine solche Einigung. Dem haben sich Rechtsprechung (OLG Rostock, OLGR 2000, 245, 246 f.) und Literatur teilweise angeschlossen (vgl. MüKoBGB/Kanzleiter, 7. Aufl., § 311b Rn. 34 Fn. 100; Erman/Grziwotz, BGB, 14. Aufl., § 1094 Rn. 5; BeckOGK/ Omlor BGB [Stand 8.1.2016], § 1094 Rn. 50). Überwiegend wird die Einigung jedoch im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts als formfrei angesehen (RGZ 110, 327, 335; 125, 261, 262 f.; Staudinger/R. Schumacher, BGB [2012], § 311b Rn. 24; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rn. 50; Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1094 Rn. 23; MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl., § 1094 Rn. 7; NK-BGB-Reetz, 3. Aufl., § 1094 Rn. 36; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1094 Rn. 7; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1094 Rn. 5).
(3) Richtigerweise muss die gemäß § 873 BGB zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Einigung, anders als das darauf bezogene Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden. Soweit der XII. Zivilsenat dies in seinem Urteil vom 7. November 1990 (XII ZR 11/89, NJWRR 1991, 205, 206) anders gesehen hat, hat er auf Nachfrage mitgeteilt, hieran nicht festzuhalten.
(a) Im Ausgangspunkt ist nach dem Grundsatz der Formfreiheit davon auszugehen, dass eine besondere Form nur dann eingehalten werden muss, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Eine solche Bestimmung enthält das Gesetz für die Einigung gemäß § 873 BGB nicht (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rn. 50). Nur grundbuchrechtlich soll die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderliche Eintragungsbewilligung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GBO).
(b) Aus § 313 Satz 1 BGB aF bzw. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sich ein auf das Erfüllungsgeschäft bezogenes Formerfordernis nicht herleiten.
(aa) Die Vorschrift regelt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Ihre analoge Anwendung scheidet schon in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus (unzutreffend daher BeckOGK/Omlor BGB [Stand 8.1.2016], § 1094 Rn. 50.1), weil das Erfüllungsgeschäft nach dem das deutsche Recht beherrschenden Trennungsprinzip bewusst eigenen Regeln unterworfen wird. Das Argument, die dingliche Einigung enthalte zugleich die obligatorische Verpflichtung zu der späteren Eigentumsübertragung, hat bereits das Reichsgericht mit der zutreffenden Überlegung verworfen, dass die Einigung – anders als das Verpflichtungsgeschäft nur auf die Entstehung des dinglichen Rechtsverhältnisses (also des Vorkaufsrechts) gerichtet sei (RGZ 125, 261, 262 f.). Da der Inhalt der Einigung sich im Einigsein über die vereinbarte dingliche Rechtsänderung erschöpft, fehlt ihr jede verpflichtende Wirkung zu einem Tun oder Unterlassen (vgl. Mot. III 172; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 873 Rn. 59).
(bb) Die Formbedürftigkeit der Einigung widerspräche zudem der in § 925 Abs. 1 BGB enthaltenen Regelung für die Auflassung, die als Einigung im Sinne von § 873 BGB auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet ist. Da selbst die Auflassung nicht notariell beurkundet, sondern (nur) vor der zuständigen Stelle erklärt werden muss (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 1956 – V ZR 61/56, BGHZ 22, 312, 315 ff.; Urteil vom 25. Oktober 1991 – V ZR 196/90, NJW 1992, 1101, 1102; RGZ 99, 65, 67 ff.; 132, 406, 408), gilt dies erst recht für eine Einigung im Sinne von § 873 BGB, die nicht § 925 BGB unterfällt.
(cc) Unvereinbar wäre die Formbedürftigkeit schließlich mit der in § 313 Satz 2 BGB aF bzw. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen Heilung des formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts. Hierzu käme es nur unter besonderen Umständen, wenn auch die Einigung der notariellen Beurkundung bedürfte. Der Zweck der Heilungsvorschrift, das bislang unwirksame Kausalgeschäft aufgrund der Erfüllung seinem ganzen Inhalt nach wirksam werden zu lassen (vgl. hierzu eingehend Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 – V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 372 f.), würde verfehlt, wenn die Verfügung denselben Formanforderungen wie das Verpflichtungsgeschäft unterworfen würde und dessen Erfüllung infolgedessen nicht eintreten könnte.
bb) Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet lässt das Berufungsgericht die Unwirksamkeit des Vorkaufsrechts gemäß § 2113 Abs. 1 BGB offen; ob diese Verfügungsbeschränkung auch für einen Testamentsvollstrecker gilt, der nur für die Vorerbschaft eingesetzt ist, ist zwar streitig (vgl. hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2205 Rn. 24 mwN), aber nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat sich insoweit nämlich auf die zutreffende Erwägung gestützt, dass die Beklagten das Vorkaufsrecht gemäß § 2368 Abs. 3 aF BGB (nunmehr § 2368 Satz 2 BGB) i.V.m. § 2366 BGB jedenfalls gutgläubig erworben haben, da eine solche Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers weder aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis (vgl. § 2368 Abs. 1 Satz 2 BGB aF, nunmehr § 354 Abs. 2 FamFG) noch aus dem Grundbuch hervorging.
cc) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Bestellung des Vorkaufsrechts nicht als unwirksame unentgeltliche Verfügung im Sinne von § 2205 Satz 3 BGB ansieht. Die hierauf bezogene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht als durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
b) Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verneint. Der für die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Rechtsgrund liegt in der darauf bezogenen schuldrechtlichen Vereinbarung. Zwar war der Kaufvertrag aufgrund der nicht beurkundeten Nebenabreden gemäß § 139 BGB zunächst insgesamt formunwirksam; dieser Mangel ist jedoch durch die erfolgte Einigung und den Vollzug der Abreden in den jeweiligen Grundbüchern gemäß § 313 Satz 2 BGB aF geheilt worden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.