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Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testament kann auch in getrennten Urkunden erfolgen – OLG München, Beschluss vom 20.04.2010 – Az. 31 Wx 83/09

Leitsätzliches:

Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testament kann auch in getrennten Urkunden erfolgen. Voraussetzung ist, dass sich der Wille zum gemeinschaftlichen Testieren aus beiden Urkunden ansatzweise ergibt.

Az. 31 Wx 83_09 - DueLog

Bayern

Oberlandesgericht München

Datum: 20.04.2010

Gericht: OLG München

Spruchkörper: 31. Zivilsenat

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: 31 Wx 83/09

Gründe:

I. Die Erblasserin ist am xxx2008 verstorben. Ihr Ehemann ist am xxx1998 vorverstorben. Aus der Ehe waren als Kinder die Beteiligten zu 1 - 8 sowie der im Alter von 17 oder 18 Jahren kinderlos vorverstorbene M. K. und der am 16.5.2007 vorverstorbene K. K., dessen Tochter die Beteiligte zu 9 ist, hervorgegangen.
Die Eheleute hatten am 27.10.1964 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag errichtet. Darin setzten sie sich unter Ziffer III. "gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein mit der Maßgabe, dass der überlebende Eheteil (...) an vorhandene pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge des verstorbenen Eheteils nach gleichen Stammteilen 3/8 des reinen Nachlasses als bares Vermächtnis auszuzeigen hat (...)".
Es liegen handschriftliche Testamente der Erblasserin und ihres Ehemanns vom 18.8.1997 vor, die gemeinsam mit einem versiegelten und mit "Testament von R. und M. K. (Anschrift)" beschriebenen Umschlag zur Verwahrung gegeben worden waren.
Das Testament der Erblasserin M. K. lautet im Wortlaut:
"(Ort) den 18. August 1997
Testament
Mein letzter Wille
Mit diesem Testament setze ich meinen Ehemann R. K. geb. am (...) als Alleinerben über das gemeinschaftliche erworbene Wohnhaus mit Grundstück und Inventar ein. Nach Ableben des oder der Letztvorverstorbenen, soll unser Sohn K. K. geb. am (...) als Alleinerbe erhalten.
Wohnhaus und Grundstück befinden sich in (Ort)
(Unterschrift)
(Ort) den 18. August 1997"
Bis auf den Eingangssatz ("Mit diesem Testament setze ich meine Ehefrau M. K. (...) als Alleinerbin (...)") ist das Testament des Ehemanns dem der Erblasserin im Wortlaut gleich.
Weiterhin liegt ein notarielles Testament der Erblasserin vom 24.11.2000 vor, in dem sie K. K. zum Alleinerben einsetzte sowie Testamentsvollstreckung und Vermächtnisse anordnete.
Mit notariellem Testament vom 15.4.2004 bestätigte die Erblasserin K. K. als alleinigen Vorerben und setzte zudem ihre übrigen Abkömmlinge (die Beteiligten 1 - 8) zu gleichen Teilen als Nach- und Ersatzerben des K. K. ein. Des Weiteren ordnete sie Testamentsvollstreckung an.
Mit notariellem Testament vom 19.12.2006 wurde von der Erblasserin unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der Ersatzerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 - 8 ergänzend u. a. eine Ersatznacherbenregelung getroffen und Vermächtnisse angeordnet. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung wurde inhaltlich neu gefasst.
Am 11.12.2008 beantragte die Beteiligte zu 9 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin nach der verstorbenen Erblasserin ausweist. Am 15.12.2008 beantragten die Beteiligten zu 1 - 8 ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterben zu je 1/8 nach der Verstorbenen ausweist.
Mit Beschluss vom 12.1.2009 erließ das Nachlassgericht einen Vorbescheid, in dem es angekündigte, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligte zu 9 als Alleinerbin der Erblasserin ausweist. Die übrigen Erbscheinsanträge wies das Amtsgericht zurück. Mit Schreiben vom 27.1.2009 nahmen die Beteiligten zu 1 - 8 ihre Erbscheinsanträge zurück. Die von der Beteiligten zu 8 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde wies das Landgericht zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 8.
II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen. Testamentarische Erben sind die Beteiligten zu 1 bis 8 zu je 1/8.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beteiligte zu 9 sei Alleinerbin nach der Erblasserin aufgrund des handschriftlichen Testaments vom 18.8.1997 geworden. Die Eheleute hätten mit gemeinschaftlichem Testament vom 18.8.1997 wechselbezüglich mit Bindungswirkung ihren Sohn K. K. als alleinigen Schlusserben eingesetzt, an dessen Stelle die Beteiligte zu 9 als Ersatzerbin getreten sei.
Die getrennt verfassten handschriftlichen Testamente der Eheleute vom 18.8.1997 stellten ein wirksames gemeinschaftliches Testament dar. Die Erblasser hätten die beiden taggleich abgefassten Dokumente verschlossen in einem Briefumschlag mit der Aufschrift "Testament von R. und M. K." gemeinsam in Verwahrung gegeben. Die Testamente seien bis auf die jeweilige Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten im Wortlaut gleich. Sie seien auch inhaltlich aufeinander bezogen; so sei jeweils die Rede vom "Ableben des oder der Letztverstorbenen".
Die Verfügung der Erblasserin vom 18.8.2007 (richtig: 1997), in der sie ihren Sohn K. K. nach ihrem Ableben als Letztversterbende als Alleinerben eingesetzt habe, sei mit der entsprechenden Verfügung ihres Ehemannes wechselbezüglich im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass die Erblasserin gemäß § 2271 Abs. 2 BGB an diese Verfügung gebunden gewesen sei und sie nicht einseitig nachträglich durch eine abweichende Verfügung von Todes wegen aufheben konnte. Da im Testament keine klare und eindeutige Anordnung hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der alleinigen Schlusserbeneinsetzung von K. K. enthalten sei, müsse die Wechselbezüglichkeit durch Auslegung des Testaments nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ermittelt werden. Diese Auslegung ergebe zur Überzeugung der Kammer, dass die Schlusserbeneinsetzung von K. K. nach dem Letztversterbenden der Ehegatten wechselbezüglich sei.
Bereits aus den Umständen der Entstehung des Testaments sei zu schließen, dass es den Ehegatten maßgeblich darum gegangen sei, festzulegen, wer nach dem Letztversterbenden erben solle. Denn die Ehegatten hatten sich bereits im Ehe- und Erbvertrag von 1964 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Neu und damit wohl entscheidender Anlass für das Testament 1997 sei die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes K. K. gewesen. Dass die Ehegatten zeitgleich mit gemeinschaftlichem Testament diese Frage übereinstimmend geregelt haben, sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Verfügung des einen Ehegatten ohne die des anderen nicht getroffen worden wäre, dass es sich also um eine wechselbezügliche Verfügung handelte. Beide Ehegatten hätten bewusst sich auf ihren Sohn K. K. als Alleinerben festgelegt und insoweit bewusst den anderen Kindern bei der Regelung der Erbfolge vorgezogen. Dies spreche dafür, dass jeder der Ehegatten den Sohn K. K. eben nicht lediglich wegen des Verwandtschaftsverhältnisses bedacht habe, sondern aus besonderen Gründen, die für beide Ehegatten maßgeblich gewesen seien. Nach allgemeiner Lebenserfahrung liege es nahe, das gemeinsame Motiv der Ehegatten, ihren Sohn K. K. als Schlusserben einzusetzen, darin zu sehen, dass dieser das Anwesen, das den einzigen wesentlichen Nachlassgegenstand ausmache, zu Lebzeiten unter eigenem Arbeitseinsatz renoviert und mit den Eltern im Haus gewohnt habe. Er habe daher einen engen Bezug zu dem Anwesen gehabt, während offenbar der Großteil der übrigen Kinder von den Eltern jeweils ein Baugrundstück überlassen bekommen hätte, so dass diese über ein eigenes Wohnhaus verfügen konnten. All dies spreche dafür, dass die Eheleute die Schlusserbeneinsetzung von K. K. als wechselbezügliche Verfügung getroffen haben. Dem stehe nicht entgegen, dass die Erblasserin selbst in ihrem notariellen Testament aus dem Jahr 2000 angegeben habe, hinsichtlich der fraglichen Verfügung sei keine Bindungswirkung gewollt gewesen. Es handle sich nach Auffassung der Kammer insoweit um eine nachträgliche Interpretation der Erblasserin in einer Situation, in der sie von der Notarin darüber aufgeklärt worden sei, dass sie in ihrer Verfügung unter Umständen an das gemeinschaftliche Testament gebunden sei. Die Erklärung der Erblasserin beinhalte keinen einzigen Gesichtspunkt, der nachvollziehen lassen könnte, warum sie sich nicht gebunden gefühlt habe.
An die Stelle des vorverstorbenen K. K. sei die Beteiligte zu 9 in dessen Alleinerbenstellung eingetreten. Zwar enthalte das Testament diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Vorversterbens von K. K., so dass die Auslegungsregel des § 2069 BGB zum Tragen komme. Nicht zweifelsfrei könne dabei festgestellt werden, dass - wie seitens der Beschwerde vorgetragen - es dem Willen der Ehegatten bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments entsprochen habe, dass die gemeinsamen Kinder Ersatzerben für K. K. sein sollten und keinesfalls die Beteiligte zu 9 Alleinerbin werden sollte. Das gemeinschaftliche Testament sei wenige Tage nach der Geburt der Beteiligten zu 9 errichtet worden. Schon von daher wäre es ausgesprochen naheliegend gewesen, sie ausdrücklich als Ersatzerbin auszuschließen, wenn dies gewünscht gewesen wäre, was jedoch nicht erfolgt sei. Auch falle weiterhin auf, dass die Erblasserin selbst in ihrem notariellen Testament im Jahr 2000 noch ausdrücklich auf eine Regelung der Ersatzerbfolge anstelle von K. K. verzichtet habe, obwohl sie über dieses Thema von der Notarin belehrt worden sei. Wäre es bereits 1997 der übereinstimmende Wille der Ehegatten gewesen, sie als Ersatzerbin auszuschließen, dann wäre es äußerst naheliegend gewesen, wenn die Erblasserin diesen Punkt in ihrer Verfügung im Jahr 2000 ausdrücklich "nachgebessert" hätte. Dem Vortrag der Beteiligten zu 9, es sei der Wille von dem vorverstorbenen Ehegatten der Erblasserin gewesen, dass die Beteiligte zu 9 mit ihrer Mutter in das Haus einziehe, um dort zusammen mit K. K. und den Großeltern zu leben, sei die Beschwerdeführerseite nicht entgegengetreten. Dies spräche allerdings nicht dafür, dass die Großeltern übereinstimmend die Beteiligte zu 9 als Ersatzerbin ausschließen wollten. Die Erblasserin mag nach Abfassung des Testaments auch mehrfach geäußert haben, die Beteiligte zu 9 solle das Haus niemals bekommen. Selbst wenn die Kammer diesen streitigen Sachvortrag als wahr unterstelle, lasse dies nicht zweifelsfrei darauf schließen, dass diese Auffassung dem gemeinsamen Willen der Ehegatten im Jahre 1997 kurz nach der Geburt der Beteiligten zu 9 entsprochen habe. Vielmehr habe die Erblasserin erstmals mit dem Testament von 2004 eine Verfügung getroffen, die es ausgeschlossen hätte, dass die Beteiligte zu 9 das Haus erhalte. Nach alledem verblieben jedenfalls Zweifel hinsichtlich der von den Eheleuten gewünschten Konsequenzen bei Vorversterben von K. K., die aufgrund der dargestellten Umstände nicht aufzuklären seien. Somit komme die Auslegungsregel des § 2069 BGB zur Anwendung, was dazu führe, dass die Beteiligte zu 9 Alleinerbin nach der Erblasserin geworden sei.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den getrennt verfassten handschriftlichen Testamenten der Eheleute vom 18.8.1997 um ein gemäß §§ 2265, 2267, 2247 BGB formgültig errichtetes gemeinschaftliches Testament im Sinne von §§ 2265, 2247 BGB handelt. Zutreffend hat das Landgericht weiter angenommen, dass die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments auch in getrennten Urkunden erfolgen kann (allgemeine Meinung; vgl. Palandt/Edenhofer BGB 69. Aufl. vor § 2265 Rn. 8). Es hat dabei auch beachtet, dass hierfür Voraussetzung ist, dass sich der Wille der Eheleute zum gemeinschaftlichen Testieren aus den beiden Urkunden zumindest ansatzweise ergeben muss. Ohne Rechtsfehler konnte das Landgericht in Gesamtwürdigung der von ihm festgestellten Indizien zu einem solchen gemeinsamen Errichtungswillen der beiden Eheleute gelangen.
b) Es ist in rechtlicher Hinsicht auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die jeweilige Einsetzung des K. K. als Alleinerbe durch die Erblasser wechselbezüglich war.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Anordnung der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen gemäß § 2270 Abs. 1 BGB auch im Wege der individuellen Auslegung ermittelt werden kann.
aa) Maßgebend hierfür ist, ob im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ein übereinstimmender Wille beider Ehegatten vorgelegen hat, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, bei denen also aus dem Zusammenhang des Motivs heraus eine innere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verfügungen derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Partner eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlichen Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll (BayObLG FGPrax 2005, 164 ; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 307 ; Palandt/Edenhofer aaO. § 2270 Rn. 1). Dabei ist jede einzelne Verfügung gesondert durch individuelle Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen auf eine etwaige Anordnung der Wechselbezüglichkeit hin zu untersuchen.
Die Testamentsauslegung ist Sache des Tatrichters. Die Überprüfung im Wege der weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen oder wesentliche Umstände übersehen wurden (vgl. BGHZ 121, 357 /363; BayObLG FamRZ 2002, 269 /270; OLG München FamRZ 2008, 728; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42). Dabei muss die Auslegung des Tatrichters nicht zwingend sein. Es genügt, wenn sie nur möglich ist (BGH FamRZ 1972, 561 /562; BayObLG FamRZ 2005, 1933 /1934).
bb) Diesen Anforderungen wird die Auslegung des Landgerichts gerecht. Es ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Umstände der Entstehung der Testamente und dabei insbesondere die Ergänzung des bereits im Jahre 1964 errichteten Ehe- und Erbvertrags durch die Einsetzung des K. K. als Schlusserben als gewichtiges Indiz für die Annahme der Wechselbezüglichkeit der beiden Verfügungen heranzog. Auch konnte das Landgericht rechtsfehlerfrei das Motiv für das beidseitige Bedenken des K. K. in dessen Renovierung des Anwesens, dem Wohnen des K. K. zusammen mit den Erblassern in dem Anwesen sowie in den bereits erfolgten Grundstücksüberlassungen durch die Erblasser zugunsten der übrigen Kinder erblicken. Gerade daraus konnte das Landgericht auch entgegen dem Beschwerdevorbringen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Schluss ziehen, dass die Einsetzung des K. K. nicht lediglich wegen des Verwandtschaftsverhältnisses erfolgt ist.
c) Das Landgericht hat auch beachtet, dass vor Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB eine individuelle Auslegung zu erfolgen hat. Das von ihm gewonnene Ergebnis, dass ein zweifelsfreier Erblasserwille für den Fall des Vorversterbens des eingesetzten Schlusserben nicht feststellbar ist, ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere musste das Landgericht aus dem Umstand, dass die Erblasser das Testament ca. zwei Wochen nach der Geburt der Beteiligten zu 9 errichtet haben, nicht den Schluss auf eine gewollte Ersatzerbeinsetzung der Beteiligten zu 9 ziehen. Im Hinblick auf den von dem Landgericht festgestellten Beweggrund für die Einsetzung des K. K. als Schlusserben stellt der Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments für sich allein kein hinreichendes Indiz dafür dar, dass nach dem Willen der Erblasser die Beteiligte zu 9 bei einem Vorversterben des Schlusserben an dessen Stelle treten sollte.
d) Rechtsfehlerhaft hat es das Landgericht jedoch unterlassen, die Wechselbezüglichkeit der - unter Anwendung des § 2069 BGB gefundenen - Ersatzberufung der Beteiligten zu 9 gesondert zu prüfen. Davon hätte es aber nur dann absehen dürfen, wenn sich die durch Auslegung ermittelte Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Weggefallenen unmittelbar auch auf den an dessen Stelle tretenden Abkömmling im Sinne des § 2069 BGB erstrecken würde. Das ist indes nicht der Fall.
Ob die Erblasser eine Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 BGB angeordnet haben, ist nicht generell zu bestimmen, sondern muss für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft und bejaht werden (BGH NJW -RR 1987, 1410; OLG München FamRZ 2007, 2111). Dies setzt aber zunächst voraus, dass die einzelnen Verfügungen ermittelt und festgestellt werden. Erst wenn dies der Fall ist, kann sich die Frage anschließen, ob einer bestimmten Verfügung Wechselbezüglichkeit beizumessen ist. Dabei stellt die Ersatzerbeinsetzung im Verhältnis zur Einsetzung des zunächst bedachten Erben eine selbständige, gesonderte Verfügung dar. Die Wechselbezüglichkeit der Ersatzberufung, und nicht diejenige der Einsetzung des weggefallenen Schlusserben, steht hier inmitten.
Das von dem Landgericht im Wege der individuellen Auslegung gewonnene Ergebnis, dass die Einsetzung des K. K. als Schlusserben von den Erblassern wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB ausgestaltet wurde, ist dabei für die Frage, ob nach Wegfall des Schlusserben auch die Ersatzberufung des an seine Stelle tretenden Abkömmlings im Sinne des § 2069 BGB wechselbezüglich ist, zunächst ohne Belang. Die ursprüngliche Verfügung der Erblasser, die Einsetzung des K. K. als Schlusserben, ist nämlich durch dessen Vorversterben hinfällig geworden, so dass auch die Wechselbezüglichkeit dieser Verfügung nicht mehr zum Tragen kommen kann. Stattdessen ist - nach der zunächst zu treffenden Feststellung, dass überhaupt ein Ersatzerbe berufen ist - die Frage nach der Wechselbezüglichkeit (auch) dieser Ersatzerbenberufung erneut zu stellen und zu beantworten. Die Wirkung des Eintritts eines Ersatzberufenen in die durch wechselbezügliche Verfügung angeordnete Erbenstellung ist also auf den Eintritt als solchen beschränkt. Eine Teilhabe an der Wechselbezüglichkeit der (weggefallenen) Erbenstellung ist mit dem Eintritt per se nicht verbunden. Vielmehr ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen gesondert festzustellen, ob auch die Ersatzberufung wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB ist. Eine solche Feststellung wurde jedoch von den Vorinstanzen nicht getroffen.
3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen können deshalb keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der tatsächliche Sachverhalt keiner weiteren Klärung bedarf (BayObLGZ 1982, 159 /164; FamRZ 1989, 99 /100; NJW -RR 1989, 1286).
a) An die Stelle des weggefallenen Schlusserben K. K. tritt als Ersatzerbin dessen Tochter, die Beteiligte zu 9. Dieses Ergebnis beruht, wie oben ausgeführt, nicht auf einer individuellen Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments, sondern auf der Anwendung des § 2069 BGB.
b) Eine ausdrückliche Anordnung der Wechselbezüglichkeit dieser Ersatzberufung enthält das gemeinschaftliche Testament nicht. Auch sind darin keine hinreichenden Anhaltpunkte für eine individuelle Auslegung in diesem Sinne angedeutet. Der Umstand, dass die Erblasser die Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich ausgestaltet haben, ist allein kein ausreichendes und zwingendes Indiz dafür, dass auch die Ersatzerbeneinsetzung im Sinne des § 2069 BGB nach dem Willen der Erblasser wechselbezüglich sein sollte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erblasser bei einem Vorversterben des ursprünglich Bedachten, dessen wechselbezügliche Einsetzung, wie vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, einer besonderen Motivlage der Erblasser entsprang, ihren Verfügungen gerade keine (weitere) Bindung beimessen und dem Umstand des Vorversterbens des Bedachten gegebenenfalls mit neuen Verfügungen Rechnung tragen wollten.
c) Da zumindest Zweifel an einer Anordnung der Wechselbezüglichkeit durch die Erblasser bestehen, würde an sich die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zur Anwendung kommen. Da sich aber die Ersatzerbfolge aus § 2069 BGB ergibt, ist die Anwendung des § 2270 Abs. 2 BGB nicht möglich.
Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ist auf Ersatzerben nämlich nur dann anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Ehegatten feststellen lassen, die Ersatzerbeinsetzung also nicht allein auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht (BGHZ 149, 363; BayObLG FGPrax 2001, 248; ZEV 2004, 244; NJW -RR 2007, 949/952). Bei den Fallgruppen der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB kann nach der zugrundeliegenden Lebenserfahrung angenommen werden, dass die Verfügung des einen die Gegenleistung für die Verfügung des anderen ist. Dies rechtfertigt es, den Verfügungen der Ehegatten im Wege der Auslegungsregel eine Wechselbezüglichkeit auch dann beizulegen, wenn sich ein entsprechender Wille durch individuelle Auslegung nicht feststellen lässt. Bei einer allein aus § 2069 BGB hergeleiteten Ersatzerbenstellung trifft dieser innere Rechtfertigungsgrund des § 2270 Abs. 2 BGB nicht zu. § 2069 BGB sagt nämlich für sich genommen über die Bindungswirkung in einem gemeinschaftlichen Testament nichts aus und hindert somit den überlebenden Ehegatten nicht an einer Änderung der nach dieser Vorschrift berufenen Ersatzerbfolge (BayObLG FamRZ 2004, 1671,1672). Eine Kumulation der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB mit der des § 2069 BGB würde dazu führen, dass ein nicht feststellbarer Wille zur Bindung in Bezug auf eine durch individuelle Auslegung nicht feststellbare Verfügung angenommen wird (BayObLG aaO.). Eine solche Gesetzesanwendung lässt sich nicht mehr durch einen allgemeinen Erfahrungssatz rechtfertigen (BGHZ 149, 363 /370).
Somit war hier für die Erblasserin Raum, die aufgrund des Ehegattentestaments vom 18.8.1997 allein durch § 2069 BGB begründete Ersatzerbfolge der Beteiligten zu 9 abzuändern.
d) Gemäß den Testamenten der Erblasserin vom 19.12.2006 und vom 15.4.2004 treten nach Eintritt des Ersatzerbfalls die Beteiligten zu 1 - 8 an die Stelle des vorverstorbenen K. K.; die Ersatzerben sind durch die Erblasserin mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung beschwert.
3. Das Nachlassgericht wird daher den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 9 zurückzuweisen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über den in der Beschwerdeschrift konkludent gestellten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 8, der allerdings so nicht gemeint sein dürfte (Bezugnahme auf die Antragstellung vom 11.12.2008, das wäre der Antrag der Beteiligten zu 9), erneut zu befinden haben.
4. Gerichtsgebühren fallen in den Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht und vor dem Oberlandesgericht nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2 a. F. KostO). Von einer Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat nach billigem Ermessen ab (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG), da die im Ergebnis unterlegene Beteiligte zu 9 in den Vorinstanzen zunächst obsiegt hatte und die Rechtsverfolgung durch beide im entgegen gesetzten Sinn beteiligte Seiten angesichts der nicht einfachen Sach- und Rechtslage verständlich und nachvollziehbar erscheint.
Die Festsetzung des Geschäftswerts richtet sich nach § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO a.F.. Maßgeblich für den Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin am Erfolg ihres Rechtsmittels. Nachdem sie im Falle testamentarischer Erbfolge zu 1/8 am Nachlass beteiligt wäre, beläuft sich ihr wirtschaftliches Interesse auf den entsprechenden Bruchteil an dem Reinnachlasswert. Dieser bestimmt sich aus dem Wert des Anwesens, das den wesentlichen Nachlassgegenstand darstellt. Für die hier vorgenommene Festsetzung, die nur für Zwecke der Gebührenberechnung erfolgt, kann der Wert aufgrund des Sachvortrags der Beteiligten hinreichend geschätzt werden. Entsprechend den Angaben der Beteiligten zu 8, die plausibel sind und von der Beteiligten zu 9 nach Übersendung der Unterlagen, die eine weitere Kontaminierung des streitgegenständlichen Anwesens belegen, nicht mehr substantiiert in Frage gestellt wurden, bemisst der Senat den Nachlasswert mit 200.000 €. Demgemäß ist der Geschäftswert für beide Beschwerdeinstanzen auf jeweils 25.000 € festzusetzen.