Leitsätzliches:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Datum: 04.04.2014
Gericht: OLG Düsseldorf
Spruchkörper: I 3 Wx
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: I 3 Wx 115/13
Gründe:
I.
Die beiden Beteiligten sind die Abkömmlinge des im Zeitpunkt seines Todes geschiedenen Erblassers. Dieser errichtete am 8. Januar 2010 ein notariell beurkundetes Testament, mit dem er zu seinem alleinigen und unbeschränkten Erben über sein gesamtes Vermögen im In- und Ausland unabhängig davon, ob und welche Pflichtteilsberechtigte bei seinem Tode vorhanden sein würden, den Beteiligten zu 2. einsetzte. Die Beteiligten streiten über die Testierfähigkeit des Erblassers bei Testamentserrichtung.
Die Beteiligte zu 1., die die Ansicht vertritt, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, hat am 11. Februar 2011 die Erteilung eines sie als Miterbin zu 1/2 Anteil ausweisenden Teilerbscheins beantragt. Dem ist der Beteiligte zu 2., der den Erblasser für testierfähig hält, entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat durch Einholung einer schriftlichen Aussage des das Testament beurkundenden Notars sowie durch Einholung eines Gutachtens nebst Ergänzungsgutachtens einer gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Frage der Testierfähigkeit Beweis erhoben.
Durch die angefochtene Entscheidung hat es alsdann die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1. beantragten Teilerbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Gegen diesen ihm am 9. April 2013 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seinem am 18. April 2013 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, das die Beteiligte zu 1. zurückgewiesen sehen will und dem das Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 20. Juni 2013 unter Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung nicht abgeholfen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte 47 IV 29/11 AG Langenfeld Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 2., das nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat sich das Nachlassgericht in der allein entscheidenden Frage auf den Standpunkt gestellt, der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testaments vom 8. Januar 2010 testierunfähig, § 2229 Abs. 4 BGB, gewesen.
1.
Testierfähigkeit und Testierunfähigkeit eines Erblassers hat der Senat in der Vergangenheit (vgl. Beschluss vom 24.01.2013 in Sachen I-3 Wx 2/11 m.Nachw.) anhand der folgenden Grundsätze beurteilt. An diesem Standpunkt wird festgehalten.
Die Testierfähigkeit setzt die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen. Er muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das gilt auch für die Gründe, die für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen (er muss die für und gegen die letztwillige Verfügung sprechenden Gründe selbständig erkennen, sich bewusst machen und gegeneinander abwägen können). Nach seinem so gebildeten Urteil muss der Testierende frei von Einflüssen Dritter handeln können. Dies alles wiederum setzt voraus, dass es ihm möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen und Abwägungen vorzunehmen; es genügt nicht, dass er überhaupt einen Wunsch äußern oder eine Meinung artikulieren kann.
Wird die Testierfähigkeit wegen des Vorliegens einer Demenz in Zweifel gezogen, bedarf es in der Regel – im Rahmen des Möglichen – sorgfältiger Ermittlungen unter Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände. Ob bei einer an Demenz leidenden Person die Voraussetzungen der Testierfähigkeit vorliegen, kann nicht anhand einzelner Erklärungen und Angaben festgestellt werden, sondern nur aufgrund des Gesamtverhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit in der fraglichen Zeit. Auch kann nicht allein vom Vorliegen einer Demenzerkrankung, sei es auch mittleren Grades, ohne weiteres auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden. Eine Aufklärungspflicht des Gerichts besteht dabei insoweit, wie das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt bei sorgfältiger Überlegung hierzu Anlass geben.
2.
Nach diesen Grundsätzen war der Erblasser hier bei Errichtung seines Testaments vom 8. Januar 2010 testierunfähig, § 2229 Abs. 4 BGB. Er litt zu dieser Zeit an einer Demenz in einem Grade, dass diese irreversibel und progredient war und eine erhebliche Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten bewirkte. Diese Defizite setzten ihn außerstande, derart Informationen aufzunehmen und Abwägungen vorzunehmen, dass er sich noch ein klares Urteil darüber hätte bilden können, welche Gründe für und gegen seine testamentarischen Anordnungen sprachen und welche Tragweite seine Anordnungen hatten. Das steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des Gutachtens der vom Nachlassgericht bestellten Sachverständigen Dr. W. vom 23. Januar 2012 nebst Ergänzungsgutachten vom 8. Dezember 2012. Die Äußerungen der Sachverständigen sind sowohl in sich als auch unter Berücksichtigung aller vom Beteiligten zu 2. vorgebrachten Einwände überzeugungskräftig.
a)
Der vom Amtsgericht gewählte Weg seiner Ermittlungen ist als Entscheidungsgrundlage geeignet. Verfahrensfehlerfrei, § 30 Abs. 3 FamFG, hat das Nachlassgericht eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt.
b)
Weder die Person noch das Vorgehen der gerichtlich bestellten Sachverständigen lassen besorgen, dass sie ihre Feststellungen nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit getroffen hätte.
Solche Bedenken lassen sich nicht daraus gewinnen, dass die Sachverständige Mitarbeiterin einer Klinik ist, die “dem gleichen Leistungsträger unterstand” wie diejenige Klinik, in der der Erblasser seinerzeit behandelt worden war. Allein daraus ist nicht abzuleiten oder auch nur zu vermuten, die Sachverständige sei geneigt gewesen, den Äußerungen und Unterlagen ihrer “Kollegin” Dr. G. kritiklos zu folgen.
Ihre Erkenntnisquellen hat die Sachverständige in ihren gutachtlichen Äußerungen offengelegt. Die gesonderte Beifügung der sogenannten elektronischen Krankenakte der LVR-Klinik Düsseldorf und des Befundberichts über die Computertomografie war so lange nicht veranlasst, wie die Sachverständige vom Gericht hierzu nicht aufgefordert wurde.
Aus sogleich (unter d)) darzustellenden Gründen war es sachgerecht und kann es dementsprechend keinen Anhaltspunkt für eine Voreingenommenheit begründen, den behandelnden Arzt Dr. D., anders als die verantwortliche Ärztin in der LVR-Klinik Dr. G., nicht ausdrücklich nach seiner Einschätzung der Testierfähigkeit des Erblassers zu befragen.
c)
Ob die Sachverständige von einem in den Einzelheiten zutreffenden Verständnis des rechtlichen Begriffs der Testierfähigkeit in seiner Abgrenzung zur Geschäftsfähigkeit ausgegangen ist, spielt im gegebenen Fall keine Rolle. Denn sie hat – wie unter e) im einzelnen zu zeigen sein wird – festgestellt, dass die beim Erblasser vorliegenden Defizite grundlegende psychische Funktionen betroffen hätten, die von zentraler Bedeutung bei jeglicher Intentionsbildung seien, mithin sowohl im Bereich der Testier- wie der Geschäftsfähigkeit. Soweit die Sachverständige im Zusammenhang mit dem Beurkundungstermin auf ein Verständnis des juristischen Textes oder die Fähigkeit zur Wiedergabe in eigenen Worten zu sprechen gekommen ist, diente dies allein der Begründung dafür, dass es dem Erblasser in der typischen Beurkundungssituation ohne weiteres gelungen sein konnte, kognitive Defizite zu kaschieren; nicht hingegen hat die Sachverständige jene Leistungen als Voraussetzungen der Testierfähigkeit angesehen.
d)
Die Sachverständige hat die Anschlusstatsachen vollständig ermittelt und ihre Erkenntnisquellen ausreichend aufgezeigt.
Sie musste Dr. D. nicht nach seiner Einschätzung zur Testierfähigkeit des Erblassers befragen. Zwar erfolgte nach der Testamentserrichtung die erste Konsultation des Erblassers bei diesem zeitnäher als sein Aufenthalt in der LVR-Klinik, doch hatte Dr. D. – anders als Dr. G. – lediglich aufgrund zweier Vorsprachen des Erblassers bei ihm und damit punktuell Kontakt und hatte er sich, wie sich aus den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Ergänzungsgutachten ergibt, bei diesen Gelegenheiten die Frage der Testierfähigkeit nicht vorgelegt. Bei dieser Lage versprach eine Frage nach seiner diesbezüglichen Einschätzung keinen relevanten Erkenntnisgewinn.
Die sogenannte elektronische Krankenakte der LVR-Klinik hat die Sachverständige ihren Gutachten zwar weder in elektronischer, noch in Papierform beigefügt. Sie zu einer solchen Vorlage aufzufordern, hat indes das Nachlassgericht keinen Anlass gesehen, und der Senat folgt ihm hierin. Welche Inhalte sie jener Akte entnommen habe, hat die Sachverständige dargestellt, und dass diese Darstellungen in konkreten Hinsichten unglaubhaft seien, macht weder der Privatgutachter des Beteiligten zu 2., noch dieser selbst geltend.
e)
Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat eine Grunderkrankung des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung festgestellt, die Fluktuationen oder einen sogenannten lichten Moment ausschloss (dazu aa)). Dies hat sie in einer nicht zu beanstandenden Weise begründet (bb)). Die dagegen vom Beteiligten zu 2., namentlich gestützt auf Äußerungen des von ihm eingeschalteten Privatgutachters, erhobenen Einwände verfangen nicht (cc)).
aa) Der Erblasser habe, so die Sachverständige, an einer fronto-temporalen Demenz gelitten, bei der in der Regel Verhaltensstörungen aufgrund eines sogenannten Frontalhirnsyndroms mit Enthemmung, Distanzlosigkeit, emotionaler Verflachung und Vergröberung im Sozialverhalten den Gedächtnisstörungen und anderen Symptomen einer Demenz vorausgingen; ihr Verlauf sei progredient. Beim Erblasser hätten neben einem wahnhaften Erleben (Verfolgungsideen) und ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten (Enthemmung von Antrieb und Affekt) erhebliche kognitive Defizite, eine massive kognitive Störung, im Vordergrund gestanden.
Eine nach Schwere und Komplexität derart ausgeprägte fronto-temporale Demenz könne sich nicht binnen 20 Tagen entwickeln, so dass der ärztlich erhobene Befund in vergleichbarer Schwere schon am 8. Januar 2010 vorgelegen haben müsse. Mit anderen Worten – so die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten – sei das Vorliegen eines Ende Januar spontan und erstmalig aufgetretenen Zustandes praktisch auszuschließen. Dies ist die maßgebliche Feststellung; dahinter tritt die Frage zurück, wann im Jahre 2009 die Angehörigen des Erblassers erstmals Auffälligkeiten bemerkten.
Weiterhin werde die Progredienz der psychopathologischen Symptomatik, darunter die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie die wahnhafte Erlebensweise, durch die vom Facharzt Dr. D. dokumentierten Befunde gestützt.
Jedenfalls durch die vorstehend wiedergegebenen Erläuterungen der Sachverständigen ist auch ein “luzides Intervall” des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung als ausgeschlossen anzusehen. Im übrigen entspricht es der Erkenntnis in obergerichtlicher Rechtsprechung, dass, falls aufgrund einer chronisch-progredienten Demenz – keiner vaskulären Demenz – Testierunfähigkeit vorliegt, ein derartiges Intervall praktisch ausgeschlossen ist (OLG München ZEV 2013, S. 504 ff).
bb)
Bei ihrer eigenen, die Testierfähigkeit betreffenden Beurteilung hat die Sachverständige sachgerechterweise unter anderem und in erster Linie an vorhandene ärztliche Äußerungen zu Lebzeiten des Erblassers angeknüpft. Sie hat aber auch sonstige Erkenntnisquellen nicht unausgeschöpft gelassen. Die von ihr gezogenen Schlüsse sind widerspruchsfrei, plausibel und insgesamt überzeugend.
Zunächst hat die Sachverständige hervorgehoben, dass alle zeitnah – zwischen dem 13. Januar und dem 4. Februar 2010 – durch neurologisch-psychiatrische Fachärzte erhobenen Befunde übereinstimmend das Vorliegen der erheblichen psychischen Störung bestätigten; dies sei klinisch-psychiatrisch wie auch durch testpsychologische Befunde zu verifizieren, wobei der neuropsychologische Untersuchungsbefund auf testerunabhängigen, standardisierten und quantitativ aussagefähigen Untersuchungen basiert habe. Erst auf der Grundlage dieser Einschätzung hat die Sachverständige dem Befundbericht der LVR-Klinik Düsseldorf bei ihrer Beurteilung “das größte Gewicht” eingeräumt und dies zusätzlich mit der dortigen umfassenden auch klinischen, laborchemischen und apparativen Diagnostik begründet. Die fronto-temporale Demenz sei mithin klinisch wie auch radiologisch bildgebend gesichert.
Von Anfang an – bereits in ihrem Hauptgutachten – hat die Sachverständige den potentiellen Einfluss einer in der LVR-Klinik am 29. Januar 2010 begonnenen psychopharmakologischen Behandlung diskutiert. Nach eingehender Auseinandersetzung mit den eingesetzten Medikamenten hat sie jedoch überzeugend ausgeschlossen, dass der erhobene psychopathologische Befund Folge der Psychopharmaka gewesen sei. Ferner hat die Sachverständige gegenüber der den Erblasser in der Klinik verantwortlich behandelnden Ärztin Dr. G. schon bei Erstellung des Hauptgutachtens nachgefragt, ob es sich bei dem psychopathologischen Symptom um ein akutes Delir und damit um eine nur vorübergehende, reversible Störung gehandelt haben könnte, was indes mit näherer Begründung definitiv verneint wurde.
Die schriftliche Aussage des Notars W. hat die Sachverständige im Hauptgutachten sowohl bei der Darstellung der Aktenlage als auch bei derjenigen der Fremdanamnese berücksichtigt und sich mit ihr in der Beurteilung intensiv auseinandergesetzt, ihr aber keine entscheidende Bedeutung zuerkennen können, da sie in Anbetracht der diagnostizierten Grunderkrankung mit der ärztlichen Einschätzung vereinbar sei.
Ausdrücklich hat die Sachverständige erwogen, dass der Inhalt des Testaments mit vorangegangenen Willensbekundungen des Erblassers, wie sie zur Akte berichtet worden waren, in Einklang stehe und eine fortlaufende Linie mit seinen Wünschen und Einstellungen bilde. Dem hat sie aber angesichts überwiegender, für eine Testierunfähigkeit sprechender Umstände keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Das ist nicht zu beanstanden.
Schilderungen der Angehörigen des Erblassers schließlich hat die Sachverständige -zutreffend – ergänzend berücksichtigt.
cc)
Mit den Einwänden des Privatgutachters Dr. S. hat sich die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten, teilweise unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Privatgutachters PD Dr. St. in dessen Stellungnahme vom 18. Mai 2012, eingehend auseinandergesetzt. Diese Erwiderung ist überzeugend.
Die Diagnose der Grunderkrankung hat der Gutachter Dr. S. letztlich deshalb als nicht hinreichend gesichert erachtet, weil ihm – anders als der Sachverständigen – die Ergebnisse des bildgebenden Verfahrens nicht zur Verfügung standen. Diesen ist nach den Äußerungen der Sachverständigen eine erhebliche fronto-temporal betonte Gehirnatrophie mit deutlicher Minderung des Hirnvolumens zu entnehmen. Darüber hinaus bleibt unklar, wie die “unstreitige” massive Verschlechterung des Zustandes des Erblassers in den weiteren Monaten des Jahres 2010 ohne Annahme der besagten Erkrankung zu erklären sein sollte.
Die fronto-temporale Demenz mag in dem anfänglichen Stadium – so die Sachverständige im Hauptgutachten: vor dem Beginn der mnestisch-kognitiven Störungen – starke Schwankungen des Verhaltens und der Leistungsfähigkeit des Betroffenen bewirken, doch war die Erkrankung beim Erblasser wegen des Vorhandenseins auch erheblicher Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit bereits über dieses Stadium hinaus fortgeschritten.
Im einzelnen hat die Sachverständige zunächst insbesondere aufgezeigt, dass aus der fehlenden Äußerung von Beschwerden oder Wünschen durch den Erblasser bei stationärer Aufnahme nicht auf eine hinreichende Orientierung geschlossen werden könne, ebensowenig aus der Entlassung des Erblassers am 4. Februar 2010; dass den Äußerungen des Erblassers zu verschiedenen bildgebenden Verfahren wie auch zu einer Steuererklärungsfrist kein Hinweis auf ein differenziertes Denkvermögen entnommen werden könne; dass die Werte für Blutzucker und Blutdruck sowie die urologischen Befunde beim Erblasser nicht auf Gegebenheiten schließen ließen, die für die zu untersuchende Fragestellung von Belang wären; dass schließlich die Mutmaßungen hinsichtlich eines Alkoholentzugsdelirs an der tatsächlichen Lage vorbeigingen, weil ein akuter Alkoholentzug nicht in Rede gestanden habe und sich ihre eigenen Äußerungen auf den psychiatrischen Begriff des Delirs als multifaktorelles Geschehen bezogen hätten.
Bei allem weiteren ist die Aufgabe der Begutachtung im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung der Testierfähigkeit im Erbscheinsverfahren hat ein Sachverständiger die Fragen zu beantworten, ob sich aus vorhandenen ärztlichen Befunden und Äußerungen eine Erkrankung des Erblassers ergibt, die zu dessen Testierunfähigkeit führte. Die besagten vorhandenen Befunde als Anknüpfungstatsachen hat er zu problematisieren, falls konkrete Anhaltspunkte für deren fehlende Tragfähigkeit bestehen. Nicht hingegen ist die Befunderhebung beim Erblasser zu dessen Lebzeiten anhand abstrakt-theoretischer Vorgaben daraufhin zu überprüfen, ob und unter welchen Bedingungen diese sich als fehlerhaft erweisen könnte.
Hier lag nach den Ausführungen der Sachverständigen für die Verabreichung der verschiedenen Medikamente – auch in ihrer Dosierung beziehungsweise ihrer Potenz -jeweils ein rechtfertigender Anlass vor; dies wird nicht dadurch entkräftet, dass auf lediglich denkbare Neben- und Wechselwirkungen verwiesen wird. Es gibt auch keinen konkreten Anhalt dafür, dass den die Untersuchungen am 3. Februar 2010 durchführenden Ärzten eine tatsächlich gegebene Unverwertbarkeit (Verfälschung) der Testergebnisse durch medikamentöse oder metabolische Sondereinflüsse – insbesondere wegen aufgetretener Sedierung oder Verlangsamung – nicht aufgefallen wäre; die Durchführung der Untersuchungen spricht für das Gegenteil.
f)
Die Grunderkrankung des Erblassers führte nach den Feststellungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Aufhebung seiner Testierfähigkeit.
Die Konzentrations-, Merkfähigkeits- und Denkstörungen, so hat die Sachverständige bereits in ihrem Hauptgutachten ausgeführt, hätten beim Erblasser, ebenso wie seine Affektlabilität und sein wahnhaftes Erleben, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung massive Beeinträchtigungen seines kritischen Urteilsvermögens und seines Realitätsbezuges begründet, die seine Freiheit der Willensbestimmung aufgehoben hätten. Der Erblasser habe bei der Testierung Inhalt und Wesen seiner Handlung nicht mehr in letzter Konsequenz erfassen können.
Im Gutachten vom 8. Dezember 2012 hat die Sachverständige ergänzt, die beim Erblasser beschriebenen Symptome eines sogenannten dysexekutiven Syndroms – Störungen hinsichtlich der Handlungsplanung mit hoher Ablenkbarkeit, Störungen des kritischen Urteilsvermögens, fluktuierende Orientierungsstörungen und sogenannte Anosognosie – beträfen derart grundlegende psychische Funktionen, dass sie von zentraler Bedeutung bei jeglicher Intentionsbildung seien und deshalb eine von ihnen unbeeinflusste – ungestörte – Willensbildung nicht vorstellbar sei. Durch Bezugnahme auf die Äußerungen des Privatgutachters PD Dr. St. hat die Sachverständige überdies betont, allein die gesichert vorliegende Anosognosie, gekennzeichnet durch die Unfähigkeit, eigene Einschränkungen wahrzunehmen und eine völlig kritiklose Einstellung gegenüber eigenen Störungen, begründe eine Testierunfähigkeit des Erblassers wegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner kognitiven Leistungsfähigkeit.
Diese – in sich wiederum überzeugungskräftigen – Ausführungen der Sachverständigen zeigen, dass sie gerade nicht einzig aufgrund der Diagnose zur Grunderkrankung, einer Demenz, auf eine Testierunfähigkeit geschlossen, sondern die konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf die Urteils- und Willensbildung des Erblassers untersucht und erwogen hat. Damit ist den diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben – eindeutig – Rechnung getragen.
g)
Einer Ergänzung der vom Nachlassgericht durchgeführten Beweisaufnahme bedarf es nicht.
Eine Einvernahme des Dr. D. als Zeuge ist aus den oben (unter d)) bezeichneten Gründen nicht geboten.
Ferner muss die gerichtlich bestellte Sachverständige nicht zu einem Termin zu einer Erläuterung ihres Gutachtens geladen werden. Auch wenn man der Auffassung ist, einem Antrag eines Beteiligten, den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu einem Termin zu laden, um Gelegenheit zu haben, Ergänzungsfragen zu stellen, sei zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich zu entsprechen (vgl. Keidel-Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 30 Rdnr. 95 m.w.Nachw.), gilt dies – nicht anders als im Zivilprozess (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 411 Rdnr. 5a m. umfangr. Nachw.) – dann nicht, wenn nicht nur das Gericht das vorhandene Gutachten für ausreichend und überzeugend hält, sondern der betreffende Beteiligte auch lediglich bereits eindeutig beantwortete Fragen ankündigt. So liegen die Dinge hier. Der vom Beteiligten zu 2. in Bezug genommene Fragenkatalog ist nämlich im Kern nichts anderes als eine in Frageform umformulierte Wiederholung der Ausführungen des Privatgutachters des Beteiligten zu 2. in seiner Stellungnahme vom 13. April 2012, soweit bestimmte Gesichtspunkte des dortigen Begründungsganges betroffen sind. Mit ihnen hat sich die Sachverständige aber bereits eingehend und mit – überzeugend – eindeutigem Ergebnis auseinandergesetzt.
Aus dem bisher Gesagten folgt zugleich, dass es erst recht nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf.
III.
1.
a).
Der angefochtene Beschluss enthält weder in seinem Tenor noch in den Gründen einen Kostenausspruch. In einer derartigen Fassung einer Endentscheidung liegt in der Regel die stillschweigende Entscheidung, dass keine Kostenerstattung stattfindet, mithin derjenige die Gerichtskosten zu tragen hat, der nach den gesetzlichen Vorschriften Kostenschuldner ist, und seine außergerichtlichen Kosten einschließlich der Anwaltskosten jedem Beteiligten selbst zur Last fallen (Keidel-Zimmermann a.a.O., § 81 Rdnr. 5 m.w.Nachw.). So liegen die Dinge auch hier. Anhaltspunkte für das Gegenteil lassen sich dem Beschluss selbst nicht entnehmen. Der Inhalt des Nichtabhilfebeschlusses ist für die Auslegung, da der Entscheidung nachfolgend, ohne Belang. Überdies hat das Nachlassgericht auch in diesem nur ausgesprochen, es werde über die Kostenanträge der Beteiligten zu 1. später entscheiden, was nicht erkennen lässt, in welcher Weise es diese zu bescheiden gedenkt.
Jene vom Nachlassgericht getroffene Ermessensentscheidung kann nur auf § 81 Abs. 1 und 2 FamFG beruhen und ist dann lediglich einer eingeschränkten Überprüfung durch den Senat als Beschwerdegericht zugänglich. Diese beschränkt sich grundsätzlich auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Liegt ein Ermessensfehler in Form eines Ermessennichtgebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung vor, ist das Beschwerdegericht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen (Senat, RPfleger 2014, 20 m.w.Nachw.).
Im hier gegebenen Fall ist dem Amtsgericht ein Ermessensfehlgebrauch unterlaufen.
Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Diese Vorschrift geht nicht (mehr) von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus, wonach etwa die Tragung der Gerichtskosten durch den Antragsteller oder die Nichterstattung außergerichtlicher Kosten die Regel, die Kostenerstattung mithin die Ausnahme darstellen würde. Vielmehr knüpft sie die Anordnung der Kostenerstattung allgemein an das Ergebnis einer stets erforderlichen Billigkeitsabwägung, ohne dass es darauf ankäme, die Hürde einer Regelwirkung zu überwinden. Dabei genügt jedes Abwägungsergebnis, das nach den Umständen des Einzelfalles die Kostentragung durch einen bestimmten Beteiligten billig erscheinen lässt, nicht hingegen ist es, um einem Beteiligten die Kosten auferlegen zu können, erforderlich, dass Umstände vorliegen, die nach Art und Bedeutung den Regelbeispielen des § 81 Abs. 2 FamFG entsprechen, das heißt gleichkommen. Auch wenn das vollständige Unterliegen nicht zwingend zu einer Kostenauferlegung führen muss, so kann in Antragsverfahren ein Kriterium der Billigkeit doch das Maß des Antragserfolges sein (Senat a.a.O. m.w.Nachw.). In streitigen Nachlasssachen als Verfahren mit einem vermögensrechtlichen Schwerpunkt – im Unterschied zu Familiensachen – kommt dem Maß des Obsiegens und Unterliegens besondere Bedeutung zu, es sei denn, der Standpunkt eines Beteiligten habe auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. All dies entspricht zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung des Senats; an ihr wird nach Überprüfung festgehalten.
Eine solche Nachlasssache liegt hier vor. Auch musste beiden Beteiligten von Anfang an klar sein, dass der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers ausschlaggebende Bedeutung zukommen würde. In dieser Frage haben beide Beteiligte dezidiert und nicht anders, als es in einem Zivilprozess der Fall gewesen wäre, den ihnen jeweils günstigen Standpunkt eingenommen und nachdrücklich verteidigt. Dies spricht entscheidend dafür, die Kostenentscheidung im Grundsatz nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens auszurichten. Ergänzend ist allerdings zum Teil nach der Art der Kosten zu differenzieren (vgl. OLG München FamRZ 2012, S. 1895 f; OLG Schleswig FamRZ 2013, S. 719 ff). Es gibt nämlich keinen rechtfertigenden Grund, die Beteiligte zu 1. auch von denjenigen Gerichtskosten freizustellen, die selbst dann angefallen wären, wenn der Beteiligte zu 2. ihrem Antrag nicht entgegengetreten wäre. Das sind vorliegend nicht nur die Gerichtskosten für den Erbschein im engeren Sinne, sondern auch die Kosten des Hauptgutachtens. Denn letzteres hätte das Nachlassgericht angesichts der von der Beteiligten zu 1. behaupteten Testierun fähigkeit von Amts wegen, § 26 FamFG, einholen müssen, weil sich aufgrund des bis dahin vorliegenden Akteninhalts die Testierfähigkeit des Erblassers nicht zuverlässig verneinen ließ. Alles weitere Verfahrensgeschehen hingegen ist vom Beteiligten zu 2. veranlasst worden und zu seinen Ungunsten ausgegangen. Abweichend, nämlich insgesamt zu Lasten des Beteiligten zu 2., könnte nur entschieden werden, wenn ein Fall des § 81 Abs. 2 – insbesondere Nr. 2 oder 3 – FamFG erwiesen wäre; davon kann indes keine Rede sein, die Ausführungen der Beteiligten zu 1. persönlich im Schriftsatz vom 15. April 2013 sind ersichtlich spekulativ.
b)
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.
2.Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor. Die entscheidungstragenden Erwägungen des Senats beruhen allein auf einer Würdigung des konkret gegebenen Einzelfalles.
3.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i.V.m. § 107 Abs. 1 u. Abs. 2 Satz 1 KostO analog. Das Interesse des Beteiligten zu 2. bemisst sich nach der Wertdifferenz zwischen dem Miterbenanteil, dessen sich die Beteiligte zu 1. berühmt, und der Höhe des ihr im Falle des Ausschlusses von der Erbfolge zustehenden Pflichtteilsanspruchs, mithin auf ein Viertel des Wertes des Reinnachlasses. Bei der Wertermittlung im Einzelnen hat der Senat die vom Beteiligten zu 2. mit Schreiben vom 27. Mai 2011 dem Nachlassgericht übermittelten Aufstellungen (gerundet) zugrunde gelegt.