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Letzter Wille aus mehreren Urkunden – BGH, Beschluss vom 15.06.2010 – Az. IV ZR 21/09

Leitsätzliches:

Es ist ausreichend, wenn sich die Gesamtverständlichkeit des letzten Willens aus mehreren Urkunden ergibt. Die einzelnen Urkunden müssen insich formwirksam sein.

Az. IV ZR 21/09 - DueLog

Bundesadler

Bundesgerichtshof

Datum: 15.06.2010

Gericht: BGH

Spruchkörper: IV ZR

Entscheidungsart: Beschluss

Aktenzeichen: IV ZR 21/09

Gründe:

I.
Die Parteien streiten darum, wer von ihnen Erbe des am 28. April 2003 verstorbenen Ü. geworden ist. Die Klägerin ist die dritte Ehefrau des Erblassers, der in zweiter Ehe mit M. -P. verheiratet war. In notariellen Erbverträgen vom 17. Dezember 1996 und 23. Oktober 1997 setzten der Erblasser und seine zweite Ehefrau sich gegenseitig zu Erben und im zweiten Erbvertrag den Beklagten als Schlusserben ein. In einem mit "Unser letzter Wille" bezeichneten privatschriftlichen Schriftstück vom 3. November 1997 bestimmten der Erblasser und seine zweite Ehefrau, dass der Letztlebende nicht zu einer Abänderung der Schlusserbeneinsetzung befugt sein sollte. Nachdem der Erblasser am 21. Mai 2001 die Klägerin geheiratet hatte, setzte er diese testamentarisch als Alleinerbin ein. Die Klägerin erklärte am 5. August 2003 die Anfechtung des Erbvertrages vom 23. Oktober 1997 sowie des Testaments vom 3. November 1997 "wegen Übergehung meiner Person als Pflichtteilsberechtigte".
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte Alleinerbe des Erblassers geworden ist.
II.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulassen, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1.
Die Zulassung der Revision folgt aus einem entscheidungserheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. BGHZ 159, 135, 139 f.; 154, 288, 296). Die Klägerin hatte vorgetragen, dass die zweite Ehefrau des Erblassers an fortschreitender Demenz vom Typ Alzheimer erkrankt und bereits seit Mitte des Jahres 1996 zeitlich und örtlich desorientiert mit der Folge der Testierunfähigkeit gewesen sei. Hierzu hat die Klägerin sich nicht nur auf ein Sachverständigengutachten berufen, sondern zugleich den Bericht des Internisten Dr. B. vom 11. Februar 1999 (Anlage K 19) vorgelegt, in dem es heißt:
"Insbesondere bestehen deutliche Einschränkungen des Denkvermögens mit zeitlicher, teilweise örtlicher Desorientiertheit, herabgesetzten Kurzzeitgedächtnis. Die kognitiven Einschränkungen haben sich seit etwa Mitte 1996 deutlich verschlimmert. Frau M. -P. ist es jetzt nicht mehr möglich, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, wie sie zur eigenständigen Bewältigung notwendig sind; sie bedarf darüber hinaus der kontinuierlichen Beaufsichtigung."
Auf dieser Grundlage war das Berufungsgericht verpflichtet, die Testierunfähigkeit der zweiten Ehefrau des Erblassers nach § 2229 Abs. 4 BGB zu klären, gegebenenfalls Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Die Testierunfähigkeit der zweiten Ehefrau des Erblassers hätte die Nichtigkeit ihrer letztwilligen Verfügung und damit gemäß § 2270 Abs. 1 BGB auch derjenigen des Erblassers vom 23. Oktober 1997 und vom 3. November 1997 zur Folge gehabt. Maßgebend wäre dann allein der notarielle Erbvertrag vom 17. Dezember 1996 gewesen, in dem der Erblasser und seine zweite Ehefrau sich gegenseitig als Erben eingesetzt hatten. Selbst wenn auch dieser wegen Testierunfähigkeit nichtig wäre, wäre der Erblasser zumindest als gesetzlicher Erbe Miterbe nach seiner zweiten Ehefrau geworden, und die Klägerin ihrerseits Erbin des Erblassers aufgrund seiner letztwilligen Verfügung vom 5. September 2001.
Auf diese Frage der Testierunfähigkeit ist das Berufungsgericht nicht eingegangen und hat damit den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
2.
Im Übrigen ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Insbesondere macht die Klägerin ohne Erfolg geltend, dass ihr Anfechtungsrecht nach § 2281 i.V. mit § 2079 BGB nicht ausgeschlossen sei. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Ausschluss des Anfechtungsrechts wegen Ablauf der Anfechtungsfrist nach § 2285 BGB sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Weiter gebietet auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Formunwirksamkeit des handschriftlichen Testaments vom 3. November 1997 keine Zulassung der Revision. Vielmehr ist es zulässig, dass in einem Testament auf eine andere wirksame letztwillige Verfügung, insbesondere auf ein notarielles Testament, verwiesen wird (BGH, Beschluss vom 29. Mai 1980 - IVa ZR 26/80 - Rpfleger 1980, 337 unter 2 b bb; Urteil vom 25. Oktober 1965 - III ZR 47/64 - NJW 1966, 201 unter I). In einem solchen Fall der Bezugnahme auf eine andere formwirksame letztwillige Verfügung von Todes wegen ist es auch nicht erforderlich, dass das verweisende Testament selbst isoliert verständlich bleibt und die Bezugnahme lediglich der Erläuterung dient. Da die Testamentsform sowohl des verweisenden als auch des in Bezug genommenen Testaments in jedem Fall gewahrt ist, reicht es auch aus, wenn sich die Gesamtverständlichkeit erst aus beiden Urkunden ergibt, wie das hier für das handschriftliche Testament vom 3. November 1997 und das notarielle Testament vom 23. Oktober 1997 der Fall ist.