Leitsätzliches:
2) Ist ein vorausgegangenes Mahnverfahren durch eine anderweitige Zuständigkeitswahl des Antragstellers verloren gegangen, kommt eine Gerichtsstandbestimmung nicht länger in Betracht.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Datum: 21.04.2016
Gericht: OLG Kassel
Spruchkörper: 209 AR
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 209 AR 2/16
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verein, der u.a. Träger des Altenpflegeheims St. G. in N. ist. Die am 03.05.2014 verstorbene Frau H. K. wohnte zuletzt in diesem Pflegeheim. Die Antragsgegnerin Ziffer 1 ist Erbin der Verstorbenen; der Antragsgegner Ziffer 2 ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Verstorbenen. Die Antragsgegnerin Ziffer 1 hat ihren Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Lörrach; der Antragsgegner Ziffer 2 hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Lahr.
Der Antragsteller macht aus dem mit der Verstorbenen abgeschlossenen Heimvertrag restliche Vergütungsansprüche für den Aufenthalt im Pflegeheim vor dem 03.05.2015 geltend. Der Antragsteller hat zunächst Mahnbescheide gegen die Antragsgegnerin Ziffer 1 als Erbin und gegen den Antragsgegner Ziffer 2 als Testamentsvollstrecker erwirkt. Das Mahnverfahren gegen die Antragsgegnerin Ziffer 1 ist nach Widerspruch an das Amtsgericht Lörrach abgegeben worden, welches der Antragsteller im Mahnantrag als zuständiges Gericht angegeben hatte. In dem nunmehr beim Amtsgericht Lörrach gegen die Antragsgegnerin Ziffer 1 anhängigen streitigen Verfahren hat der Antragsteller die Ansprüche gegen beide Antragsgegner mit Schriftsatz vom 01.02.2016 begründet.
Mit Schriftsatz vom 01.02.2016, der an das Oberlandesgericht Karlsruhe – Zivilsenate in Freiburg – weitergeleitet worden ist, beantragt der Antragsteller, für die Klage gegen beide Antragsgegner ein gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen. Da der allgemeine Gerichtsstand für die beiden Antragsgegner bei verschiedenen Amtsgerichten liege, sei eine Gerichtsstandsbestimmung geboten, um eine gemeinsame Verhandlung der Klage gegen die Antragsgegner als Streitgenossen zu erreichen.
Mit Verfügung vom 04.03.2016 hat der Berichterstatter des Senats darauf hingewiesen, dass gegen eine Gerichtsstandsbestimmung möglicherweise rechtliche Bedenken bestehen, wenn ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gegeben ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Sowohl der Antragsteller als auch beide Antragsgegner sind daran interessiert, dass das Amtsgericht Lahr für zuständig erklärt wird.
II.
Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO liegen nicht vor.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe – Zivilsenate in Freiburg – im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren ergibt sich aus § 36 Abs. 2 ZPO. Der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin Ziffer 1 liegt im Bezirk des Amtsgerichts Lörrach, während der Antragsgegner Ziffer 2 seinen allgemeinen Gerichtsstand beim Amtsgericht Lahr hat. Das Oberlandesgericht Karlsruhe – Zivilsenate in Freiburg – ist für diese beiden Gerichte das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht.
2. Eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO kommt nicht in Betracht. Es reicht nicht aus, dass die beiden Antragsgegner ihren Wohnsitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte haben. Denn eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat wäre nach dem Gesetz nur dann möglich, wenn auch kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet wäre. Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Es gibt einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand des Erfüllungsortes, welchen der Antragsteller für seine Klage gegen beide Antragsgegner hätte wählen können.
a) Gegenstand des vor dem Amtsgericht Lörrach geführten Rechtstreits sind Zahlungsansprüche aus einem Heimvertrag. Der Erfüllungsort für die vertraglichen Zahlungspflichten der Verstorbenen ergibt sich aus § 269 Abs. 1 BGB. Für die Entscheidung des Senats kommt es nur darauf an, dass es einen solchen Erfüllungsort tatsächlich gibt. Es kann dabei jedoch dahinstehen, welches der vertragliche Erfüllungsort ist. Insoweit kommt in Betracht entweder der Ort, an welchem die vertragscharakteristische Leistung des Antragstellers erbracht wurde, also der Ort des Pflegeheims in N.. (Vgl. zur Maßgeblichkeit der vertragscharakteristischen Leistung auch für die zu erbringende Gegenleistung in bestimmten Fällen Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 269 BGB, RdNr. 13, 14.) N. liegt im Bezirk des Amtsgerichts Müllheim, das insoweit als örtlich zuständiges Gericht in Betracht kommen könnte. Wenn man die vertragscharakteristische Leistung im Rahmen von § 269 Abs. 1 BGB für nicht maßgeblich erachten sollte (vgl. zu dieser Problematik Palandt/Grüneberg a.a.O.), wäre der Wohnsitz der Verstorbenen bei Abschluss des Heimvertrages maßgeblich. Es kann dabei dahinstehen, ob die Verstorbene bei Abschluss des Vertrages schon im Pflegeheim wohnte, oder ob ihr Wohnsitz zu diesem Zeitpunkt noch an einem anderen Ort lag. Jedenfalls würde sich – auch dann, wenn man für den Heimvertrag nicht auf die vertragscharakteristische Leistung abstellt – in jedem Fall ein Erfüllungsort gemäß § 269 Abs. 1 BGB feststellen lassen.
b) Der Erfüllungsort für die Zahlungspflichten der Verstorbenen ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO auch der maßgebliche Erfüllungsort für die Verpflichtungen der Erbin und des Testamentsvollstreckers. Denn der vertragliche Charakter der Verpflichtung ändert sich nicht, wenn anstelle der Verstorbenen Erbin und Testamentsvollstrecker in Anspruch genommen werden. Der Erfüllungsort für eine vertragliche Verpflichtung bleibt gemäß § 29 Abs. 1 ZPO auch bei einer Gesamtrechtsnachfolge maßgeblich. Dies gilt insbesondere für die Haftung von Erben (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 29 ZPO, RdNr. 7; BayObLG, NJW-RR 2006, 15).
c) Für die Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung kommt es nicht darauf an, ob die Klage gegen beide Antragsgegner noch am Ort des Erfüllungsorts erhoben werden kann. Der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand steht nach dem Wortlaut von § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO einer Entscheidung des Senats auch dann entgegen, wenn der besondere Gerichtsstand verloren gegangen ist, weil der Antragsteller bereits eine anderweitige Zuständigkeitswahl getroffen hat (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 36 ZPO, RdNr. 15 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Die Möglichkeit einer Auswahl unter mehreren zuständigen Gerichten (§ 35 ZPO) steht dem Antragsteller nicht mehr zur Verfügung. Der Antragsteller hat für die Klage gegen die Antragsgegnerin Ziffer 1 bereits das (für den Wohnsitz der Antragsgegnerin Ziffer 1 zuständige) Amtsgericht Lörrach gewählt. Diese Wahl ist bindend (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O., § 35 ZPO, RdNr. 2). Entscheidend ist, dass der Antragsteller bereits im Mahnantrag das Amtsgericht Lörrach ausgewählt hat. Nach Zustellung des Mahnbescheids ist eine Korrektur durch eine erneute Ausübung des Wahlrechts nicht mehr möglich (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O., § 690 ZPO, RdNr. 16 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Antragsteller hätte die Möglichkeit gehabt, in den Mahnanträgen gegen beide Antragsgegner jeweils das – identische – für den Erfüllungsort zuständige Gericht anzugeben. Dann wären beide Mahnverfahren nach Widerspruch an das selbe Amtsgericht abgegeben worden. § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO eröffnet nicht die Möglichkeit, eine andere Entscheidung des Antragstellers bei Beantragung der Mahnbescheide später zu korrigieren.
d) Auch der Umstand, dass sämtliche Verfahrensbeteiligte eine gemeinsame Verhandlung vor dem Amtsgericht Lahr wünschen, gibt dem Senat nicht die Möglichkeit, von der gesetzlichen Regelung in § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO abzuweichen. Im Hinblick auf die vom Antragsteller bereits getroffene Wahl des zuständigen Gerichts (siehe oben) ließe sich eine gemeinsame Verhandlung vor dem Amtsgericht Lahr nur dadurch erreichen, dass der Antragsteller seine Klage zurücknimmt und anschließend eine neue Klage gegen beide Antragsgegner zum Amtsgericht Lahr erhebt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.