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Einkommensteuervorauszahlungen über den Tod hinaus als Nachlassverbindlichkeit – FG Münster, Urteil vom 31.08.2017 – Az. 3 K 1641/17

Leitsätzliches:

1) Entsteht eine festgesetzte Einkommensteuer-Vorauszahlung erst nach dem Tode, so ist sie dennoch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
2) Erst mit Ablauf des Todesjahres entsteht die Einkommensteuer des Erblassers.

 

Finanzgericht Münster

Datum: 31.08.2017

Gericht: FG Münster

Spruchkörper: 3 K

Entscheidungsart: Urteil

Aktenzeichen: 3 K 1641/17 Erb

Tatbestand:

Streitig ist, ob festgesetzte Einkommensteuer-Vorauszahlungen einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das IV. Quartal 2014 als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind.

Am 00.00.2014 verstarb Herr E 2. Alleinerbe und Gesamtrechtsnachfolger wurde sein Sohn, der Kläger. Auf den Erbschein vom 00.00.2014 des Amtsgerichts D wird hingewiesen.

In der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger die mit Bescheid vom 25.11.2013 festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das III. und IV. Quartal 2014 als Schulden des Erblassers bei den Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Auf den Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 25.11.2013 wird Bezug genommen, Blatt 73 ff. der Erbschaftsteuerakten Band II.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass ein Abzug der Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das III. Quartal 2014 möglich sei, nicht jedoch für das IV. Quartal 2014. Die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das IV. Quartal 2014 gehörten nicht zu den berücksichtigungsfähigen Schulden, da ihre Entstehung nach dem Todestag liege. Es werde auf R E 10.8 Abs. 4 Erbschaftsteuerrichtlinie 2011 (ErbStR) Bezug genommen. Dort heißt es: “Die Einkommensteuer-Vorauszahlungen entstehen jeweils mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind. Soweit bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers festgesetzte und entstandene Vorauszahlungsbeträge in diesem Zeitpunkt noch nicht entrichtet sind, sind diese abzugsfähig.”

Der Beklagte erließ am 28.08.2015 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) stehenden Erbschaftsteuerbescheid, in dem nur die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das III. Quartal 2014 mit X Euro berücksichtigt sind.

Der Kläger legte gegen den Bescheid Einspruch ein.

Aus hier nicht streitigen Gründen änderte der Beklagte den Erbschaftsteuerbescheid mit Bescheid vom 02.05.2016. Der Bescheid steht weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO.

Der Kläger legte gegen den Bescheid Einspruch ein und trug erneut vor, dass die Nachlassverbindlichkeiten um die Einkommensteuer-Vorauszahlungen nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das IV. Quartal 2014 in Höhe von X Euro zu erhöhen seien. Während des Einspruchsverfahrens ergingen Änderungsbescheide am 24.06.2016 und am 05.07.2016, ebenfalls aus hier nicht streitigen Gründen.

Der Beklagte vertrat weiter die Auffassung, dass Einkommensteuer-Vorauszahlungen für den Erben grundsätzlich als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, soweit diese bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers entstanden und nicht entrichtet worden seien. Die Einkommensteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 2014 entstehe zu Beginn des Kalendervierteljahres, also zum 01.10.2014, Besteuerungszeitpunkt sei aber der 15.08.2014 als Todestag des Erblassers. Daher sei die Einkommensteuer-Vorauszahlung erst nach dem Besteuerungsstichtag entstanden und nicht abzugsfähig.

Der Kläger hielt sein Begehren aufrecht. Er bezog sich auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 04.07.2012 II R 15/11, II R 50/11 und II R 56/11. Danach seien Einkommensteuerschulden des Erblassers aus dem Veranlagungszeitraum, in den der Todeszeitpunkt des Erblassers falle, als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Nach seinem Verständnis beziehe dies auch die Einkommensteuer-Vorauszahlungen ein.

Der Beklagte änderte den Bescheid aus hier nicht streitigen Gründen nochmals und setzte die Erbschaftsteuer auf X Euro mit Bescheid vom 05.09.2016 fest. Der Bescheid steht weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.04.2017 als unbegründet zurück. Die vom Kläger zitierten Urteile des BFH vom 04.07.2012 führten nicht zu einer anderen Rechtsauffassung, da sich die Urteile ausschließlich mit der Frage der Abzugsfähigkeit der Einkommensteuer des jeweiligen Veranlagungszeitraums, nicht aber mit der Frage der Abzugsfähigkeit von Vorauszahlungen befassten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2017 Bezug genommen.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Auffassung des Beklagten sei entgegen zu halten, dass bei der Beurteilung der Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeit auf die wirtschaftliche Belastung abzustellen sei. Der einzige Erbe und Gesamtrechtsnachfolger, nämlich der Kläger, trete auch in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein, dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BFH. Die Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeiten setze voraus, dass diese vom Erblasser herrührten. Aus dem Begriff “herrühren” ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssten, wie sich dies aus der Rechtsprechung des BFH aus den bereits zitierten Urteilen vom 04.07.2012 ergebe.

Der Kläger habe sich als Erbe der Zahlung der Einkommensteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 2014 ebenso wenig entziehen können wie der Abschlusszahlung zur Einkommensteuer 2014 aufgrund des Einkommensteuerbescheides. Hätte der Kläger die Vorauszahlung zurückbehalten, wäre die Abschlusszahlung entsprechend um den zurückbehaltenen Betrag höher ausgefallen. Der Kläger sei somit tatsächlich durch die Zahlung der Einkommensteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 2014 belastet worden und habe sich dieser Belastung auch nicht entziehen können. Die Belastung resultiere ausschließlich aus bis zu dem Tode des Erblassers verwirklichten Steuertatbeständen. Auf die rechtliche Entstehung der Steuerzahlung komme es im Streitfall nicht an.

Der Kläger beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 05.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2017 zu ändern und Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das IV. Quartal 2014 in Höhe von X Euro als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zu berücksichtigen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen. Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.

Der Senat hat am 31.08.2017 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Gründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 05.09.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2017 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die Einkommensteuervorauszahlungen für das IV. Quartal 2014 zu Unrecht nicht als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt.

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 04.07.2012 II R 15/11, BStBl II 2012, 790; II R 18/11, BFH/NV 2012, 1785; II R 19/11, BFH/NV 2012, 1788; II R 50/11, BFH/NV 2012, 1790; II R 56/11, BFH/NV 2012, 1792) gehören zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist nach dieser Rechtsprechung die Einkommensteuer-Abschlusszahlung im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer ergibt. Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an. Entsprechendes gilt für den Solidaritätszuschlag sowie für die ebenfalls an das Einkommen anknüpfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann für festgesetzte Einkommensteuervorauszahlungen nichts anderes gelten, und zwar auch dann, wenn sie zum Todeszeitpunkt noch nicht entstanden sind. Wenn die Einkommensteuer, die erst mit Ablauf des Todesjahres entsteht (§ 36 Abs. 1 EStG), als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen ist, weil die Schuld vom Erblasser herrührt (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG), muss dies auch für festgesetzte Einkommensteuervorauszahlungen gelten, die nach § 37 Abs. 1 Satz 2 EStG jeweils mit Beginn des Kalendervierteljahres entstehen, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind. Anhaltspunkte dafür, dass festgesetzte Einkommensteuervorauszahlungen nach der Rechtsprechung des BFH anders als die Einkommensteuerabschlusszahlung zu behandeln sind, ergeben sich aus den Urteilen des BFH vom 04.07.2012 (a. a. O.) nicht. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass die Abschlusszahlung für die Einkommensteuer höher ausgefallen wäre, wenn die Vorauszahlung nicht geleistet worden wäre (beispielsweise bei Herabsetzung der Vorauszahlungen für das IV. Quartal auf Null nach einem entsprechenden Antrag des Rechtsnachfolgers) und diese Abschlusszahlung dann aber in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit nach der Rechtsprechung des BFH, der insoweit die Finanzverwaltung folgt, abzugsfähig ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des BFH geklärt. Dass diese in den Richtlinien nur teilweise umgesetzt wird und der Senat von den ihn nicht bindenden Richtlinien abweicht, führt auch nicht dazu, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.