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Der Einleitungssatz eines handschriftlichen Testaments als Anlass oder Bedingung – KG Berlin, Beschluss vom 24.04.2018 – Az. 6 W 10/18

Leitsätzliches:

Ein Testament, welches mit dem Einleitungssatz “für den Fall, dass ich heute… tödlich verunglücke…” beginnt, ist wirksam, da es sich lediglich um die Mitteilung über den Anlass des Dokuments (die Errichtung eines Testaments) handelt und nicht um eine Bedingung.

Kammergericht Berlin

Datum: 24.04.2018

Gericht: KG Berlin

Spruchkörper: 6 W

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 6 W 10/18

Gründe:

I.

Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) waren zweimal verheiratet, die Ehen sind jeweils geschieden worden. Die zweite Ehe wurde im Jahr 1986 geschieden (Bl. 42, 52 d. A.).

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Kinder der Erblasserin und des Beteiligten zu 1), wobei Beteiligte zu 3) vor und der Beteiligte zu 2) während der zweiten Ehe geboren wurde.

Nach dem Tod der Erblasserin hat der Beteiligte zu 1) als damaliger Betreuer des Beteiligten zu 2) einen gemeinschaftlichen Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der die Beteiligten zu 2) und 3) als Miterben zu je einer Hälfte des Nachlasses ausweist. Das Nachlassgericht hat am 10. Februar 2017 einen diesem Antrag entsprechenden gemeinschaftlichen Erbschein erteilt (Bl. 17 d. A.).

Im Juni 2017 hat der Beteiligte zu 1) ein zwischenzeitlich von ihm aufgefundenes handgeschriebenes Testament der Erblasserin beim Nachlassgericht eingereicht, in dem sie alle drei Beteiligten zu gleichen Teilen als ihre Erben wie folgt eingesetzt hat:

“Testament!

Für den Fall, das ich heute, am 26.11.99 tödlich verunglücke, fällt mein gesamter Nachlaß (Haus, Auto, Konto und persönliche Sachen) zu gleichen Teilen an:

W#### ### Sp### i, …

J#.# P### …

B# -R## …

Bis zur Selbständigkeit von B# -R## … verwaltet W#### ### … den Anteil von B# -R###

E### Sp####

26.11.1999

Aufgesetzt bei bester Gesundheit und vollem Bewußtsein”

Das Nachlassgericht hat die Beteiligten zu den Vorstellungen der Erblasserin bei und nach der Errichtung des Testamentes schriftlich befragt.

Der Beteiligte zu 1) hat dazu ausgeführt, die Erblasserin sei bei der Errichtung gesund gewesen und habe auch keine Flugreise oder eine andere lebensgefährliche Aktion unternommen. Sie habe immer davon gesprochen, dass sie vor ihm sterben werde und dabei an einen Tod nur durch einen Unfall geglaubt. Das Testament habe ab dem Zeitpunkt der Errichtung gelten sollen und nicht nur für den Fall des Ablebens der Erblasserin am 26. November 1999. Hintergrund seiner Erbeinsetzung sei, dass die Erblasserin und er weiterhin zusammen gelebt und gemeinsam für ihre Kinder gesorgt hätten. Sie hätten gemeinsam das Haus je zur Hälfte finanziert. Auch nach der Scheidung habe er an dem Haus weiter gebaut und für dessen Werterhaltung und Pflege finanziell und praktisch beigetragen. Die Erblasserin habe auch nach dem 26. November 1999 oft mit ihm darüber gesprochen, dass sie vor ihm sterben werde, er aber durch das Testament abgesichert sei (Bl. 42 d. A.)

Der Beteiligte zu 3) hat mitgeteilt, seine Mutter habe nicht mit ihm darüber gesprochen, dass sie ein Testament verfasst hat (Bl. 40 d. A.). Die Erblasserin sei intelligent gewesen und habe genau gewusst, was sie schreibt. Deshalb sei es abwegig, das Testament entgegen dem exakten Wortlaut zu verstehen. Vermutlich habe seine Mutter das Testament nach all den Jahren schlicht vergessen. Es habe für seine Mutter auch kein Anlass bestanden, den Beteiligten zu 1) testamentarisch zu bedenken. Er habe nach der Scheidung mit seiner Lebensgefährtin im Westteil Berlins zusammen gelebt und die DDR verlassen, das Haus befinde sich daher im Keller- und Dachgeschoss weiterhin im Rohbau. Er habe allerdings nach dem Ende der DDR wieder Kontakt zur Erblasserin aufgenommen. Die Erblasserin habe sich im Jahr 2006 mit ihrer Nichte ### ####, der Tochter der Schwester #######, darüber verständigt, wie die Dinge geregelt sein sollen, wenn sie mal nicht mehr ist, was aus dem Haus werden soll, wer die Betreuung für den Beteiligten zu 2) übernehmen soll. Demnach habe sie geäußert, sie werde das Testament ändern und anstelle des Beteiligten zu 1) die Nichte einsetzen (Bl. 84 d. A.). Diese Weitsichtigkeit habe die Erblasserin dazu veranlasst, 2006 das Testament zu ändern und die Nichte einzusetzen (Bl. 86 d. A.).

Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Erbschein wegen Unrichtigkeit eingezogen, da das Testament vom 26. November 1999 auch noch zum Zeitpunkt des Erbfalls Gültigkeit gehabt habe. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss verwiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2), vertreten durch seine für die Regelung der Nachlassangelegenheiten bestellte Betreuerin, binnen Monatsfrist Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, das Testament sei nicht mehr gültig gewesen. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut sei nicht möglich.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht vorgelegt.

II.

Die befristete Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, bleibt aber in der Sache aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohne Erfolg.

Der erteilte Erbschein ist unrichtig und deshalb gemäß § 2361 BGB einzuziehen. Denn er weist die gesetzliche Erbfolge aus. Die Erblasserin hat durch das formgültige Testament vom 26. November 1999 die Erbfolge jedoch abweichend geregelt.

Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) und 3) enthält die Eingangsformulierung des Testamentes keine Bedingung, von deren Eintritt die Wirksamkeit des Testamentes abhängen sollte; in ihr wird lediglich der Anlass für die Testamentserrichtung mitgeteilt.

Das Nachlassgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die konkrete Formulierung des Testamentes: “Für den Fall, das ich heute … tödlich verunglücke, …” einer Auslegung bedarf. Denn es ist auch bei einem vermeintlich eindeutigen Wortlaut stets zu fragen, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (BGHZ 86, 45; NJW 1993, 256). Deshalb ist auch hier durch Auslegung gemäß § 133 BGB zu ermitteln, welche Vorstellungen und welchen Willen die Erblasserin bei der Abfassung des Testamentes hatte.

Bei Testamenten, die mit ähnlichen Formulierungen wie der hier verwendeten die letztwillige Verfügung mit einem am Tag der Errichtung oder in einer bestimmten Situation (Reise, etc.) eintretenden Ereignis konditional verknüpfen, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Wille des Erblassers dahin zu erforschen ist, ob eine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testamentes im Rechtssinne vorliegt, mit deren Ausfall das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft unwirksam wird (§ 158 Abs. 1 BGB), oder ob es sich lediglich um die Mitteilung eines Beweggrundes oder des Anlasses für die Testamentserrichtung handelt, für deren Formulierung der Erblasser die Form eines Konditionalsatzes verwendet hat, ohne die Gültigkeit hiervon abhängig machen zu wollen. Eine solche Auslegungsbedürftigkeit ist deshalb immer dann gegeben, wenn nach Nichteintritt des genannten Ereignisses der Erblasser das Testament gleichwohl nicht widerrufen oder ein abweichendes Testament errichtet hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 8. 2015 – 3 Wx 191/14 – zitiert nach juris: Rdnr. 19 bei folgender Formulierung [Rdnr. 3]: “Sollte heute bei diesem Eingriff etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen, …” [es ging um eine Biopsie der an Leukämie erkrankten Erblasserin bei örtlicher Betäubung]; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 6. 7. 2015 – 3 W 38/15 – zitiert nach juris: Rdnr. 40 bei folgender Formulierung am Ende des Testamentes [Rdnr. 15]: “Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen.”; OLG München, Beschl. v. 15. 5. 2012 – 31 Wx 244/11 – zitiert nach juris: Rdnr. 12 bei folgender Formulierung als Einleitung [Rdnr. 3]: “Sollte mir bei der Gallenoperation etwas zustoßen, …”; BayObLG, Beschl. v. 24. 1. 2003 – 1 Z BR 14/02 – zitiert nach juris: Rdnr. 30 bei folgender Formulierung als Einleitung: “Wir … fahren in Urlaub … Sollte jedoch was unvorhergesehenes passieren, …”; BayObLG, Beschl. v. 13. 4. 1995 – zitiert nach juris: Rdnr. 12 – 14 – vor Antritt einer längeren Autofahrt errichtetes Testament mit der Formulierung: “Sollte uns beiden etwas zustoßen,…; BayObLG, Beschl. v. 20. 7. 1993 – 1Z BR 63/92 – zitiert nach juris: Rdnr. 17 – 20 [Formulierung wie vorstehend]).

Das Nachlassgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die in dem vorzitierten Beschluss des OLG München genannten Auslegungskriterien für diese Fälle wörtlich zutreffend wiedergegeben und auch zutreffend angewendet. Nach diesen Kriterien kommt es für die Frage, ob der Erblasser die Wirksamkeit seiner Anordnungen von einer echten Bedingung abhängig machen oder nur den Grund/Anlass der Testamentserrichtung wiedergeben wollte, maßgeblich darauf an, ob sich eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem angegebenen Ereignis und dem Eintritt der testamentarisch angeordneten Erbfolge feststellen lässt (OLG München a.a.O. Rdnr. 12). Lässt der Inhalt der Anordnungen dagegen keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, ist anzunehmen, dass die Anordnungen auch dann gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen stirbt als denjenigen, die Anlass für die Errichtung des Testamentes waren (ebenso OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 20; Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O. und BayObLG a.a.O.;). Eine solche unmittelbare Verknüpfung kann etwa dann gegeben sein, wenn sich – wie in dem der oben zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen OLG zugrunde liegenden Sachverhalt – die auszulegende Formulierung unmittelbar vor der Unterschrift befindet und der Erblasser ausdrücklich betont, dass das Testament “nur” unter den genannten Umständen gelten sollte; damit war dort hinreichend klargestellt, dass der Erblasser eine echte Bedingung wollte. Eine Verknüpfung des Inhalts der Verfügung mit der Todesart und dem Todeszeitpunkt kommt u. a. auch dann in Betracht, wenn die Erbeinsetzung bei einer bevorstehenden Urlaubsreise den Tod beider Eheleute voraussetzt (BayObLG, Beschl. v. 24. 1. 2003 a.a.O. Rdnr. 31).

Hier steht die Formulierung am Eingang des Testamentes. Dies spricht bereits dafür, dass es sich eher um die Mitteilung des Gedankens an den eigenen Tod als um eine echte Bedingung handeln sollte. Es gab für die Erblasserin bei der Testamentserrichtung objektiv auch keine anstehende Situation, bei der sie ernsthaft den Eintritt ihres Todes befürchten musste. Sie war gesund und lebte nach der Testamentserrichtung noch mehr als 16 Jahre. Der Beteiligte zu 1) vermutet, dass sie aus abergläubischen Motiven (Kartenlegen) auf den Gedanken gekommen sein mag, sie könnte an diesem Tag sterben. Bei einem derartigen Motiv der Erblasserin, das auf Aberglauben beruht, spräche sogar mehr dafür, dass sie den Eintritt ihres Todes an dem besagten Tag für sicher hielt, so dass überhaupt kein Anlass für eine Bedingung im Testament bestanden hätte. Hielt die Erblasserin dagegen nur auf Grund des allgemeinen Lebensrisikos einen Unfalltod am besagten Tag für möglich, so besteht erst Recht Grund zu der Annahme, dass die Erblasserin auch dann ihre Rechtsnachfolge regeln wollte, falls Unfallereignis und Todeseintritt infolge des Unfalls nicht am gleichen Tag eintraten oder falls der Tod unfallunabhängig und erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten sollte. Denn es sind keine Umstände festzustellen, die die Erblasserin bewogen haben könnten, nur für den einen Tag der Testamentserrichtung von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen und den Beteiligten zu 1) als Miterben zu gleichen Teilen neben ihren Kindern als Miterben zu bestimmen. Die Umstände sprechen vielmehr dafür, dass die Erblasserin mit der testamentarischen Regelung Streit zwischen den Beteiligten vermeiden und die Betreuung des Beteiligten zu 2) durch den Beteiligten zu 1) sicherstellen wollte. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch das Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 3), wonach die Erblasserin das Testament nach der Errichtung nicht vergessen habe. Der Beteiligte zu 3) hat mitgeteilt, die Erblasserin habe im Jahr 2006 das Testament ändern wollen. Hintergrund war nach seiner Darstellung, dass die Nichte der Erblasserin ###, die Tochter der Schwester ####, die Betreuung des Beteiligten zu 2) im Falle des Todes der Erblasserin übernehmen sollte und dass sie das Testament entsprechend ändern wollte. Dies zeigt, dass die Erblasserin selbst von der Fortgeltung ihres Testamentes ausging. Da kein Testament aufgefunden wurde, in dem die Erblasserin diesen vom Beteiligten zu 3) vorgetragenen Entschluss zu einer Änderung des Testamentes umgesetzt hat, gilt das Testament vom 26.11.1999 mangels Widerrufes (§§ 2253 ff. BGB) fort.

Bei der Kostenentscheidung hat der Senat hier unter Ausübung des in § 84 FamFG eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass der Beteiligte zu 2) zur Sachverhaltsklärung nichts beitragen konnte und mit der für die Regelung von Nachlassangelegenheiten bestellten Betreuerin nicht zusammen gewirkt hat, diese aber zur Wahrung der finanziellen Interessen des Beteiligten zu 2) die Entscheidung des Nachlassgerichts im Beschwerdeverfahren zur Überprüfung gestellt hat. Deshalb wäre es unbillig, den Beteiligten zu 2) mit Gerichtskosten zu belasten, die er auch von der nicht pflichtwidrig handelnden Betreuerin nicht erstattet erhalten würde. Für die Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht ebenfalls kein Anlass.

Für eine Wertfestsetzung besteht deshalb kein Anlass. Soweit es um die Festsetzung der anwaltlichen Gebühren gehen könnte, ist darauf hinzuweisen, dass der Wert sich nach einem Anteil von 1/6 am angegebenen Nachlasswert von 80.000,- EUR orientieren müsste, weil dies dem Interesse des Beteiligten zu 2) am Obsiegen mit der Beschwerde entspricht.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen liegen nicht vor. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung geklärt. Der Senat weicht von diesen Grundsätzen nicht ab. Im Übrigen geht es um die Auslegung des Testamentes im konkreten Einzelfall.