Leitsätzliches:
Oberlandesgericht Karlsruhe
Datum: 01.06.2015
Gericht: OLG Karlsruhe
Spruchkörper: 11 Wx
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 11 Wx 29/15
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 2 – der Käufer – wendet sich gegen eine Zwischenverfügung, mit der das Grundbuchamt den Vollzug eines Grundstückskaufvertrages von der Vorlage einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig macht.
Die Beteiligten schlossen am 14. August 2014 vor dem Notar M. in H. einen Kaufvertrag, in dem der Beteiligte zu 2 von der Beteiligten zu 1 eine in O. gelegene Eigentumswohnung erwarb. Beim Abschluss des Kaufvertrages wurde der minderjährige Beteiligte zu 2 von dem Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 18. Mai 2012 verstorbenen G. W. vertreten; die Mutter des Beteiligten zu 2 stimmte den in der Urkunde abgegeben Erklärungen zu.
Dem auch die Auflassung enthaltenen Vertrag beigefügt war ein Testamentsvollstreckerzeugnis, das ausweist, dass auf Ableben von G. W., dessen Alleinerbe der Beteiligte zu 2 ist, Dauertestamentsvollstreckung angeordnet und der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer W. B. zum Testamentsvollstrecker ernannt ist.
Das Grundbuchamt hat mit einer am 24. Februar 2015 erlassenen Zwischenverfügung die Auffassung vertreten, dass der Abschluss des Kaufvertrages einer familienrechtlichen Genehmigung nach §§ 1626, 1629, 1643 in Verbindung mit § 1821 Abs.1 Nr. 5 BGB bedürfe. Der minderjährige Erbe müsse zur Eingehung der Verbindlichkeit zur Zahlung des Kaufpreises nach § 2206 BGB seine Zustimmung erteilen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge, dass verhindert werden müsse, dass Minderjährige mit Verbindlichkeiten belastet in die Volljährigkeit gingen. Ob es möglich sei, die durch den Kaufvertrag begründeten Verbindlichkeiten allein aus Mitteln des Nachlasses zu erfüllen, könne das Grundbuchamt nicht prüfen.
Gegen die Zwischenverfügung, mit der der Grundbuchvollzug von der Vorlage einer familiengerichtlichen Genehmigung bis zum 22. Mai 2015 abhängig gemacht worden ist, richtet sich die vom Urkundsnotar für den Beteiligten zu 2 eingelegte Beschwerde. Er ist der Auffassung, der Testamentsvollstrecker falle bereits nicht in den Anwendungsbereich des § 1821 BGB. Der vereinbarte Kaufpreis werde vollständig aus dem Nachlass beglichen; die erworbene Wohnung unterfalle als Surrogat des Kaufpreises auch künftig der Testamentsvollstreckung.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 71 Absatz 1 GBO in Verbindung mit § 11 Absatz 1 RPflG zulässige Beschwerde, zu deren Einlegung für den Käufer der Notar gemäß § 15 Absatz 2 GBO als bevollmächtigt gilt, hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollzug des Kaufvertrages kann von einer familiengerichtlichen Genehmigung des Geschäfts nicht abhängig gemacht werden. Eine Genehmigungsbedürftigkeit besteht weder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Grundstückserwerbs durch einen Minderjährigen noch unter demjenigen einer Überschreitung der Verpflichtungsermächtigung des Testamentsvollstreckers.
1. Der Testamentsvollstrecker hat den Kaufvertrag, der der Auflassung zugunsten des Beteiligten zu 2 zugrunde liegt, nicht im eigenen Namen abgeschlossen, sondern ist als Vertreter des minderjährigen Beteiligten zu 2 aufgetreten. Das bildet seine Rechtsstellung zwar nicht zutreffend ab, weil der Testamentsvollstrecker Treuhänder und Inhaber eines privaten Amtes, also weder Vertreter des Erblassers noch des Erben ist (BGHZ 13, 203, […]Rn. 29). An der Wirksamkeit der von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen ändert dies aber nichts. Das Rubrum des Kaufvertrags ist um den Hinweis ergänzt, dass der Vertreter “als Testamentsvollstrecker über den Nachlass (…)” handele. Damit ist hinreichend klargestellt, dass er seine Befugnis, den Minderjährigen zur Kaufpreiszahlung verpflichten und im Gegenzug für ihn Grundeigentum zu erwerben, nicht aus einer (allgemeinen) Vertretungsbefugnis für den minderjährigen Käufer, sondern aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker ableitet. Dass ein Geschäft für den Nachlass getätigt werden sollte, zeigt auch der Umstand, dass in Ziffer II. die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks an dem erworbenen Grundbesitz bewilligt und beantragt worden ist.
2. Das Grundbuchamt leitet eine Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrages, auf dessen Grundlage die Beteiligte zu 2 die Auflassung erklärt hat, zunächst aus §§ 1626, 1629, 1643, 1821 Absatz 1 Nr. 5 BGB ab. Genehmigungsbedürftig wäre nach diesen Vorschriften – ihre Anwendbarkeit auf den Testamentsvollstrecker vorausgesetzt (siehe hierzu nachfolgend 3.) – indes nur die schuldrechtliche Vereinbarung, die dem dinglichen Rechtsgeschäft zugrunde liegt. Die Wirksamkeit des dinglichen Vollzugsgeschäfts würde von einer möglichen (schwebenden) Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts nicht berührt. Das Grundbuchamt hat deshalb die Gültigkeit des dem dinglichen Rechtsgeschäft zugrunde liegenden Kausalgeschäfts nicht zu prüfen (BayObLG NJW-RR 1990, 87; NJW-RR 1992, 328, […]Rn. 20). Anders läge es nur in dem – hier nicht vorliegenden – Fall, dass die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auch die dingliche Einigung erfasst.
3. Auch auf die für den dinglichen Erwerb geltenden § 1821 Absatz 1 Nr. 1 und 4 BGB kann das Verlangen des Grundbuchamts nicht gestützt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Ziffern auch den Fall erfassen, dass der Minderjährige Grundeigentum nicht verliert, sondern erwirbt, obwohl der Erwerb von Grundbesitz keine Verfügung im Sinne einer Übertragung, Belastung, Aufhebung, Inhalts- und Rangänderung eines subjektiven Rechts ist. Diese Ziffern sind jedenfalls deshalb nicht einschlägig, weil sie nur Verfügungen und Verpflichtungen hierzu betreffen, die ein Vormund – oder im Anwendungsbereich des § 1643 BGB ein Elternteil – im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretungsmacht hinsichtlich des Mündelvermögens vornimmt. Sie gilt daher nicht, wenn der betroffene Vermögensgegenstand einer anderweitigen Verwaltung – wie etwa durch einen Testamentsvollstrecker – unterliegt (vgl. BayObLG NJW-RR 1992, 328, […]Rn. 16; OLG Hamburg DNotZ 1983, 381 zum Erwerb eines Kommanditanteils; Staudinger/Barbara Veit [2014] Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822, Rn. 20; Münchener Kommentar/Wagenitz, BGB, 6. Auflage, § 1821, Rn. 13; BeckOK BGB/Bettin, Edition 34, § 1812, Rn. 2; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 4. Auflage, § 15, Rn. 53; Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Auflage, Kap. 1, Rn. 26). Es liegt insoweit keine andere Situation vor als diejenige, in der ein vom Erblasser über den Tod hinaus Bevollmächtigter handelt; für diesen hat bereits das Reichsgericht entschieden (RGZ 106, 185), dass er auch für solche Geschäfte der gerichtlichen Genehmigung nicht bedürfe, die ein Vormund für den Mündel nicht ohne diese hätte abschließen können. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits ausgesprochen (ZEV 2006, 262, […]Rn. 2), dass ein Testamentsvollstrecker grundsätzlich unbeschränkt verfügungsbefugt sei und keiner vormundschaftsrichterlichen Genehmigung auch im Hinblick auf einen in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Erben bedürfe.
4. Der Vollzug des Vertrages ist auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 2206 BGB von einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig.
a) Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen des § 2206 Absatz 1 Satz 2 BGB vorliegen, der Testamentsvollstrecker sich also nur zu einer Verfügung über einen Nachlassgegenstand verpflichtet hat, zu der er berechtigt ist. Seine Angabe, dass der Kaufpreis für die Eigentumswohnung (allein) aus Mitteln des Nachlasses beglichen werden solle, über den er verfügen darf, lässt sich mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Mitteln nicht belegen. Ebenso wenig lässt sich mit den Nachweismitteln der Grundbuchordnung feststellen, ob der Erwerb der Eigentumswohnung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist und der Testamentsvollstrecker die schuldrechtliche Verpflichtung daher nach § 2206 Absatz 1 Satz 1 BGB eingehen durfte.
b) Darauf kommt es aber auch nicht entscheidend an. Beim Grundbuchamt ist darauf angetragen, auf der Grundlage der Auflassung und Bewilligung der Beteiligten zu 1 als Verkäuferin den Beteiligten zu 2 als Eigentümer der Wohnung einzutragen. Ob der Nachlass wirksam verpflichtet worden ist, die Gegenleistung für den Erwerb der Wohnung zu erbringen, unterliegt nicht der Untersuchung durch das Grundbuchamt. Sollte der Testamentsvollstrecker weder nach § 2206 Absatz 1 Satz 1 oder 2 BGB noch aus einem anderen Grunde berechtigt gewesen sein, die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung einzugehen, ist der Nachlass nicht wirksam verpflichtet worden (vgl. etwa Staudinger/Wolfgang Reimann [2012], BGB § 2206, Rn. 20). Ob dies zu einer späteren Rückabwicklung des Geschäfts nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen führen kann, ist im Grundbuchverfahren nicht zu untersuchen.
c) Auch aus § 2206 Absatz 2 BGB lässt sich eine Genehmigungsbedürftigkeit nicht herleiten. Soweit dort bestimmt ist, dass der Erbe verpflichtet sei, in die nach Absatz 1 berechtigte Eingehung von Verbindlichkeiten einzuwilligen, soll damit dem Testamentsvollstrecker zur Verringerung seines Haftungsrisikos die Möglichkeit eingeräumt werden, sich in Zweifelsfällen – notfalls klageweise – durch ein Einwilligungsverlangen der Berechtigung seines Handelns zu vergewissern (Staudinger/Wolfgang Reimann [2012] BGB § 2206 Rn. 14; BeckOK BGB/J. Mayer, Edition 34, § 2206, Rn. 11). Der Vorschrift kann hingegen nicht entnommen werden, dass es im Außenverhältnis der – bei Minderjährigen möglicherweise genehmigungsbedürftigen – Einwilligung des Erben bedürfe.
d) Keiner Entscheidung bedarf, ob die Mutter des Erben eine familiengerichtliche Genehmigung ihrer Erklärung deshalb benötigt, weil sie damit möglicherweise für ihren Sohn auf Schadensersatzanspruchansprüche gegen den Testamentsvollstrecker verzichtet hat. Diese Frage ist vom Grundbuchamt nicht zu prüfen; sie würde sich erst in einem Zivilprozess stellen, in dem möglicherweise vom Erben geltend gemachten Schadensersatzansprüchen gegen den Testamentsvollstrecker die Genehmigung der Mutter des Erben entgegengehalten würde.
5. Der vom Grundbuchamt angesprochene Grundsatz des effektiven Minderjährigenschutzes rechtfertigt keine andere Beurteilung.
a) Es trifft allerdings wegen § 1967 Absatz 1 BGB im Ausgangspunkt zu, dass Handlungen des Testamentsvollstreckers dazu führen können, dass der zunächst minderjährige Erbe bei Erreichen der Volljährigkeit mit Verbindlichkeiten belastet sein wird, denen weder er noch mit Billigung des Familiengerichts seine Eltern zugestimmt haben. Das zeigt sich bei dem hier in Rede stehenden Erwerb einer Eigentumswohnung etwa darin, dass dauerhaft die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung und Verwaltung anteilig getragen werden müssen (§ 16 Absatz 2 WEG). Diese Rechtsfolge steht indes nicht im Zusammenhang mit der Minderjährigkeit des Erben, sondern ist eine notwendige Folge der gesetzlichen Ausgestaltung des Amts des Testamentsvollstreckers. Dessen Befugnisse sind vom Gesetz so ausgestaltet, dass er in dem durch § 2206 Absatz 1 BGB gezogenen Rahmen Verbindlichkeiten für den Nachlass und damit für den Erben eingehen kann, ohne dessen Genehmigung zu bedürfen; dies gilt sowohl für den minderjährigen als auch für den volljährigen Erben. Für beide Gruppen von Erben ist der Schutz dadurch gewährleistet, dass sie einerseits nur berechtigt eingegangene Verbindlichkeit gegen sich gelten lassen müssen und ihnen andererseits – wie der zweite Halbsatz von § 2206 Absatz 2 BGB bestimmt – die Befugnis verbleibt, die Beschränkung ihrer Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten geltend zu machen.
b) Die Ausführungen von Schöner/Stöber (Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rn. 3429), auf die das Grundbuchamt Bezug nimmt, betreffen nicht die hier vorliegende Konstellation. Dort ist lediglich ausgeführt, dass es einer familiengerichtlichen Genehmigung dann bedürfe, wenn der Testamentsvollstrecker aufgrund einer testamentarischen Verfügungsbeschränkung der Mitwirkung des Erben bedürfe. Eine solche testamentarische Beschränkung ist hier aber nicht ersichtlich.
c) Die vom Grundbuchamt angesprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 72, 155), die die Einführung des § 1629a BGB zur Folge gehabt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dem Urteil ist es mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Minderjähriger als unvereinbar angesehen worden, dass Eltern kraft ihrer aus § 1629 BGB folgenden elterlichen Vertretungsmacht ihre Kinder bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft finanziell unbegrenzt verpflichten konnten. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass der Start des Minderjährigen in die Volljährigkeit unzumutbar belastet werde, wenn es seinen Eltern in derartigen Fällen gestattet werde, ohne eine Haftungsbegrenzung und ohne einen Schutz durch vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Verbindlichkeiten zu begründen. Im Falle der Testamentsvollstreckung liegt es indes so, dass Verbindlichkeiten für den Erben von vornherein nur im Rahmen des § 2206 BGB eingegangen werden dürfen.
III.
1. Gerichtskosten fallen im Beschwerdeverfahren nicht an, weil eine Gebührenerhebung nach der einschlägigen Ziffer 19116 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG nur bei einer Verwerfung oder Zurückweisung des Rechtsmittels vorgesehen ist. Da ein Beteiligter in Gegnerstellung nicht vorhanden ist, kommt die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht.
2. Grundsätzliche oder einer Rechtsfortbildung zugängliche Fragen berührt das Verfahren nicht; eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) war daher nicht veranlasst.