Leitsätzliches:
Bayerisches Oberstes Landesgericht
Datum: 06.05.1997
Gericht: BayObLG
Spruchkörper: 1Z BR
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 1Z BR 248/96
Gründe:
I. Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändig geschriebenes Testament vom 21.10.1991, in dem sie die Beteiligten zu 1 und 2 zu Erben je zur Hälfte einsetzte und Vermächtnisse anordnete, die mit Auflagen verbunden waren. Für die Vollziehung der Auflagen ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an und ernannte den Beteiligten zu 3 zum Testamentsvollstrecker.
In einem Nachtrag vom 17.10.1992 zum Testament ordnete sie an:
…
X-Weg hat meine Nichte A. 927 qm von mir bekommen. Sie ist immer besorgt um mich. Der übrige Bauplatz ungefähr 2.500 qm wird als Nachlaß Verwalter C. eingesetzt. Für wohltätige – Zwecke verschenkt. C. steht auch sein Anteil zu.
…
C. teilte dem Nachlaßgericht mit, daß er das Amt des Testamentsvollstreckers ablehne. Am 19.3.1996 wies das Nachlaßgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 zurück. der sie als Miterben je zur Hälfte ohne. Testamentsvollstreckungsvermerk ausweisen sollte. Mit Beschluß vom 3.6.1996, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 am 10.6.1996 zugestellt wurde, ernannte das Nachlaßgericht den Beteiligten zu 3 zum Testamentsvollstrecker hinsichtlich des im Nachtragstestament bezeichneten Grundstücks. Die hiergegen am 14.6.1996 eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht am 25.10.1996 zurück. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben gegen diesen am 7.11.1996 zugestellten Beschluß mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14.11.1996, beim Landgericht am 15.11.1996 eingegangen, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 3 hat sich nicht geäußert.
II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§§ 27, 29 Abs. 2, § 81 Abs. 1 FGG) und form- und fristgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 und 4, § 22 Abs. 1 FGG).
2. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Nachtrag vom 17.10.1992 zum Testament enthalte die Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Das Nachlaßgericht habe, nachdem der im Nachtrag benannte C. das Amt des Testamentsvollstreckers abgelehnt hatte, zu Recht eine andere Person zum Testamentsvollstrecker ernannt. Denn die Auslegung der letztwilligen Verfügung der Erblasserin ergebe, daß die Erblasserin, hätte sie an diesen Fall gedacht, dem Nachlaßgericht die Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers übertragen hätte. Die Wahl eines anderen Testamentsvollstrecker sei auch ermessensfehlerfrei getroffen worden.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegericht hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Die Auffassung des Landgerichts, die Erblasserin habe hinsichtlich des von ihr als Bauplatz bezeichneten Grundstücks von 2.500 qm Testamentsvollstreckung angeordnet und dem Nachlaßgericht die Bestimmung eines anderen Testamentsvollstreckers im Bedarfsfall überlassen, kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
aa) Die Verfügung der Erblasserin im Nachtrag hinsichtlich dieses Grundstücks ist unklar und bedarf der Auslegung. Die Auslegung ist Sache der Tatsachengerichte und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur dahin überprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem Sinn und Wortlaut der Verfügung nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (BayObLGZ 1994, 313/31 8).
bb) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der formwirksam eigenhändig geschriebene und unterschriebene Nachtrag zum Testament hinsichtlich des Grundstücks die Anordnung einer Testamentsvollstreckung enthält. Die Erblasserin hat, wenn auch unvollständig, zum Ausdruck gebracht, daß das im Nachtragstestament benannte Grundstück für wohltätige Zwecke verwendet werden solle. Der Begriff “Nachlaßverwalter”, ist von der Erblasserin ersichtlich nicht entsprechend dem juristischen Sprachgebrauch verstanden worden. C. sollte ihre Verfügung im Testament, Verwendung des Grundstücks für wohltätige Zwecke, ausführen. Damit hat sie C. als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
cc) Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene ergänzende Auslegung des Testaments, daß die Erblasserin das Nachlaßgericht um Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers (§ 2200 Abs. 1 BGB) ersucht hätte, wenn sie den Wegfall des von ihr ernannten Testamentsvollstreckers bedacht hätte.
(1) Die Erblasserin hatte in dem Testament C. zum Testamentsvollstrecker ernannt und für den Fall, daß er das Amt nicht annimmt, keine Vorsorge getroffen. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Ernennung einer bestimmten Person zum Testamentsvollstrecker nicht ohne weiteres das Ersuchen an das Nachlaßgericht zur Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers enthält (BayObLG FamRZ 1987, 98 /100; Soergel/Damrau BGB 12. Aufl. Rn. 3, Palandt/Edenhofer BGB 56. Aufl. Rn. 1, jeweils zu § 2200).
(2) Hat der Erblasser Veränderungen, die nach der Testamentserrichtung eintreten und für den Inhalt seiner Verfügung wesentlich sind, nicht erwogen, so ist zu ermitteln, was im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments als von ihm gewollt anzusehen sein würde, sofern er diese Entwicklung bedacht hätte (ergänzende Auslegung, vgl. BGHZ 22, 357 /360, BayObLGZ 1994, 313/31 8). Erst nach der Ermittlung des Erblasserwillens stellt sich die Frage, ob dieser Wille in der Urkunde eine hinreichende Stütze findet (BGHZ 86, 41 /47 und BayObLG aaO.).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführer hindert der Wortlaut des § 2200 Abs. 1 BGB eine ergänzende Testamentsauslegung nicht. Das Wort “Ersuchen” in § 2200 Abs. 1 BGB verlangt nach seinem Wortlaut nicht eine ausdrückliche Aufforderung an das Nachlaßgericht durch den Erblasser.
Entscheidend ist auch bei dieser Anordnung der Wille des Erblassers, der nach den allgemein geltenden Grundsätzen zur Auslegung von Testamenten zu ermitteln ist (vgl. BayObLG FamRZ 1987, 98 /100; Palandt/Edenhofer § 2200 Rn. 1).
(3) Für die Ermittlung des Erblasserwillens können insbesondere die Gründe, die den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben, aufschlußreich sein (BayObLG FamRZ 1988, 325 /326). Das Landgericht hat den wesentlichen Grund der Testamentsvollstreckung darin gesehen, daß die Erblasserin das genannte Grundstück zu wohltätigen Zwecken verschenken und die Bestimmung des wohltätigen Zwecks nicht den Erben habe überlassen wollen. Sie habe die Ausführung ihrer Verfügung durch den Testamentsvollstrecker sicherstellen wollen. Das Landgericht hat diesen Willen der Erblasserin insbesondere den Aussagen des C. und des Beteiligten zu 3 entnommen, der als Vermächtnisvollstrecker von der Erblasserin im Testament vom 21.10.1991 eingesetzt worden war.
Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung entspricht den Grundsätzen der ergänzenden Testamentsauslegung. Der Einwand der Rechtsbeschwerdeführer, es bestünden für diese Auslegung im Testament keine Anhaltspunkte, greift nicht durch. Der vom Landgericht ermittelte Wille der Erblasserin hat in dem Nachtrag zum Testament – wenn auch unvollkommen – Ausdruck gefunden (vgl. BayObLG FamRZ 1987, 98 /100). Angesichts des von der Erblasserin verfolgten Ziels, das im Testament festgelegt war (Verwendung des Grundstücks für wohltätige Zwecke), war für sie die Anordnung der Testamentsvollstreckung, nicht die Person des Testamentsvollstreckers ausschlaggebend. Damit ist auch zum Ausdruck gebracht, daß sie die Anordnung der Testamentsvollstreckung bei Wegfall von C. fortbestehen lassen wollte. Fiel die von ihr eingesetzte Person weg, so liegt es nach der Lebenserfahrung am nächsten, daß sie eine unabhängige Instanz wie das Nachlaßgericht mit der Auswahl eines anderen Testamentsvollstreckers betraut hätte. Anhaltspunkte dafür, daß die Erblasserin die Auswahl einem Dritten oder gar den Erben überlassen wollte, sind dem gesamten Testament nicht zu entnehmen und auch nicht vorgetragen worden.
(4) Zutreffend hat das Landgericht ferner festgestellt, daß die Gründe der Erblasserin für die Anordnung der Testamentsvollstreckung nach dem Wegfall des von ihr benannten Testamentsvollstreckers fortbestehen und sich der Zweck der Testamentsvollstreckung noch nicht erledigt hat (BayObLG FamRZ 1988, 325 ; OLG Hamm OLGZ 1976, 20/21 ; Soergel/Damrau § 2200 Rn. 3).
b) Das Nachlaßgericht hat den Beteiligten zu 3 gerade im Hinblick auf das von der Erblasserin ihm entgegengebrachte Vertrauen ausgewählt. Ermessensfehler bei der Auswahl sind nicht ersichtlich.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt. Der Beteiligte zu 3 hat sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert.
5. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts gemäß §§ 131, 30 Abs. 2 KostO auf 25.000 DM festgesetzt.