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Die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments während der Scheidung – OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.09.2018 – Az. 3 W 71/18

Leitsätzliches:

1) Nachdem Eheleute mindestens drei Jahre getrennt lebten, gilt die Ehe als gescheitert.
2) Es kann nicht angenommen werden, dass der Erblasser das gemeinschaftliche Testament zu Gunsten der Ehefrau auch mit dem Wissen um die Umstände der Scheidung errichtet hätte.

Oberlandesgericht

Datum: 26.09.2018

Gericht: OLG Oldenburg

Spruchkörper: 3 W

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 71/18

Gründe:

I.

Das Verfahren betrifft den Nachlass des am 9. Februar 2018 verstorbenen C… K….

Bei der Beteiligten zu 2.) handelt es sich um die Ehefrau des Verstorbenen. Die Beteiligte zu 1.) ist die gemeinsame (Adoptiv)Tochter der Eheleute.

Unter dem 13. Februar 2012 errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Zur Schlusserbin nach dem Tod des Längstlebenden wurde die Tochter bestimmt.

Die Eheleute lebten seit Anfang April 2013 räumlich getrennt. Mitte Januar 2015 reichte die Beteiligte zu 2.) einen Scheidungsantrag beim Amtsgericht Oldenburg ein. Der anwaltlich vertretene Erblasser stimmte diesem Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. April 2016 zu.

Unter dem 1. Juli 2013 verfasste der Verstorbene ein neues Testament, in welchem er die Beteiligte zu 1.) zu seiner Alleinerbin bestimmte. Zu der Beteiligten zu 2.) führte er aus: “Meine Frau H… wird nicht bedacht – wegen erwiesener Bösartigkeit.”

Die Beteiligte zu 1.) hat die Auffassung vertreten, dass das gemeinschaftliche Testament im Hinblick auf den Scheidungsantrag ihrer Mutter und der Zustimmung zu diesem durch ihren Vater unwirksam geworden und somit die zweite letztwillige Verfügung zu ihren Gunsten wirksam sei.

Die Beteiligte zu 2.) hat demgegenüber darauf verwiesen, dass nach dem Vorbringen im Scheidungsverfahren vor dem AG Oldenburg ein Widerruf der Zustimmung des Erblassers zur Scheidung anzunehmen sei, weshalb das jüngere Testament unwirksam sei.

Mutter und Tochter haben jeweils einen Erbschein beantragt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht gemäß § 352e FamFG angekündigt, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1.) zu entsprechen. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.

II.

  1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) ist nicht begründet.

    Die Beteiligte zu 1.) ist aufgrund des Testaments vom 1. Juli 2013 Alleinerbin nach ihrem Vater geworden.

    Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute ist gemäß § 2268 Abs. 1 BGB i. V. m. § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam.

    a) Nach diesen Bestimmungen ist ein gemeinschaftliches Testament nichtig, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

    Die Voraussetzungen für die Scheidung haben im Todeszeitpunkt am 9. Februar 2018 gemäß § 1565 BGB i. V. m. § 1566 Abs. 1 und 2 BGB vorgelegen. Da die Eheleute zu diesem Zeitpunkt mehr als drei Jahre getrennt gelebt hatten, wurde ein Scheitern der Ehe materiell-rechtlich unwiderlegbar vermutet.

    Die Ehefrau hatte den Scheidungsantrag gestellt, der Erblasser der Scheidung in der gemäß § 134 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen Form, nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2016, zugestimmt.

    Diese Zustimmung lag auch noch im Zeitpunkt seines Todes vor. Einen formwirksamen Widerruf gemäß § 134 Abs. 2 FamFG durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Familiengerichts hat der Erblasser jedenfalls nicht erklärt.

    Genauso wie die Zustimmung zur Scheidung ist auch deren Widerruf nicht nur materiell-rechtliche Willenserklärung, sondern auch Prozesshandlung. Im Hinblick darauf wird in Rechtsprechung und Schrifttum eine ausdrückliche Erklärung verlangt (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1990, 59, FamRZ 2013, 652; Weber, in: Keidel, 19. Aufl., § 134, Rn. 3 ff.; Lorenz, in: Zöller, 32. Aufl., § 134 FamFG, Rn. 1). Darauf kommt es hier jedoch nicht an, auch wenn es naheliegt, eine ausdrückliche Erklärung zumindest dann zu verlangen, wenn der Beteiligte – wie hier der Erblasser – durch einen Rechtsanwalt vertreten wird bzw. wurde.

    Denn selbst wenn man einen schlüssigen Widerruf der Zustimmung zur Scheidung in der mündlichen Verhandlung des Familiengerichts zuließe, müsste sich dieser entsprechend §§ 133, 157 BGB zweifelsfrei feststellen lassen. Das Ziel der Aufrechterhaltung der Ehe muss eindeutig und vorbehaltlos verfolgt werden (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2013, 652, Juris Rn. 15). Daran fehlt es hier jedoch.

    Ein konkludenter Widerruf ergibt sich namentlich nicht aus der Erklärung des Antragsgegners im Termin vom 2. März 2017 vor dem Familiengericht. Dort hat er zwar geltend gemacht, dass man im Rahmen einer Mediation gute Gespräche geführt und er “doch einen Ansatz” sehe, die Ehe fortzuführen und daran zu “arbeiten”, weshalb er auch eine Aussetzung des Verfahrens anstrebe.

    Daraus folgt aber nicht, jedenfalls nicht zwingend, dass er die zuvor erteilte Zustimmung zur Scheidung nunmehr – zu diesem Zeitpunkt – widerrufen wollte. Denn hinter dem Aussetzungsbegehren stand nach seiner Darstellung eben nur seine Vorstellung, die Ehe eventuell doch noch fortführen zu können. Das von ihm deshalb (angeblich) für sinnvoll gehaltene “Abwarten” der weiteren Entwicklung in der Beziehung zu der Beteiligten zu 2.) erforderte aber nicht einen vorherigen Widerruf seiner Zustimmung zum Scheidungsantrag. Aus der ebenfalls zu Protokoll erklärten Sicht der Ehefrau war das möglicherweise (auch) taktisch bestimmte Ansinnen des Verstorbenen in Richtung auf eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohnehin von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg, so dass das Scheidungsverfahren nach dem Termin tatsächlich auch weiterlief.

    Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, dass im vorliegenden Fall ein Widerruf der Zustimmung zur Scheidung im Rahmen des Scheidungsverfahrens gemäß § 1566 Abs. 2 BGB ohnehin ohne materiell-rechtliche Bedeutung gewesen wäre, weil die Eheleute im Zeitpunkt des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 2. März 2017 bereits mehr als drei Jahre getrennt lebten.

    Aus dem dem Termin vorangegangenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Verstorbenen vom 17. Januar 2017 ergibt sich darüber hinaus ebenfalls kein Widerruf der Zustimmung zur Scheidung mit der erforderlichen Eindeutigkeit. Dort heißt es zwar in Fettdruck, der Erblasser “wird” der Ehescheidung nicht zustimmen. Es bleibt aber unklar, was der Rechtsanwalt des Verstorbenen mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, weil die Zustimmung ja tatsächlich bereits zuvor erteilt worden war und eine Erklärung nach dem Wortlaut zudem nur angekündigt wurde. Möglich ist jedenfalls die Auslegung, dass im Hinblick auf eine eventuelle “Rettung” der Ehe (nur) vorläufig ein Scheidungsausspruch nicht erfolgen solle, wofür auch der Aussetzungsantrag spricht. Ein eindeutiger Schluss auf einen Willen, die Zustimmung zur Scheidung nunmehr und sofort zu widerrufen, lässt sich daraus nicht ziehen.

    Was der Erblasser zuvor gegenüber dem verstorbenen Notar P am 8. August 2016 erklärt hat (haben soll), ist ohne Bedeutung.

    Sollte das Vorbringen zutreffen, könnte es sich der Erblasser nach diesem Termin einfach wieder anders überlegt haben. Dafür spricht im Übrigen auch, dass er das jüngere Testament zu Gunsten der Beteiligten zu 1.) schlicht durch Vernichtung oder eine neue, eigenhändige Verfügung hätte widerrufen können, wenn er es denn gewollt hätte. Getan hat er es aber eben gerade nicht.

    Vor welchem Hintergrund der Notar gemäß dem Beschwerdevorbringen geäußert haben soll, der Erblasser habe seine Zustimmung zur Scheidung widerrufen, ist unklar. Nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin soll der Widerruf erst nach dem Notartermin, mit dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2017 bzw. im nachfolgenden Termin vor dem Familiengericht am 2. März 2017 erklärt worden sein. Unabhängig davon bleibt entscheidend, dass eine – allein maßgebliche – Widerrufserklärung des Erblassers gegenüber dem Familiengericht jedenfalls nicht festgestellt werden kann.

    b) Gemäß § 2268 Abs. 2 BGB bleibt das gemeinschaftliche Testament trotz des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 2077 Abs. 1 BGB insoweit wirksam, als anzunehmen ist, dass die Verfügungen auch für diesen Fall getroffen sein würden.

    Maßgeblich sind dabei die Vorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung, nicht etwa der Wille des Erblassers an seinem Todestag (vgl. Weidlich, in: Palandt, 77. Aufl., § 2077 Rn. 6 m. w. N.).

    Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass der Erblasser das gemeinschaftliche Testament zu Gunsten der Beteiligten zu 2.) auch dann errichtet hätte, wenn er vorausgesehen hätte, dass zum Zeitpunkt seines Todes ein Scheidungsverfahren anhängig sein würde. Dafür spricht auch deutlich, dass er kurz nach der Trennung von seiner Frau das Testament zu Gunsten der Beteiligten zu 1.) errichtete. Verbleibende Zweifel gehen zum Nachteil der beweisbelasteten Beschwerdeführerin (vgl. Weidlich, a. a. O., Rn. 8).

  2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
  3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 61 GNotKG festgesetzt worden. Der Senat hat die Angabe zum Wert des Nachlasses im Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zugrunde gelegt.