Suche
  • Direkter Kontakt:
  • terhaag@duetrust.de | +49 (211) 879 37 37
Suche Menü

Die Bedingungen für eine gerichtliche Erbauseinandersetzungsvermittlung – OLG Schleswig Holstein, Beschluss vom 24.01.2013 – Az. 3 Wx 117/12

Leitsätzliches:

Die gerichtliche Vermittlung bei einer Erbauseinandersetzung gem. den §§ 363 ff. FamFG zwischen den begünstigten Parteien kann bei bereits herrschendem Streit nicht ohne weiteres abgelehnt werden. Auch dann nicht, wenn einzelne Parteien sich gegen das Verfahren aussprechen.

Oberlandesgericht Schleswig Holstein

Datum: 24.01.2013

Gericht: OLG Schleswig Holstein

Spruchkörper: 3 Wx

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 3 Wx 117/12

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) – Antragstellerin – und der Beteiligte zu 2) sind zwei von drei Kindern der Erblasserin und ihres 2006 vorverstorbenen Ehemannes. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die Kinder des 1984 vorverstorbenen weiteren Sohnes der Erblasserin und ihres Ehemannes.

Nach dem Ehemann der Erblasserin trat gesetzliche Erbfolge ein. Er wurde von der Erblasserin zu 1/2, von den Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/6 sowie von den Beteiligten zu 3) und 4) zu je 1/12 beerbt. Zum Nachlass gehörte eine Landwirtschaftsfläche (Weideland), verzeichnet im Grundbuch von A., in der Größe von 1,4277 ha, die auf die Erbengemeinschaft umgeschrieben worden ist.

Auch nach der Erblasserin ist gesetzliche Erbfolge eingetreten. Der Erbschein weist die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben zu je 1/3 sowie die Beteiligten zu 3) und 4) als Erben zu je 1/6 aus. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben von rd. 9.300 €, mehreren Möbelstücken (Abbildung Bl. 9 ff d.A.), einer Friesentracht, einem Gemälde und dem (Anteil an dem) Weideland. Über die Verteilung dieses Nachlasses besteht zwischen den Erben keine Einigkeit. Ihre Rechtsanwälte haben in einem Gespräch am 24. Februar 2012 einen Einigungsvorschlag ausgearbeitet, der eine Verteilungsregelung ausgehend von einem geschätzten Nachlasswert von 57.621,44 € (darin 25.000 € für das gesamte Weideland) und damit auf jeden Stamm entfallenden 19.207,15 € enthält. Dieser Regelung konnte aber jedenfalls der Beteiligte zu 2) nicht zustimmen.

Der Beteiligte zu 2) hat zwischenzeitlich die Zwangsversteigerung des Grundvermögens (Landwirtschaftsfläche) zum Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft eingeleitet. Das Verfahren ist unter dem Az.: … beim AG Niebüll anhängig. In diesem Verfahren hat der Sachverständige B. unter dem 19. November 2012 ein schriftliches Gutachten abgegeben, das zu einem Verkehrswert der Landwirtschaftsfläche per 19. September 2012 von 26.000 € kommt. Der Beteiligte zu 2) soll nach Angaben der Beteiligten zu 1) auch beabsichtigen, die Teilungsversteigerung der beweglichen Nachlassgegenstände herbeizuführen.

Die Beteiligte zu 1) hat unter dem 24. Juli 2012 vor diesem Hintergrund einen Antrag auf gerichtliche Vermittlung der Erbauseinandersetzung nach den §§ 363 ff FamFG gestellt.

Die Beteiligte zu 3) hat auf diesen Antrag ausgeführt, ihr liege an einer fairen, wertgleichen Teilung, die bislang aber an dem Verhalten der Beteiligten zu 1) gescheitert sei. Nur vor diesem Hintergrund habe sie dem Zwangsversteigerungsverfahren zugestimmt, um nämlich letztlich eine zügige Beendigung der Situation und eine gerechte Verteilung der Güter herbeizuführen.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Antrag der Beteiligten zu 1) entgegengetreten und hat ausgeführt, der Antrag dürfte keinen Erfolg haben, weil er nicht bereit sei, den seinerzeit von den Rechtsanwälten ausgearbeiteten Verteilungsvorschlag zu akzeptieren. Versuche, mit der Antragstellerin in ein Gespräch und zu einer Einigung zu kommen, seien an ihrer fehlenden Bereitschaft gescheitert. Zu seiner – des Beteiligten zu 2) – Haltung habe auch geführt, dass der Vater der Beteiligten zu 1) und 2) der Beteiligten zu 1) im Jahr 2003 mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke gegen Nießbrauchsrecht und Hege und Pflege für ihn und die Erblasserin übertragen habe, wobei die Beteiligte zu 1) das Nießbrauchsrecht aber nicht gewährt habe und sich für Hege und Pflege habe Geld überweisen lassen. Das werde nicht aufgewogen dadurch, dass allerdings er – der Beteiligte zu 2) – vom dem Vater zu dessen Lebzeiten ca. 12 ha landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten habe.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf gerichtliche Vermittlung der Erbauseinandersetzung mit Beschluss vom 4. Oktober 2012 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, für eine Vermittlung sei kein Raum, weil zwischen den Beteiligten bereits Streitigkeiten bestehen würden und sich die Beteiligten über die Art und Weise der Verteilung bereits im Vorfeld nicht hätten einigen können. Weil im Übrigen für den Grundbesitz auch bereits eine Teilungsversteigerung angeordnet sei, könne mangels Kenntnis des dort zu erzielenden Erlöses sowieso derzeit keine gerechte Verteilung erfolgen.

Gegen diesen ihr am 8. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 1. November 2012 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, gerade in dem hier vorliegenden Fall, wo sich die Erben untereinander über die Verteilung des Nachlasses nicht einig seien und streiten würden, mache das Verfahren nach den §§ 363 FamFG Sinn und dürfe deshalb nicht verweigert werden. Keineswegs könne schon jetzt gesagt werden, dass eine gerichtliche Vermittlung aussichtslos sei.

Der Beteiligte zu 2) hat Zurückweisung der Beschwerde beantragt und verweist auf seine bisherige Stellungnahme sowie die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben schriftsätzlich gemeinsam ausgeführt, dem Vermittlungsverfahren werde ihres Erachtens kaum Aussicht auf Erfolg beschert sein, weil die Fronten zu verhärtet seien. Sie selbst würden es als am Gerechtesten ansehen, wenn sie den gesamten Nachlass erhalten würden, weil die Beteiligten zu 1) und 2) schon zu Lebzeiten ihrer Eltern viel erhalten hätten. Als Kompromiss würden Sie ansehen wenn sie beide die Friesentracht erhalten, die Beteiligte zu 1) das Mobiliar und der Beteiligte zu 2) die Landwirtschaftsfläche, wobei der Mehrwert auszugleichen sei. Als letzter Ausweg bliebe das Versteigerungsverfahren.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2012 nicht abgeholfen und ergänzend ausgeführt, der Hinweis der Beteiligten zu 3) und 4) darauf, dass die Beteiligten zu 1) und 2) zu Lebzeiten der Erblasserin etwas erhalten hätten, könne möglicherweise als Ausgleichspflicht nach § 2050 BGB zu verstehen sein. Ob eine solche Ausgleichspflicht bestehe, könne aber im Rahmen vermittelnder Tätigkeit nicht festgestellt, sondern müsse zunächst gerichtlich geklärt werden. Letztlich gebe es auch andere Möglichkeiten der Erbauseinandersetzung, wie die Klage auf Erbschaftsteilung.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat die Einleitung und Durchführung des gerichtlichen Vermittlungsverfahrens nach den §§ 363 ff FamFG zu Unrecht abgelehnt. Der Ablehnung liegt ein fehlerhaftes Verständnis des Amtsgerichts von diesem vom Gesetzgeber schon zu Zeiten des FGG vorgesehenen und mit dem FamFG noch weiter ausgestalteten Verfahren zugrunde. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Vermittlungsverfahren nicht nötig ist, wenn sich die Erben untereinander über die Verteilung des Nachlasses nicht streiten, sondern einig sind. Gerade wenn über die Verteilung aber Streit herrscht und außergerichtlich Einigung nicht erzielt werden kann, macht ein gerichtliches Vermittlungsverfahren Sinn und ist also durchzuführen, auch wenn einzelne Beteiligte schriftsätzlich vorab erklären, dieses Verfahren nicht zu wollen. Das Gericht kann die Antragsteller in einer solchen Situation keinesfalls auf die Erhebung einer Erbteilungsklage verweisen. Für das vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Verfahren nach den §§ 363 ff FamFG bliebe anderenfalls praktisch kein Raum.

Das Gesetz ordnet in § 363 Abs. 1 FamFG an, dass das Gericht auf Antrag die Nachlassauseinandersetzung zwischen den Beteiligten zu vermitteln “hat” (!). Als einzigen Ablehnungsgrund nennt der Gesetzgeber dort den Fall, dass ein zur Auseinandersetzung berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden ist. Sinn und Zweck der §§ 363 ff FamFG kann es nur sein, gerade dann, wenn die Erben sich außergerichtlich nicht einigen können, ein gerichtliches Vermittlungsverfahren zur Vermeidung eines zeit- und kostenaufwendigen sonstigen gerichtlichen Verfahrens anzubieten. Unter Berücksichtigung von Wortlaut einerseits sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung andererseits können weitere, gesetzlich nicht geregelte Ausschlussgründe – die das Amtsgericht hier anwenden will – ersichtlich nur anerkannt werden, wenn diese Gründe die Vermittlung von vornherein unmöglich machen. Das gilt etwa in dem Fall, wo ein Nachlassinsolvenzverfahren bereits eröffnet ist, weil die Miterben dort das Verwaltungs- und Verfügungsrecht verlieren (Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. A. 2011, § 363 Rn. 34; Mayer, RPfleger 2011, 245, 247). Es reicht für eine Ablehnung aber jedenfalls nicht aus, dass die Vermittlung angesichts des vorgerichtlichen Streits zunächst nach Aktenlage wenig erfolgsversprechend erscheint. Denn gerade das Geschick des gerichtlichen Vermittlers und dessen Sachkunde sollen doch nach dem Willen des Gesetzgebers in dem Verfahren nach den §§ 363 ff FamFG eingesetzt werden, um weitergehende gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Ob dies möglicherweise nicht ausreichen wird, um einen Vermittlungserfolg zu erreichen, steht nicht von vornherein nur deshalb fest, weil angesichts der bisherigen Diskussion der Erben vor Antragstellung die “Fronten verhärtet” erscheinen – wie hier die Beteiligten zu 3) und 4) geltend machen – und sich einzelne Miterben – hier der Beteiligte zu 2) – deutlich gegen die Durchführung des Verfahrens aussprechen (vgl. ebenso Ihrig, MittBayNot 2012, 353, 354 f; Mayer, RPfleger 2011, 245, 247 f)

Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob bereits aufgetretene und grundsätzlich im gerichtlichen Verfahren zu klärende streitige Rechtsverhältnisse die Durchführung des Vermittlungsverfahrens ausschließen (dafür etwa Zimmermann in Keidel a.a.O., § 363 Rn. 26; ablehnend Ihrig a.a.O. und weitgehend auch Mayer, a.a.O.). Das wird teilweise dann bejaht, wenn das Verfahren ersichtlich im Hinblick auf das streitige Rechtsverhältnis sogleich nach Einleitung gemäß § 370 FamFG wieder auszusetzen wäre (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 5 f noch zu §§ 86 ff FGG; Zimmermann in Keidel, a.a.O., § 363 Rn. 72; Löhnig in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2009, § 363 Rn. 6). Allerdings müssen nicht unbeträchtliche Voraussetzungen erfüllt sein, um das Vermittlungsverfahren auszusetzen (zu den Anforderungen vgl. OLG Schleswig, B. v. 9. Oktober 2012, 3 Wx 7/12, vollständig bei […], Kurzwiedergabe in Erbrecht effektiv 2013, 1).

Im vorliegenden Fall gibt es aber keinen Streit um die Auslegung eines Testamentes (wie im Fall des OLG Düsseldorf) oder um die Stellung eines Beteiligten als Miterben, die von vornherein nicht vermittelnd geklärt, sondern gerichtlich entschieden werden müssten. Es gibt auch darüber hinaus keine von den Beteiligten aufgezeigte streitige Rechtsfrage, die einem Vermittlungserfolg zwangsläufig entgegenstehen und zuvor durch gerichtliche Entscheidung geklärt werden müsste. Der Beteiligte zu 2) hat nur als Hintergrund zu seiner kritischen Haltung gegenüber dem vorgerichtlich von den Rechtsanwälten ausgearbeiteten Verteilungsvorschlag angeführt, dass die Beteiligte zu 1) von dem gemeinsamen Vater zu Lebzeiten wertvolle Hausgrundstücke übertragen bekommen habe, ohne die Gegenleistung zu erbringen, während er von dem Vater nur weniger wertvolle landwirtschaftliche Flächen erhalten habe. Weil es hier aber nicht um die gesetzliche Erbfolge nach dem 2006 vorverstorbenen Vater geht, sondern um die Verteilung des Nachlasses nach der Mutter, ergibt sich aus diesem Vortrag nicht (und wird auch nicht geltend gemacht), dass bei der Regelung des Nachlasses der Mutter Ausgleichspflichten nach § 2050 BGB zu klären wären. Auch aus dem knappen Vorbringen der Beteiligten zu 3) und 4) lässt sich nicht ersehen, dass im Zusammenhang mit dem Nachlass der Mutter Fragen nach § 2050 BGB zu klären wären. Schon gar nicht ist allerdings erkennbar – und nur das könnte als Ausschlussgrund möglicherweise relevant sein -, dass sich zwischen den Beteiligten wegen etwaiger von der Mutter erhaltener Vorempfänge im Sinne des § 2050 BGB Streitigkeiten bereits derart verdichtet hätten, dass ein eingeleitetes Vermittlungsverfahren sogleich zwingend auszusetzen und eine gerichtliche Entscheidung über diese Frage herbeizuführen wäre. Ganz im Gegenteil ergibt sich gerade aus dem Schriftsatz der Beteiligten zu 3) und 4) vom 23. November 2012, dass diese kompromissbereit sind und als Kompromiss eine konkret aufgeführte Verteilung des Nachlasses nach der Mutter vorschlagen.

Es braucht deshalb hier nicht im Einzelnen geklärt zu werden, unter welchen (engen) Voraussetzungen die Einleitung des beantragten Vermittlungsverfahrens über den Wortlaut von § 363 Abs. 1 FamFG hinaus ausnahmsweise abgelehnt werden darf. Im vorliegenden Fall sind sie jedenfalls nicht erfüllt und liegt vielmehr angesichts des Umstandes, dass die Verteilung des Nachlasses der Erblasserin wegen Unstimmigkeiten zwischen den Miterben außergerichtlich nicht gelungen ist, gerade eine Situation vor, in der auf Antrag eben das gerichtliche Vermittlungsverfahren durchzuführen ist, um den Nachlass möglichst ohne aufwendige und kostenintensive streitige gerichtliche Verfahren zwischen den Miterben zu verteilen. Daran ändert ersichtlich die Einleitung der Teilungsversteigerung betreffend die landwirtschaftliche Fläche nichts, denn bei einer erfolgreichen Vermittlung kann der Antrag auf Teilungsversteigerung zurückgenommen werden oder es kann der Ausgang der Teilungsversteigerung durch entsprechenden prozentualen Anteil der beteiligten Miterben an diesem (noch unbekannten) Ergebnis in einer gerichtlich vermittelten Einigung berücksichtigt werden. Im Hinblick auf dieses Verfahren und die Möglichkeit einer Teilungsversteigerung auch in Bezug auf den sonstigen Nachlass erscheint ein Vermittlungsversuch auch deshalb keinesfalls aussichtslos, weil sich die Beteiligten – sachkundig durch das vermittelnde Gericht angeleitet – der Erkenntnis kaum werden verschließen können, dass Versteigerungen häufig zu einem wirtschaftlich wesentlich ungünstigeren Ergebnis führen, als eine bei Erfolg der beantragten gerichtlichen Vermittlung einvernehmliche Aufteilung unter den Miterben.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde sind Gerichtskosten nicht zu erheben (§ 131 Abs. 3 KostO). Anlass gemäß § 81 FamFG, einem der Beteiligten die Übernahme der außergerichtlichen Kosten eines anderen Beteiligten aufzuerlegen, besteht nicht.