Leitsätzliches:
Landesgericht Köln
Datum: 04.09.2018
Gericht: LG Köln
Spruchkörper: 30 O
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 30 O 94/15
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Erbunwürdigkeit des Beklagten im Hinblick auf den Nachlass der verstorbenen T, geborene T1 (im Folgenden: Erblasserin).
Die Kläger sind Ersatzerben nach der am 22.10.2013 in Leichlingen verstorbenen Erblasserin. Der Beklagte war der Ehemann der Erblasserin.
Die Erblasserin und der Beklagte haben am 07.06.2005 einen Erbvertrag (Anl. K1) geschlossen, in welchem sie sich gegenseitig als befreite Vorerben einsetzten. Als Nachererben wurden die Schwester der Erblasserin, Frau Q, sowie Herr S, zu jeweils der Hälfte des Nachlasses eingesetzt. Die Kläger wurden zu gleichen Teilen als Ersatzerben von Frau Q eingesetzt. Mit notarieller Erklärung vom 10.08.2009 (Anl. K2) änderten die Erblasserin und der Beklagte den Erbvertrag dahingehend, dass Nacherbe neben Frau Q anstelle von Herrn S der Enkelsohn des Beklagten, C, sein soll. Zudem wurde die Testamentsvollstreckung angeordnet. Als Testamentsvollstrecker wurde Herr Rechtsanwalt Y benannt. Der vorläufige Wert des Nachlasses beläuft sich nach Auskunft des Testamentsvollstreckers auf 858.331,00 €. Nach Abzug des Pflichtteils der inzwischen verstorbenen Mutter der Erblasserin verbleibt ein vorläufiger Nachlass im Wert von 751.039,63 €.
Der Beklagte wurde mit Urteil des Landgerichts Köln vom 28.10.2014 wegen vorsätzlicher Tötung der Erblasserin zu elf Jahren Haft verurteilt. Der Beklagte hat hiergegen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.01.2018 die Revision des Beklagten als unbegründet verworfen.
Die Schwester der Erblasserin, Frau Q, hat die Nacherbschaft mit notarieller Erklärung am 19.02.2015 ausgeschlagen.
Die Kläger sind der Ansicht, dass die Annahme der Erbunwürdigkeit keine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung voraussetze, ausreichend sei, dass die Verfehlungen strafbar seien. Ferner sei die Ausschlagung der Frau Q rechtzeitig erfolgt. Unabhängig davon, seien die Kläger als Ersatz Nacherben anfechtungsberechtigt.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten hinsichtlich des Nachlasses der am 22.10.2013 in Leichlingen verstorbenen T (Erblasserin) für erbunwürdig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet den ihm zur Last gelegten Tatvorwurf und ist der Ansicht, dass die Ausschlagung durch die Nacherbin Frau Q zu spät erfolgt sei, da die Ausschlagungsfrist mit dem Anfall der Nacherbschaft beginne. Dies sei der Zeitpunkt der Verkündung des Urteils vom 28.10.2014. Ein Ersatz Erbfall sei nicht eingetreten.
Das Gericht hat die Akte des Strafverfahrens zu dem gerichtlichen Aktenzeichen 105 Ks 6/14 (Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft 91 Js 55/13) beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Gründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Beklagte ist gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB erbunwürdig.
I.
Die Anfechtungsklage wurde gemäß §§ 2340 Abs. 1, 3, 2082, 2342 Abs. 1 BGB rechtzeitig erhoben.
Die Erbunwürdigkeit des Beklagten war gemäß §§ 2340 Abs. 1, 3, 2082, 2342 Abs. 1 BGB durch Erhebung der Anfechtungsklage binnen Jahresfrist ab Kenntnis der Kläger von dem Anfechtungsgrund geltend zu machen. Die Jahresfrist begann frühestens mit der Verkündung des Strafurteils des Landgerichts Köln am 28.10.2014 zu laufen. Die Klage ist am 23.03.2015 eingereicht und am 05.05.2015 zugestellt worden, so dass die Jahresfrist eingehalten worden ist.
II.
Die Kläger sind gemäß § 2341 BGB anfechtungsberechtigt.
Dies ist jeder, dem der Wegfall des Erbunwürdigen, sei es auch nur beim Wegfall eines anderen Erben, zustattenkommt (vgl. Palandt/Weidlich, 77. Aufl., § 2341 BGB Rn. 1). Die Kläger wurden zu gleichen Teilen als Ersatzerben von Frau Q eingesetzt. Diese hat die Nacherbschaft mit notarieller Erklärung vom 19.02.2015 ausgeschlagen. Die Ausschlagung erfolgte nach Auffassung des Gerichts auch rechtzeitig.
Die Ausschlagung hat gemäß § 1944 Abs. 1 BGB innerhalb von sechs Wochen zu erfolgen. Nach § 1944 Abs. 2 BGB beginnt die Ausschlagungsfrist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Bei Nacherbfolge ist auch Kenntnis des Eintritts des Nacherbfalles erforderlich (vgl. BeckOK BGB/Siegmann/Höger BGB § 1944 Rn. 4, beck-online). Die Kenntnis des Eintritts des Nacherbenfalles und somit des Anfalles tritt jedoch erst mit rechtskräftiger Feststellung der Erbunwürdigkeit des Beklagten ein. Dies ist gerade Gegenstand des hiesigen Verfahrens und steht bislang noch nicht fest, so dass bislang noch keine Frist in Gang gesetzt wurde. Nach § 1946 BGB ist eine Ausschlagung aber bereits mit dem Erbfall möglich, so dass der Beginn der Ausschlagungsfrist oder der Anfall der Erbschaft deshalb nicht Voraussetzung sind (vgl. BeckOK BGB/Siegmann/Höger BGB § 1946 Rn. 1, beck-online). Damit war die Ausschlagung durch die Nacherbin Q am 19.02.2015 bereits möglich und nicht verfristet.
III.
Der Beklagte ist aufgrund des nunmehr rechtskräftig festgestellten Totschlages an der Erblasserin schuldig und damit nach § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB erbunwürdig.
Die Tötung des Erblassers führt stets zur Erbunwürdigkeit, wenn die Tat nach § 211 oder § 212 StGB (Mord oder Totschlag) erfüllt, also vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen ist (vgl. Palandt/Weidlich, 77. Aufl., § 2339 Rn. 3).
Das Gericht ist aufgrund der urkundlichen Verwertung des Strafurteils des LG Köln vom 28.10.2014, Aktenzeichen 105 Ks 6/14, mit der für eine Verurteilung erforderlichen persönlichen Gewissheit gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Beklagte die Klägerin vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft getötet hat, indem er sie zunächst auf dem mittleren bis unteren Treppenabgang zum Keller mit einer Baumschaumdose gegen den Kopf schlug, worauf diese die letzten Stufen hinab zum Treppenabsatz stürzte und dort zu Boden fiel, und sodann in Tötungsabsicht mit einem ca. 2,8 kg schweren Feuerlöscher mindestens fünf Mal auf die rechte Kopfseite der am Boden liegenden Geschädigten einschlug.
Es ist zulässig, dass sich ein Zivilgericht zum Zwecke seiner eigenen Überzeugungsbildung, ob sich ein bestimmtes Geschehen zugetragen hat, auf ein dazu ergangenes Strafurteil stützt. Dem steht nicht entgegen, dass die in einem strafrichterlichen Urteil enthaltenen Feststellungen von Tatsachen für die zu derselben Frage erkennenden Zivilgerichte grundsätzlich nicht bindend sind. Der im Regierungsentwurf des 1. Justizmodernisierungsgesetzes enthaltene § 415 a ZPO, wonach rechtskräftige Strafurteile den vollen Beweis der darin für erwiesen erachteten Tatsachen erbringen sollten, wurde nicht zum Gesetz. Die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil können aber im Rahmen der eigenen freien Beweiswürdigung und der Überzeugungsbildung des Zivilrichters im Sinne von § 286 Abs. 1 ZPO Berücksichtigung finden, wobei das Urteil, wenn eine Partei sich zu Beweiszwecken darauf beruft, im Wege des Urkundenbeweises gemäß §§ 415, 417 ZPO zu verwerten ist. Allerdings darf der Zivilrichter die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen nicht ungeprüft übernehmen; er hat vielmehr die in der Beweisurkunde dargelegten Feststellungen einer eigenen kritischen Überprüfung zu unterziehen (vgl.OLG Zweibrücken, Urteil vom 01. Juli 2010 – 4 U 7/10 -, Rn. 17 – 18, juris, m.w.N.).
Aufgrund der im Urteil der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 28.10.2014 getroffenen Feststellungen, welche der Beklagte vorliegend noch nicht einmal konkret angegriffen hat, hat die erkennende Kammer keine vernünftigen Zweifel (§ 286 Abs. 1 ZPO) daran, dass sich das Tatgeschehen dergestalt abgespielt hat. Denn die in dem Strafurteil getroffenen Feststellungen beruhen auf einer ausführlichen und eingehenden Würdigung aller erhobenen Beweise, die rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Strafkammer hat ihre Beweiswürdigung auf die Bekundungen der vernommenen Zeugen und Sachverständigen gestützt, welche den Schluss rechtfertigen, dass das Strafurteil festgestellte Geschehen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Die erforderliche Gesamtwirkung aller relevanten Umstände ist im Strafurteil erfolgt. Dabei hat die Strafkammer die Aussagen der Zeugen nach ihrer logischen Konsistenz sowie nach ihrem quantitativen und qualitativen Detailreichtum überprüft. Die einzelnen Prüfungsschritte sind in dem Strafurteil sorgfältig und ausführlich dargelegt. Insbesondere traf die Strafkammer die unter II. Ziffer 3. enthaltenen Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen auf dem Ergebnis der Ausführungen des Sachverständigen zu den rechtsmedizinischen Ergebnissen der Obduktion am Leichnam, dem Gutachten zur Blutspurenanalyse am Tatort, dem vergleichenden Gutachten der Rechtsmedizin zu den am Tatort vorgefunden möglichen Tatwerkzeugen, dem chemisch-toxikologischen Gutachten und dem Gutachten betreffend der sichergestellten Kleidung des hiesigen Beklagten. Ferner auf dem Ergebnis des behördlichen DNA-Gutachtens des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Die Strafkammer hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sie aufgrund anderer Beweisergebnisse und objektiv entgegenstehender Tatsachen der Einlassung des hiesigen Beklagten im Strafverfahren nicht folgen konnte. Denn bereits nach den vorgenannten Gutachten konnte sowohl angesichts des eingetretenen Verletzungsbildes als auch des vorhandenen Blutspuren muss das am Tatort ein Unfallgeschehen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Strafkammer hat die Einlassung des hiesigen Beklagten im Strafverfahren, er sei während des Tatgeschehens im Garten beschäftigt gewesen. umfassend hinsichtlich der Glaubhaftigkeit analysiert. Zum einen wird diese bereits durch die objektive Spurenlage widerlegt, zum anderen fanden sich vielfältige Widersprüche im Einlassverhalten, die mit den objektiven Tatsachen nicht in Einklang zu bringen waren.
Das gefundene Beweisergebnis ist deshalb auch für die erkennende Kammer ohne Einschränkungen plausibel und lässt nicht besorgen, dass die im vollen Strengbeweisverfahren gemäß § 244 Abs. 2 StPO getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen unrichtig sein könnten.
Einer weitergehenden Beweisaufnahme bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, insoweit wurde auch nicht Beweis durch die Parteien angetreten.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Anspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 375.519,81 EUR festgesetzt.