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Die Pflichten eines Testamentsvollstreckers bei einer Nachlassspaltung aufgrund eines Auslandsgrundstücks – BayObLG, Beschluss vom 26.11.2004 – Az. 1Z BR 74/04

Leitsätzliches:

Der Testamentsvollstrecker ist im Zuge einer Nachlassspaltung aufgrund eines Auslandsgrundstücks verpflichtet, die Erben über seine Zuständigkeit bzgl. der Auslandsgrundstücke aufzuklären, wenn diese irriger Weise annehmen, dass er zuständig sei.

Bayerisches Oberstes Landgericht

Datum: 26.11.2004

Gericht: BayObLG

Spruchkörper: 1Z BR

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 1Z BR 74/04

Gründe:

I.

Die am 24.1.1994 im Alter von 72 Jahren ledig und kinderlos verstorbene Erblasserin war deutsche Staatsangehörige.

Die Beteiligten zu 2 bis 7 und 9 bis 15 sind die Neffen und Nichten, die Beteiligte zu 8 ist die Witwe eines inzwischen verstorbenen Neffen der Erblasserin.

Am 28.7.1991 errichtete die Erblasserin in München ein handschriftliches Testament, in dem sie die Kinder ihrer fünf Geschwister zu Erben einsetzte und Vermächtnisse anordnete, unter anderem hinsichtlich eines Hauses mit Apothekenanwesen in Casablanca/Marokko zu Gunsten ihres dort ansässigen ehemaligen Präparateurs. Ferner ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an und bestimmte den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum Testamentsvollstrecker.

Der Nachlass zum Todeszeitpunkt bestand im Wesentlichen aus Grundvermögen in Deutschland, Florida/U.S.A. und Casablanca/Marokko sowie Bankguthaben und Wertpapieren.

Mit Beschluss vom 17.5.1995 hat das Amtsgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein zu Gunsten der Beteiligten zu 2 bis 7 und 9 bis 15 sowie des Ehemannes der Beteiligten zu 8 bewilligt. Der Beteiligte zu 1 nahm das Amt als Testamentsvollstrecker am 4.3.1994 an, am 14.7.1994 wurde ihm daraufhin vom Amtsgericht ein uneingeschränktes Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt.

Die Beteiligten zu 2 bis 8 beanstanden die Ausübung des Testamentsvollstreckeramtes durch den Beteiligten zu 1. Sie rügen insbesondere, dass es der Beteiligte zu 1 über Jahre hinweg schuldhaft versäumt habe, eine ordnungsgemäße Veräußerung des Grundstücks in Florida/U.S.A. herbeizuführen. Das Grundstück sei inzwischen wegen geringfügiger Steuerrückstände versteigert worden. Ferner sei durch die zögerliche Handlungsweise des Beklagten zu 1 innerhalb der letzten zehn Jahre weder ein Verkauf der Eigentumswohnung in Casablanca noch eine Übertragung des Apothekenanwesens in Casablanca an den Vermächtnisnehmer erfolgt.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht die Entlassung des Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker mit Beschluss vom 26.8.2003 ausgesprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht nach eingehender Anhörung des Testamentsvollstreckers und des Beteiligten zu 9 mit Beschluss vom 30.6.2004 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist statthaft gemäß § 81 Abs. 2, §§ 27, 29 Abs. 2 FGG. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

Die sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, ein ursprünglich zum Nachlass gehörendes Grundstück in Florida sei am 23.12.1996 wegen geringfügiger Steuerrückstände versteigert worden. Diese Versteigerung hätte verhindert werden können; der Beteiligte zu 1 habe seit dem 18.10.1994 um das Vorhandensein des Grundstücks gewusst und nicht im erforderlichen Maß reagiert. Erstmals im Entlassungsverfahren habe er sich insoweit auf eine – sein Testamentsvollstreckeramt beschränkende – Nachlassspaltung berufen, die weder in dem 1995 von ihm gefertigten Nachlassverzeichnis noch im Erbscheinsantrag Niederschlag gefunden hat. Es habe für ihn aber eine Aufklärungspflicht gegenüber den Erben, die sich – für ihn erkennbar – auf ihn verlassen haben, bestanden.

Hinsichtlich der Eigentumswohnung in Casablanca/Marokko habe der Beteiligte zu 1 keine ernsthaften Bemühungen zur Verwertung angestellt. Zur Erfüllung des das Grundvermögen in Marokko betreffenden Vermächtnisses habe der Beteiligte zu 1 kein aktives und zielstrebiges Tätigwerden entfaltet. Im Hinblick auf das Alter des Vermächtnisnehmers bestehe eine Gefährdung dessen Interessen. Insgesamt habe der Beteiligte zu 1 durch zu passives Verhalten objektiven Anlass zum Misstrauen eines Teils der Erben gegeben. Es liege daher ein wichtiger Grund zu seiner Entlassung vor.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO)

a) Zu Recht hat das Landgericht die Anwendbarkeit deutschen Rechts bejaht, soweit nicht das in Florida belegene Grundstück in Frage steht. Nach Art. 25 EGBGB wird die deutsche Erblasserin nach deutschem Recht beerbt.

Das als Gesamtstatut an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Erbstatut des Art. 25 Abs. 1 EGBGB wird durch das Einzelstatut des Art. 3 Abs. 3 EGBGB unter Durchbrechung des internationalen Entscheidungseinklangs verdrängt, sofern der Belegenheitsstaat dort befindliche Nachlassgegenstände besonderen Vorschriften unterwirft. Dies hat zur Folge, dass dann die lex rei sitae zur Anwendung kommt (vgl. Staudinger/Dörner BGB Neubearbeitung 2000 Art. 25 EGBGB Rn. 542; von Hoffmann IPR 7. Aufl. § 9 Rn. 62).

Die nach dem Recht der U.S.A. maßgebliche Teilrechtsordnung des Bundesstaats Florida als Belegenheitsstaat unterwirft die Erbfolge in den unbeweglichen Nachlass der zur Zeit des Todes geltenden lex rei sitae (vgl. Ferid/ Firsching/ Dörner/Hausmann, Int.ErbR USA Grdz. C II, Rn. 39, 39 a). Dies hat zur Folge, dass dieser Nachlassteil als selbständig anzusehen ist und dem Erbstatut des Bundesstaats Florida unterliegt, während der übrige Nachlassteil dem deutschen Erbstatut unterfällt; es ist also Nachlassspaltung eingetreten (BayObLGZ 1999, 296/30 2; BayObLGZ 1971, 34/41 ; Palandt/Heldrich BGB 63. Aufl. Art. 25 EGBGB Rn. 2).

Dem Erbstatut des Bundesstaates Florida unterliegt – hinsichtlich des dort belegenen Nachlassteils – nicht nur die Erbfolge, sondern auch die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung und die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers (BayObLGZ 1999, 296/30 2; BayObLGZ 1965, 377/38 2).

Auf das besondere Formstatut für letztwillige Verfügungen von Todes wegen des Art. 26 EGBGB, mit dem sich das Landgericht auseinandergesetzt hat, kommt es nicht an, da das Testament der Erblasserin vom 28.7.1991 bereits nach deutschem Recht zweifelsfrei formwirksam errichtet worden ist. Folgerungen für das Erbstatut als solches lassen sich aus Art. 26 EGBGB nicht ziehen.

b) Ohne die Frage der internationalen Zuständigkeit zu prüfen, hat das Landgericht stillschweigend eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entlassung des Testamentsvollstreckers angenommen. Deutsche Gerichte sind aber nach dem Grundsatz des Gleichlaufs zwischen materiellem Recht, internationaler Zuständigkeit und Verfahrensrecht (BayObLGZ 1999, 296/30 3) nur insoweit international zuständig, als auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht Anwendung findet. Da der in Florida belegene Nachlassteil aber dem Erbstatut von Florida unterliegt, sind und waren deutsche Gerichte international weder für die Bestellung des Testamentsvollstreckers noch für dessen Entlassung zuständig. Das erteilte Testamentsvollstreckerzeugnis ist unrichtig. Gleichwohl besteht Testamentsvollstreckung hinsichtlich des vom deutschen Erbstatut erfassten Nachlasses, der noch nicht vollständig abgewickelt ist, fort.

c) Insbesondere unterfällt der in Marokko belegene Nachlass einschließlich der dort belegenen beiden Grundstücke dem deutschen Erbstatut (Art. 25 EGBGB). Nach Art. 217 bis 242 des Gesetzbuches über den Personenstand, Dahir Nr. 1 – 58 – 112 vom 3.4.1958, der Mudauwana, in dem marokkanisches materielles Erbrecht geregelt wird (vgl. Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Intern. ErbR, Grundzüge G Marokko Rn. 2), tritt die Erbfolge kraft Gesetzes als Universalsukzession ein, ohne zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu unterscheiden.

d) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen Grund für die Entlassung des Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker bejaht.

aa) Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann der Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Gesetz nimmt als Beispiel hierfür eine grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers oder dessen Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung an.

Neben den im Gesetz genannten Beispielsfällen kann ein wichtiger Grund ohne Rücksicht auf ein Verschulden auch dann vorliegen, wenn der Testamentsvollstrecker durch sein persönliches Verhalten begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des letzten Willens des Erblassers hinderlich sei oder dass sich dadurch eine Schädigung oder erhebliche Gefährdung der Interessen der an der Ausführung oder am Nachlass Beteiligten ergeben würde (vgl. BayObLGZ 2001, 167/17 0).

Der Testamentsvollstrecker hat sich bei der Ausübung des Verwaltungsrechts von den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung leiten zu lassen (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 2216 Rn.1). Hierbei sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1959, 1820 /1821). Der Testamentsvollstrecker ist zu besonderer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit angehalten, er muss das ihm anvertraute Vermögen sichern und erhalten, vor allem Verluste vermeiden und Nutzungen gewährleisten (vgl. BGH NJW-RR 1989, 642 ). Er ist insbesondere zu Kontrollmaßnahmen verpflichtet, um rechtzeitig drohenden Gefahren und Verlusten zu begegnen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 577 /578).

Im Rahmen des ihm zustehenden Verwaltungsermessens darf der Testamentsvollstrecker sich nicht grundlos über die Interessen und Vorstellungen der Erben und anderer Beteiligter hinwegsetzen.

bb) Von diesen rechtlichen Gegebenheiten ausgehend hat das Landgericht ohne Rechtsfehler das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Entlassung des Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker bezüglich des dem deutschen Recht unterliegenden Nachlasses bejaht.

(1) Zwar hätte das Landgericht auf das Verhalten des Beteiligten zu 1 bei der Verwaltung des in Florida gelegenen abgespaltenen Nachlassteils unmittelbar nicht abstellen dürfen, weil dieses Grundstück nicht dessen Testamentsvollstreckung unterlag. Gleichwohl hat das Landgericht zu Recht das Verhalten des Beteiligten zu 1 in Bezug auf das in Florida belegene Grundstück bei der Begründung von dessen Pflichtverletzung herangezogen.

Weder der vom Testamentsvollstrecker beantragte Erbschein noch sein Testamentsvollstreckerzeugnis und auch nicht das von ihm gefertigte Nachlassverzeichnis enthielten einen Hinweis auf die sich aus der Nachlassspaltung ergebenden Einschränkungen hinsichtlich des Grundstücks in Florida. Der Beteiligte zu 1 hat vielmehr die Erben über zehn Jahre in dem Glauben gelassen – und dies auch noch durch Gespräche mit einem amerikanischen Makler und dem Beteiligten zu 9 bezüglich einer Übernahme des Grundstücks bestärkt – er selbst gehe davon aus, dass sich die Testamentsvollstreckung auch auf den in Florida befindlichen Nachlass erstrecke. Nimmt ein Testamentsvollstrecker – wenn auch objektiv zu Unrecht – sein Amt bezüglich der im Ausland befindlichen Gegenstände in Anspruch, so hat er grundsätzlich die insoweit notwendigen Maßnahmen zu veranlassen. Das Landgericht konnte daher eine Pflichtverletzung des Beteiligten zu 1 im Ergebnis zutreffend daraus herleiten, dass er, ohne insoweit seine Zuständigkeit selbstständig zu prüfen, bezüglich des in Florida belegenen Grundstücks das Amt als Testamentsvollstrecker in Anspruch genommen, die zur Verwaltung notwendigen Maßnahmen aber unterlassen hat. Diese Unterlassung kann der Beteiligte zu 1 nicht mit der Begründung rechtfertigen, er sei insoweit nicht zuständig gewesen.

(2) Das vom Landgericht festgestellte Verhalten des Beteiligten zu 1 bei Abwicklung der in Marokko belegenen Nachlassgegenstände einschließlich des darauf ruhenden Vermächtnisses (keine ernsthaften Bemühungen um den Verkauf der Eigentumswohnung; Nichterfüllung des Vermächtnisses) hat das Landgericht zutreffend als unzureichend angesehen. Der Beteiligte zu 1 hat den in Marokko belegenen Nachlass nicht ordnungsgemäß verwaltet: weder hat er ihn hinreichend gesichert, noch Nutzen aus ihm gezogen. Das Vermögen wurde nicht verwertet, obwohl Kaufinteressenten vorhanden waren. Da der Beteiligte zu 1 selbst angibt, nur durch persönliches Erscheinen und Verhandeln vor Ort sei in Marokko ein effektives Vorantreiben der Nachlassabwicklung möglich, durfte das Landgericht es als pflichtwidrig ansehen, dass er während der letzten zehn Jahre nur einmal, nämlich im Jahr 1999, einen Bevollmächtigten dorthin geschickt hat, selbst aber nie nach Marokko zur Abwicklung des Nachlasses gefahren ist.

Insgesamt hat daher das Landgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Entlassung des Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker bejaht.

3. Für die Gerichtskosten ergibt sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

4. Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird nach §§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO mit einem Bruchteil des Reinnachlasswertes (vgl. BayObLGZ 1994, 313/32 5), also nach – vom Landgericht nicht vorgenommenem – Abzug der Vermächtnisse als Nachlassverbindlichkeiten auf rund 30.000 EUR festgesetzt.