Leitsätzliches:
Bundesgerichtshof
Datum: 26.01.2005
Gericht: BGH
Spruchkörper: IV ZR
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: IV ZR 296/03
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt als Testamentsvollstreckerin Ersatz für Wertpapiere, die die beklagte Bank aus dem Nachlaß des 1992 gestorbenen Erblassers auf dessen Sohn übertragen hat. Die Parteien streiten darüber, ob diese Leistung an den Berechtigten und damit schuldbefreiend erfolgt sei.
In dem notariellen Testament war der Sohn als alleiniger, nicht befreiter Vorerbe eingesetzt worden. Nacherben sollten bei seinem Tod seine Kinder werden. Allerdings sollte nach dem Wortlaut des Testaments nur das Einfamilienhaus des Erblassers der Vor- und Nacherbfolge unterliegen; der Erblasser wandte deshalb seinem Sohn den gesamten übrigen Nachlaß als Vorausvermächtnis zu, soweit er nicht im folgenden dessen ältestem Kind vermächtnisweise zugedacht war. Dieser Enkeltochter vermachte der Erblasser unter anderem ein Zweifamilienwohnhaus sowie festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von 125.000 DM. Der Erblasser ordnete Testamentsvollstreckung an, bestimmte seinen Sohn zum Testamentsvollstrecker und benannte Ersatztestamentsvollstrecker. Bei Ausfall aller von ihm als Testamentsvollstrecker vorgesehener Personen sollte das Nachlaßgericht den Testamentsvollstrecker bestimmen. Weiter heißt es:
“Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es, das angeordnete Vermächtnis zu erfüllen und die meiner Enkelin…zugewandten Nachlaßwerte zu verwalten, bis sie das 25. Lebensjahr vollendet hat.”
Der Erblasser gab dem Testamentsvollstrecker ferner Anweisungen zur Verwaltung; unter anderem sollte das der Enkelin zugewandte Geldvermögen zur Tilgung der auf dem vermachten Grundstück lastenden Verbindlichkeiten sowie zur Bezahlung der Erbschaftssteuer verwendet und im übrigen zu bestmöglichen Bedingungen für die Enkeltochter angelegt werden. Der Erblasser befreite den Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB und ordnete an, daß er über seine Tätigkeit Buch zu führen habe.
Die Enkeltochter war beim Erbfall erst elf Jahre alt. Ausweislich des Protokolls über die Testamentseröffnung erklärte der Sohn des Erblassers, er nehme das Amt des Testamentsvollstreckers an; als dessen Aufgaben nennt das Protokoll die Erfüllung des angeordneten Vermächtnisses sowie die Verwaltung der zugewandten Nachlaßwerte, bis die Enkelin das 25. Lebensjahr vollendet habe.
Im Jahre 1993 veranlaßte der Sohn des Erblassers die beklagte Bank unter Vorlage des notariellen Testaments und des Eröffnungsprotokolls, die Wertpapiere des Erblassers einschließlich des der Vermächtnisnehmerin zugedachten Anteils auf sein eigenes Depot zu übertragen.
1997 wurde der Sohn des Erblassers auf Antrag der Vermächtnisnehmerin aus dem Amt des Testamentsvollstreckers entlassen, weil er den seiner Verwaltung unterstehenden Grundbesitz mit Grundschulden belastet und die Darlehensvaluten für eigene Zwecke verbraucht habe. In dem Entlassungsbeschluß wies das Nachlaßgericht die Auffassung zurück, Ansprüche der Vermächtnisnehmerin auf Übertragung der vermachten Gegenstände würden erst mit deren Vollendung des 25. Lebensjahres fällig. Vielmehr hätten diese Ansprüche sofort nach dem Erbfall erfüllt werden müssen, damit die für die Begünstigte angeordnete Vermächtnisvollstreckung habe einsetzen können. Später ernannte das Nachlaßgericht die Klägerin als Testamentsvollstreckerin für die Erfüllung sowie für die Verwaltung der angeordneten Vermächtnisse.
Mit der Klage nimmt sie die Bank auf Zahlung des dem Wertpapiervermächtnis entsprechenden Betrages in Anspruch. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.
Gründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht nur gemäß Nr. 5 der Banken-AGB schuldbefreiend geleistet, sondern der Sohn des Erblassers sei als Testamentsvollstrecker im Jahre 1993 auch berechtigt gewesen, die Leistung der Beklagten mit Erfüllungswirkung (§ 362 BGB) anzunehmen. Er sei im Testament sowohl zum Erbentestamentsvollstrecker zur Erfüllung des Vermächtnisses als auch zum Vermächtnistestamentsvollstrecker zur Verwaltung des Vermächtnisses bis zum 25. Lebensjahr der Begünstigten berufen worden. Wie sich aus dem Protokoll über die Testamentseröffnung ergebe, habe der Sohn des Erblassers das Amt in beide Richtungen wirksam angenommen und deshalb den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlaß in Besitz nehmen dürfen. Da er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei, sei er berechtigt gewesen, die Überweisung aus dem Wertpapierdepot des Erblassers auf ein eigenes Depot zu veranlassen.
Der Einwand der Klägerin, gegenüber der Beklagten sei der Sohn des Erblassers nicht als Vermächtnistestamentsvollstrecker, sondern als Erbentestamentsvollstrecker aufgetreten, ein Alleinerbe könne aber nicht wirksam gleichzeitig auch Erbentestamentsvollstrecker sein, greife nicht durch. Wie die Auslegung des Testaments deutlich ergebe, sei die Anordnung einer Erbentestamentsvollstreckung über die Vermächtnisgegenstände hier ausnahmsweise auch neben der Stellung als Alleinerbe sinnvoll und damit wirksam. Testamentsvollstreckung auch zu Lasten des Erben sei nicht etwa nur für den Fall angeordnet worden, daß der Alleinerbe die Erbschaft ausschlage. Vielmehr habe der Erblasser eine bessere Durchschaubarkeit der Vermögenstransaktionen erreichen wollen. Darauf weise die im Testament angeordnete Buchführungspflicht bezüglich der Gegenstände des Vermächtnisses hin. Der Sohn habe sich als Testamentsvollstrecker im Hinblick auf die Vermächtnisgegenstände die unterschiedliche Interessenlage gegenüber den ihm sonst letztwillig hinterlassenen Werten bewußt machen sollen. Außerdem stehe der Testamentsvollstrecker unter der Aufsicht des Nachlaßgerichts. Eigengläubiger des Erben könnten nicht in die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gegenstände vollstrekken.
Zwar werde Testamentsvollstreckung üblicherweise angeordnet, um den Erben in seiner Verfügungsmacht zu beschränken. Hier sei es dem Erblasser dagegen nur darum gegangen, dem Sohn, dem als Alleinerben die Funktion des Vermächtnistestamentsvollstreckers verliehen werden konnte, zusätzlich das Recht zu verschaffen, den Vermächtnisgegenstand aus der Erbschaft heraus auf die Vermächtnisnehmerin zu übertragen. Die Ansicht der Klägerin, für die Herausgabe des Vermächtnisgegenstands an den Vermächtnistestamentsvollstrekker habe es der Bestellung eines weiteren Testamentsvollstreckers bedurft, finde im Testament keine Stütze und sei auch im Hinblick darauf nicht sinnvoll, daß der vom Erben herauszugebende Vermächtnisgegenstand sogleich wieder diesem in seiner Eigenschaft als Vermächtnisvollstrecker herauszugeben gewesen wäre.
2. Dem hält die Revision entgegen, nach ganz herrschender Auffassung könne der Alleinerbe und auch der alleinige nicht befreite Vorerbe nicht zugleich Testamentsvollstrecker sein. Denn der Erbe sei Herr des Nachlasses und zur schrankenlosen Verfügung darüber berechtigt. Deshalb sei es sinnlos, ihm als Testamentsvollstrecker an demselben Nachlaß bloße Verwaltungsrechte einzuräumen, die doch nur als Beschränkung der Rechte des Erben gedacht seien (§ 2306 BGB; vgl. RGZ 77, 177 f.; 163, 57, 58 f.; BayObLG ZEV 2002, 24 , 25; Bamberger/Roth/J. Mayer, BGB § 2197 Rdn. 32 f. m.w.N.; a.A. Adams, ZEV 1998, 321 ff.). Im übrigen habe das Berufungsgericht außer Acht gelassen, daß im notariellen Testament des Erblassers Ersatztestamentsvollstrecker vorgesehen seien. Darin sei ein Anhaltspunkt dafür zu finden, daß der Sohn, wenn er das Erbe antrete, nach den Vorstellungen des Erblassers nicht befugt gewesen sei, zugleich als Testamentsvollstrekker für die Übertragung der Vermächtnisgegenstände aus dem Nachlaß auf die Vermächtnisnehmerin zu sorgen. Er habe die Vermächtnisse aber auch als Erbe nicht erfüllen können, weil insoweit Testamentsvollstreckung angeordnet worden sei.
3. Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr ist das Berufungsgericht mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Sohn des Erblassers im Jahre 1993 als Testamentsvollstrecker für den Erben die Leistung der Beklagten mit schuldbefreiender Wirkung entgegennehmen konnte.
a) Nach dem Wortlaut des notariellen Testaments war sowohl für die Vermächtnisvollstreckung als auch für die Erbentestamentsvollstreckung nur eine Person als Testamentsvollstrecker ausersehen, nämlich zunächst der Sohn des Erblassers und alleinige Vorerbe. Der Erblasser hat zwar Ersatztestamentsvollstrecker bestimmt. Sie sollten aber nur bei einem “Ausfall” der vorrangig Berufenen ernannt werden, wie insbesondere aus dem testamentarischen Ersuchen an das Nachlaßgericht gemäß § 2200 Abs. 1 BGB hervorgeht. Danach ist die Auffassung des Tatrichters, dem Testament sei kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß im Fall einer Annahme der Erbschaft durch den Sohn des Erblassers von vornherein ein Ersatztestamentsvollstrecker für die zu Lasten des Vorerben vorgesehene Testamentsvollstreckung habe bestellt werden sollen, nicht zu beanstanden.
b) Daß der alleinige Erbe oder Vorerbe die Funktion der Vermächtnisvollstreckung nach § 2223 BGB ausüben kann, entspricht allgemeiner Meinung. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist auch, daß dieselbe Person in bezug auf einen Vermächtnisgegenstand gleichzeitig Testamentsvollstrecker für den Erben und (zur Verwaltung des vermachten Gegenstands) auch für den Vermächtnisnehmer sein kann (BGH, Urteil vom 29. April 1954 – IV ZR 152/53 – LM BGB § 2203 Nr. 1). Das läßt indessen offen, ob auch der Alleinerbe oder alleinige Vorerbe Testamentsvollstrecker über den eigenen Nachlaß sein kann. Diese Frage ist hier zu bejahen.
aa) Von dem Grundsatz der Unvereinbarkeit, den die Revision hervorhebt, werden Ausnahmen in Fällen zugelassen, in denen diese Doppelstellung nicht sinnlos erscheint: Bereits das Reichsgericht hat die Bestellung mehrerer Miterben zu gemeinschaftlichen Testamentsvollstreckern mit Rücksicht darauf für zulässig gehalten, daß an die Stelle des Mehrheitsentscheids nach §§ 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 745 BGB eine Entscheidung des Nachlaßgerichts nach § 2224 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt und der Erblasser die Verwaltung anders als in der Erbengemeinschaft durch Zuweisung besonderer Wirkungskreise regeln könne (RGZ 163, 57, 58 f.). Weiterhin ist die Bestimmung von Erben zu Testamentsvollstreckern über die Erbschaft im Hinblick auf Kontrollmöglichkeiten des Nachlaßgerichts deshalb für zulässig gehalten worden, weil es den Erben als Testamentsvollstrecker bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit, auf Antrag anderer Beteiligter entlassen (§ 2227 BGB) und – wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind – durch einen anderen Testamentsvollstrecker ersetzen kann (BayObLG ZEV 2002, 24 , 25).
bb) Danach hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß die Bestimmung eines alleinigen Erben oder Vorerben zum Testamentsvollstrecker auch dann zulässig und wirksam ist, wenn sich dessen Aufgabe auf den sofortigen Vollzug bestimmter Vermächtnisse zu Lasten der Erbschaft und im Interesse des Begünstigten beschränkt und bei groben Pflichtverstößen des Erben ein anderer als Testamentsvollstrecker an seine Stelle tritt. In einem solchen Fall, wie er hier gegeben ist, geht es nicht etwa um eine sinnlose Verdoppelung bereits bestehender Befugnisse des Erben. Vielmehr wird seine nur schuldrechtliche Verpflichtung, die Vermächtnisse zu erfüllen (§ 2174 BGB), verstärkt, indem ihm die dingliche Verfügungsbefugnis als Erbe über die Vermächtnisgegenstände entzogen wird (§§ 2208 Abs. 1 Satz 2, 2211 BGB). In diese Gegenstände können Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlaßgläubigern gehören, nicht vollstrecken (§ 2214 BGB). Insbesondere steht die Verpflichtung des Erben als Testamentsvollstrecker, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB), unter der Kontrolle des Nachlaßgerichts. Es kann nicht nur den Erben nach § 2227 BGB aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker entlassen, sondern vor allem, weil dies hier im Testament vorgesehen ist, einen Ersatztestamentsvollstrecker bestimmen oder einen nach § 2200 BGB ausgewählten Testamentsvollstrecker einsetzen. Ein Erbe, der die ihm auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt, muß also damit rechnen, unter die Testamentsvollstreckung eines anderen zu geraten. Im Hinblick auf diese Sanktion liegt in der Bestimmung des Erben oder Vorerben zum Testamentsvollstrecker eine nicht nur formale Einschränkung seiner Verfügungsfreiheit. Es fehlt in Fällen wie dem vorliegenden also gerade nicht an der für die Testamentsvollstreckung charakteristischen Beschränkung der Erbenrechte. Solche Fälle werden mithin von dem Grundsatz, der alleinige Erbe könne nicht zum Testamentsvollstrecker berufen werden, nicht erfaßt.
c) Rechte der Nacherben werden nicht beeinträchtigt, wenn die Ernennung des Vorerben zum Testamentsvollstrecker nur den Zweck hat, einen wie hier ohnehin fälligen Anspruch gegen den Vorerben aus § 2174 BGB zu erfüllen (vgl. BayObLG DNotZ 2001, 808 , 809 f.; OLG Düsseldorf ZEV 2003, 296 f. m. Anm. Ivo; Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB § 2113 Rdn. 22; alle m.w.N.). Mithin kommt es nicht auf die Frage an, ob ein Vorerbe auch dann wirksam zum Erbentestamentsvollstrecker berufen werden kann, wenn er den Zeitpunkt oder den Umfang der Erfüllung des Vermächtnisses nach seinem Ermessen bestimmen und dadurch in einen Interessenkonflikt zum Vermächtnisnehmer oder auch zu den Nacherben geraten kann.